Machen Sie Ihr Kind mental stark! - Stefanie Stahl erklärt: Das ist die „Königsdisziplin“ der Erziehung

Wichtig ist die Fähigkeit, sich aktiv in die Welt des Kindes hineinzuversetzen.<span class="copyright">Getty Images/Maskot/Susanne Wysocki I Fotografie/FOL</span>
Wichtig ist die Fähigkeit, sich aktiv in die Welt des Kindes hineinzuversetzen.Getty Images/Maskot/Susanne Wysocki I Fotografie/FOL

Förderung ist nicht das Wichtigste, um ein Kind optimal zu begleiten. Es ist das Einfühlungsvermögen, das zählt. Eltern, die die feinen Signale ihrer Kinder wahrnehmen und darauf reagieren, stärken das Selbstwertgefühl, fördern die emotionale Intelligenz und die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder.

Was ist elterliches Einfühlungsvermögen und warum ist es das „Königskriterium“ der Erziehung?

Elterliches Einfühlungsvermögen ist die Fähigkeit, sich aktiv in die Welt des Kindes hineinzuversetzen und seine Gefühle sowie Bedürfnisse zu erkennen. Es ermöglicht uns, zu verstehen, was ein Kind gerade wirklich braucht – unabhängig von unserem erwachsenen Blick und den gesellschaftlichen Vorgaben. Ich nenne Einfühlungsvermögen das ‚Königskriterium‘ der Erziehung, weil es die Grundlage für eine sichere Bindung schafft.

Kinder brauchen das Gefühl, dass sie von ihren Bezugspersonen gesehen und verstanden werden. Wenn Eltern einfühlsam auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagieren, stärkt das ihr Urvertrauen. Ein Kind lernt dann: ‚Ich bin willkommen und werde so angenommen, wie ich bin.‘ Dieses Urvertrauen bildet das Fundament für eine gesunde emotionale Entwicklung.

Wie passt Einfühlungsvermögen mit der elterlichen Aufgabe zusammen, Grenzen zu setzen?

Einfühlungsvermögen bedeutet nicht, dass ich mich allen Wünschen meines Kindes beuge. Es geht darum, die Gefühle des Kindes ernst zu nehmen, aber nicht unbedingt seine Wünsche zu erfüllen. Kinder brauchen klare Orientierung und Grenzen, die ihnen Halt geben. Einfühlungsvermögen und eine achtsame, aber klare Linie schließen sich nicht aus – im Gegenteil, sie gehören zusammen. Denn dadurch vermittle ich meinem Kind Sicherheit und unterstütze seine gesunde Entwicklung.

Wie beeinflusst Einfühlungsvermögen die Entwicklung des Kindes?

Einfühlungsvermögen spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Selbstwert, emotionaler Intelligenz und Resilienz. Durch das Spiegeln und Benennen von Emotionen helfen Eltern ihren Kindern, ein besseres Verständnis für ihre eigenen Gefühle zu entwickeln. Das stärkt die emotionale Intelligenz und hilft dem Kind, seine Emotionen zu regulieren und auszudrücken.

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Zusätzlich trägt Einfühlungsvermögen zur Resilienz bei, da das Kind lernt, dass es in schwierigen Situationen nicht alleine ist. Ein grundsätzliches Vertrauen ins Leben ist Teil unserer Resilienz, unserer Belastbarkeit in widrigen Lebenssituationen.

Was sind die langfristigen Auswirkungen von mangelndem Einfühlungsvermögen?

Kinder, deren Bedürfnisse nicht wahrgenommen oder ignoriert werden, entwickeln oft unsichere Bindungsmuster. Das kann dazu führen, dass sie im späteren Leben Schwierigkeiten in Beziehungen haben, weil sie gelernt haben, dass ihre Gefühle nicht wichtig sind. Sie können ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln und haben oft Probleme, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu äußern.

Was kann das Einfühlungsvermögen von Eltern beeinträchtigen?

Oft sind es die unbewussten Prägungen aus der eigenen Kindheit, die uns im Weg stehen. Alte Glaubenssätze wie „Ich muss perfekt sein“ oder „Ich darf keine Schwäche zeigen“ beeinflussen unser Verhalten. In Stresssituationen verfallen wir schnell in diese alten Muster und reagieren eher aus unseren eigenen emotionalen Blockaden heraus, anstatt einfühlsam auf unser Kind einzugehen.

Wie können Eltern ihr Einfühlungsvermögen gezielt trainieren?

Ich empfehle für den Anfang drei einfache Schritte.

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Schritt 1: Wahrnehmung und Zuwendung.  Nehmen Sie sich bewusst Zeit, um Ihr Kind zu beobachten und präsent zu sein. Achten Sie auf die Körpersprache, Mimik und Gestik.

Schritt 2: Interpretation.  Vermeiden Sie voreilige Schlüsse. Fragen Sie sich: „Was könnte mein Kind wirklich fühlen?“ Klären Sie Unsicherheiten gegebenenfalls durch Rückfragen.

Schritt 3: Bedürfnisse des Kindes erfüllen.  Reagieren Sie einfühlsam auf die Bedürfnisse, ohne sofort alle Wünsche zu erfüllen. Zeigen Sie dem Kind, dass es gehört und verstanden wird. Diese Schritte helfen, das Einfühlungsvermögen im Alltag zu vertiefen.

Welche Rolle spielt das „absichtslose Zuhören“ zur Stärkung des Einfühlungsvermögens?

Absichtsloses Zuhören bedeutet, dem Kind zuzuhören, ohne die Aussagen direkt zu bewerten oder Lösungen anzubieten. Stattdessen konzentrieren Sie sich darauf, einfach präsent zu sein und dem Kind Raum zu geben, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Das fördert Vertrauen und signalisiert dem Kind: „Ich bin hier, um dir zuzuhören.“

Versuchen Sie mal, das Kind ausreden zu lassen, bevor Sie reagieren. Das stärkt die Verbindung und hilft, die wahren Bedürfnisse des Kindes besser zu erkennen.