Kinder und Smartphones: Wie viel Zeit okay ist und worauf Eltern achten sollten
Ab einem gewissen Alter wollen Kinder selbst ein Smartphone und dann ist es für Eltern schwer zu entscheiden, ob sie dem Wunsch nachgeben und worauf sie achten sollen. Iren Schulz arbeitet als Medien-Coach für die Initiative „Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht“ und beantwortet die wichtigsten Fragen im Interview mit Yahoo Nachrichten.
Yahoo Nachrichten: Ab wann stellt sich denn klassischerweise die Frage nach einem Smartphone für Kinder?
Iren Schulz: Mit dem Grundschulalter wird es in den meisten Familien ein großes Thema, weil da drei Dinge zusammenkommen: Der Entwicklungsstand der Kinder, der erlaubt, mehr Konsequenzen einzuschätzen, die mit dem Betätigen von Funktionen verbunden sind. Die Gesellschaft, in der alle mit Smartphones hantieren und diese auch für Kinder sehr interessant machen. Und die Unsicherheiten der Eltern, weil ihre Kinder dann auch einmal allein unterwegs sind. Bekommen Kinder dann ein Handy, sollte es nicht gleich ein voll umfängliches Smartphone sein. Sondern erst einmal eines mit einer Prepaid-Karte und wenigen Funktionen, um herauszufinden, ob das Kind schon damit umgehen kann. Den ganzen Kosmos an Herausforderungen, den das Internet bedeutet, kann ein Kind in diesem Alter nicht ermessen.
Aber für Kinder besteht der Reiz ja vor allem darin, sich untereinander Nachrichten zum Beispiel über WhatsApp zu schreiben.
In diesem Alter sind SMS besser als WhatsApp-Nachrichten. Gerade in WhatsApp stecken einige Tücken – mit Kettenbriefen, dem Datenschutz, Privatsphäre, dem Herumschicken von Fotos und dem verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen und den Daten von anderen.
Augenarzt erklärt: Was macht das Starren auf Bildschirme mit den Augen?
Ab wann sind Kinder denn bereit für Smartphones mit Internetfunktion?
Das hängt auch vom Kind ab. Wir würden aber empfehlen, ein solches Smartphone nicht vor der 5. oder 6. Klasse zu kaufen. Erst dann können Kinder die Konsequenzen einen Schritt weit ermessen. Beispielsweise, wo man Datenspuren hinterlässt und was an Apps so alles dranhängt.
Was ist mit Spielen?
Wenn, dann am besten Spiele, die offline funktionieren und für die man lieber einen oder zwei Euro bezahlt und die dann aber werbefrei sind und man sich nicht mit persönlichen Daten anmelden muss. Die kostenlosen haben immer einen Haken.
Wie können Eltern ihre Kinder an das Thema heranführen?
Gerade am Anfang sollten Eltern da ein Auge drauf haben und die Kinder bei der Nutzung eines Smartphones oder Tablets erst einmal begleiten. Wenn man sich danebensetzt, hat man auch die Chance, Dinge zu besprechen, die Kinder abzuholen und auch einmal mitzuspielen. Das empfehlen wir immer, damit sich die Eltern auch ein Bild machen können. Dann verstehen sie vielleicht, was das Tolle daran ist und sehen aber auch die Ecken und Kanten. Wir von „Schau hin!“ sagen, lieber begleiten und Interesse zeigen als diese ewige Verbieterei. Die führt letztlich nur dazu, dass sich die Kinder andere Wege suchen.
Smartphone: Immer mehr Patienten nutzen Gesundheits-Apps
Worauf sollte man achten, wenn sein Kind das erste eigene Smartphone bekommt?
All diese Vernetzungsoptionen wie GPS oder Bluetooth würde ich generell ausschalten. Die Kinder bekommen keine Flatrate für das Internet, dürfen zuhause aber vielleicht das WLAN nutzen. Die Play-Stores würde ich mit einem Passwort vorschützen, damit Apps nur darauf geladen werden können, wenn die Kinder das mit den Eltern besprochen haben. Manche Apps wie YouTube sind aber auf Android-Geräten vorinstalliert, da muss man sich überlegen, wie man damit umgeht.
Sollte man den Wunsch nach einem coolen Modell erfüllen?
Diese Wahrnehmung, dass alle ein cooles iPhone haben und ich nicht, gab es ja schon immer - mit Klamotten, mit Marken, mit Schulranzen. Das ist so ein typisches Kindheitsding. Das muss man einfach ein bisschen entzaubern. Es ist auch einfach nicht sinnvoll, ein Grundschulkind mit einem 1400 Euro teuren Handy auszustatten. Da muss man Kinder in ihrem Selbstbewusstsein stärken und einen Kompromiss eingehen. Dass man sagt, du kriegst ein Smartphone, aber erst einmal unser abgelegtes und dann schauen wir, ob es läuft. Außerdem können Kinder einen Teil vom Taschengeld beisteuern, um zum Beispiel eine Prepaid-Karte zu kaufen. Damit sie eine Vorstellung davon bekommen, dass das auch etwas kostet.
Gibt es Richtlinien für die Zeiten, die Kinder mit dem Smartphone verbringen dürfen?
Die Frage wird uns immer wieder gestellt und wir geben das mit einer Bildschirmzeit pro Tag an. Also keine reine Handy-Zeit sondern die Zeit, die man vor einem Bildschirm sitzt. Bis zum Alter von fünf Jahren nicht länger als eine halbe Stunde am Stück, zwischen sechs und neun Jahren bis zu einer Stunde und ab zehn Jahren ein Wochenkontingent, das sich die Kinder selbst einteilen können. Hier ist die Faustregel, zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag oder eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche. Da kann man aber ruhig flexibel sein und letztendlich haben Eltern immer das beste Gefühl für ihre Kinder. Manche Kinder sind nach einer halben Stunde schon so hibbelig, dass sie die Wände hochgehen, andere reagieren anders. Und dann gibt es da noch etwas, das Eltern beachten sollten.
Nämlich?
Wenn ich selbst die ganze Zeit am Smartphone hänge und meinem Kind sage, jetzt lege das Ding weg, funktioniert das einfach nicht. Die Kinder wünschen sich auch einmal die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern und merken es, wenn man ihnen nur mit einem halben Ohr zuhört. Man muss den Kindern vorleben, was man von ihnen erwartet. Und auch Alternativen schaffen, in denen alle das Handy weglegen und bewusst zusammen sind.
“Shell On Challenge“: So gefährlich ist der neue Social-Media-Trend
Bis zu welchem Alter sollte man für Kinder Handy-Regeln aufstellen?
Der Grundstein wird in der Kindheit gelegt und mit zunehmendem Alter sollten die Kinder selbst Verantwortung übernehmen. Mit 14, 15 oder 16 Jahren sollten sie so weit sein, dass sie ihr Smartphone auch einmal drei Stunden weglegen, wenn sie für eine Klassenarbeit lernen müssen. Bei Jugendlichen geht es eher um Fragen wie: Was mache ich für Fotos und wo veröffentliche ich die? Wo zeige ich mein Leben? Was zeige ich in den sozialen Netzwerken?
Was sind da die größten Gefahren?
Cybermobbing und Sexting und dann die Schönheitsideale und Körperbilder, die zum Beispiel bei Instagram vermittelt werden. Da herrscht ein großer Druck.
Was sagen Sie zur Meinung mancher Bildungsexperten, Kinder würden durch die vielen Textnachrichten, in denen Rechtschreibung keine große Rolle spielt, immer schlechter lesen und schreiben und würden keine längeren Texte mehr verstehen?
Man sieht schon, dass sich Sprach- und Schriftkultur über die Medien verändern. Ohne dass ich sagen würde, dass es immer schlimmer wird und dafür das Smartphone verantwortlich ist. Digitale Medien können auch eine unglaubliche Bereicherung sein. Es gibt einen großen Markt von Lern-Apps und viele Angebote (zum Beispiel www.schular.de oder kids-interactive.de), bei denen man den individuellen Lernfortschritt berücksichtigen oder den Kindern zum Beispiel mit Augmented Reality den Eiffelturm zeigen kann, den man gerade behandelt. Das ist eine Ergänzung, die lernen einfacher und schöner machen kann.
VIDEO: Mit sechs Smartphones auf Pokémon-Jagd