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Kinder loben: Mehr Schaden als Nutzen?

Kinder brauchen Anerkennung, damit sie zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen. Dem stimmt auch der US-Psychoanalytiker Stephen Grosz zu, der in seinem neuen Werk "The Examined Life" das menschliche Verhalten unter die Lupe nimmt. Loben die Eltern ihr Kind allerdings zu oft und dreschen dabei leere Phrasen, schadet das dem Sprössling seiner Meinung nach eher.

"Gut gemacht, Schatz", "Mensch, bist du clever" oder "Aus dir wird mal ein Künstler" – Kinder kann man gar nicht genug loben, so die allgemeine Annahme. Schließlich sollen sie später einmal ihr Leben zuversichtlich selbst in die Hand nehmen. Mit nichtssagendem Lob tut man dem Kind jedoch nichts Gutes, so die Meinung von Stephen Grosz. Vielmehr kann diese Art der Wertschätzung das Kind unglücklich machen, da es das Gefühl hat, nicht mit den falschen Erwartungen der Eltern mithalten zu können. Der Psychoanalytiker rät Vätern und Müttern zur Zurückhaltung, was Komplimente betrifft. Lob ist angebracht, um den Bemühungen des Kindes im konkreten Fall einen positiven Wert zu geben. "Nichtssagendes Lob ist genauso schlecht wie gedankenlose Kritik – es drückt die Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen und Gedanken des Kindes aus", so der Psychoanalytiker in einem Interview mit der britischen Tageszeitung "Daily Mail". "Wenn wir unser Kind bewundern, hebt das zwar vorübergehend unser eigenes Selbstwertgefühl. Bei dem unseres Kindes passiert aber diesbezüglich nicht viel."

Zu häufiges Loben könne sogar dafür sorgen, dass die schulische Leistung nachlässt, so Grosz. Um die These zu belegen, zieht er eine Studie heran, an der 128 Schüler zwischen zehn und elf Jahren teilnahmen. Psychologen der Columbia-Universität baten die Kinder, Matheaufgaben zu lösen. Ein Teil wurde danach mit den Worten "Das hast du echt gut gemacht. Du bist so clever" gelobt. Die anderen bekamen als Anerkennung zu hören: "Das hast du echt gut gemacht. Da hast du dich wohl wirklich angestrengt." Anschließend mussten die Teilnehmer weitere, schwierigere Aufgaben lösen. Die Gruppe, die zuvor als clever gelobt worden war, schnitt dabei schlechter ab. Einige Kinder versuchten später sogar, ihre schlechten Resultate durch Lügen zu vertuschen, als man sie auf das Experiment ansprach.

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In seinem Buch "The Examined Life" (zu Deutsch etwa: "Leben auf dem Prüfstand") setzt sich Grosz in einem Kapitel damit auseinander, was falsches Lob beim Kind anrichten kann. Hier schildert er eine Begebenheit, bei der seine Tochter von einer Krankenschwester überschwänglich gelobt wurde. Erst habe sie ihr gesagt, dass sie den schönsten Baum von allen gemalt habe, später dann, dass sie eine wahre Künstlerin sei. Eben solche Anerkennung, eine Mischung aus Loben und Lehren, verurteilt Grosz: "Offen gesagt finde ich das aggressiv. Es meint nämlich: Ich will dich nicht als Person ermutigen, sondern ich will dich einfach nur loben." Anstatt ihr Kind übermäßig mit Lob zu überschütten, rät Grosz den Eltern, das Selbstbewusstsein ihres Sprösslings langsam aufzubauen. "Hören Sie einfach zu, was Ihr Kind Ihnen sagen will. Was es interessiert, und was seine Leidenschaft weckt."