Kinderarbeit 2.0? - Mediensucht-Profi warnt vor gefährlichem Millionengeschäft im Kinderzimmer
Im digitalen Zeitalter wird die Rolle von Kindern als Influencer immer relevanter und kontroverser. Medienspezialist Florian Buschmann wirft einen kritischen Blick auf die rechtlichen, ethischen und psychologischen Aspekte dieser modernen Phänomene.
Welche prominenten Beispiele gibt es für Kinder-Influencer?
Einige Kinder-Influencer haben in der Vergangenheit nicht nur für Unterhaltung gesorgt, sondern auch heftige Kontroversen und ethische Diskussionen ausgelöst.
Dieser Beispiel-Fall zeigt die dunkle Seite des frühen Ruhms und wirft Fragen zu den Motiven der Eltern und dem Schutz der Kinder auf: Die 15-jährige Danielle „Dani“ Cohn gab wochenlang an, schwanger und verheiratet zu sein, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Auf Social Media teilte sie Bilder mit ihrem 16-jährigen Freund und verkündete ihre vermeintliche Schwangerschaft. Dies führte zu heftiger Kritik und Skepsis ihrer Follower. Cohn, die 3,5 Millionen Follower auf Instagram und 1,2 Millionen YouTube-Abonnenten hat, ist vor allem durch TikTok bekannt.
Später stellte sich heraus, dass es sich um einen Scherz handelte, um die Followerzahl zu erhöhen. Ihre Mutter bestätigte, dass keine echte Heirat oder Schwangerschaft vorlag. Die Aktion führte überwiegend zu negativen Reaktionen und löste eine Diskussion über die Grenzen von Influencer-Marketing aus (Standard).
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für minderjährige Kinder-Influencer?
Minderjährige Kinder-Influencer stehen unter besonderem rechtlichen Schutz. Das Jugendarbeitsschutzgesetz legt fest, dass Kinder unter 13 Jahren grundsätzlich nicht arbeiten dürfen – auch nicht als Influencer. Ab 13 ist eine Tätigkeit möglich, allerdings nur mit Zustimmung der Eltern und einer Genehmigung der zuständigen Behörde. Die Arbeitszeiten sind dabei streng geregelt: maximal zwei Stunden täglich und nicht während der Schulzeit.
Darüber hinaus greift das Kunsturhebergesetz, das besagt, dass Aufnahmen nur mit Zustimmung des Kindes bzw. der Erziehungsberechtigten veröffentlicht werden dürfen. Die Eltern müssen darauf achten, dass die mediale Darstellung nicht das Wohl des Kindes gefährdet. Das bedeutet: Keine Aufnahmen, die das Kind bloßstellen oder unter Druck setzen könnten.
Ein weiteres Thema ist die Vergütung: Verdienen die Kinder Geld, muss das Einkommen auf ein Sperrkonto fließen, um langfristig geschützt zu sein. Eine rechtliche Grauzone besteht jedoch bei Influencer-Kooperationen, weshalb hier eine klare Abwägung der Eltern erforderlich ist.
Gibt es ethische Bedenken bei der Vermarktung von Kindern als Influencer durch die Eltern?
Wenn Kinder als Influencer vermarktet werden, stellt sich immer die Frage: Geht es wirklich um das Wohl des Kindes oder eher um das der Eltern? Kinder brauchen Raum, um zu spielen, zu lernen und sich ohne äußeren Druck zu entwickeln. Ständiges Posten und Präsentieren kann diese natürlichen Bedürfnisse schnell in den Hintergrund rücken.
Stattdessen wird der Fokus auf Likes, Follower und den nächsten viralen Moment gelenkt. Was macht das langfristig mit einem Kind, das in diesem Umfeld aufwächst? Und wie wird es in zehn Jahren auf die Bilder und Videos zurückblicken, die es vielleicht gar nicht selbst freigegeben hätte?
In einem unserer Schulworkshops haben wir eine Gruppe begleitet, die in einem kleinen Theaterstück deutlich machte, wie das ständige Darstellen und Posten durch die Eltern zu einem enormen Druck führt. Die Kinder berichteten, dass sie sich in ihrer gespielten Rolle als „Mini-Influencer“ oft nicht ernst genommen fühlen. Es war klar, dass das Bedürfnis nach Anerkennung und echtem Kontakt zu den Eltern häufig hinter der Jagd nach dem perfekten Schnappschuss zurückbleibt.
Kinder sollten niemals als „Werkzeug“ für Reichweite und Likes missbraucht werden. Der Schutz ihrer Privatsphäre und ihres emotionalen Wohlbefindens muss im Vordergrund stehen. Eltern müssen reflektieren, ob sie das Bild ihrer Kinder im Netz wirklich aus deren Interesse heraus teilen – oder ob es am Ende um Bestätigung und Anerkennung für sie selbst geht. Die Gefahr besteht, dass der natürliche Entwicklungsprozess der Kinder darunter leidet, während die Eltern im Rampenlicht stehen.
Welche Gefahren birgt die Veröffentlichung privater Details über Kinder im Internet im Kontext von Pädophilie?
Kinder und Jugendliche posten oft unbewusst Inhalte, die ihre Sicherheit gefährden können. Ein harmlos wirkendes Tanzvideo oder ein Selfie im eigenen Zimmer können schnell zur Zielscheibe für Menschen mit kriminellen Absichten werden.
Cybergrooming, also die gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener zu Kindern mit der Absicht, sie sexuell zu belästigen, nimmt immer weiter zu. Täter nutzen soziale Medien, um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, häufig indem sie sich als Gleichaltrige ausgeben oder auf die Posts der Kinder reagieren. Durch das Teilen von Alltagsdetails, Wohnort oder Freizeitaktivitäten wird es für diese Personen leichter, gezielt auf die Kinder zuzugehen und sie emotional zu manipulieren. Das Problem: Kinder können oft nicht einschätzen, welche Informationen gefährlich sein könnten.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Täter gezielt nach scheinbar harmlosen Bildern oder Videos suchen, die im Zusammenhang mit „Challenges“ oder Tänzen entstehen, um diese in falschen Kontexten weiterzuverbreiten. Was für sie ein einfacher Spaß vor der Kamera ist, kann schnell als Vorlage für Übergriffe missbraucht werden. Eltern müssen sich deshalb der Risiken bewusst sein, die die Veröffentlichung von Bildern und Videos mit sich bringt. Kindliche Naivität und fehlende Reflexion machen es Tätern besonders leicht, Zugang zu finden.
Die Regel sollte daher lauten: So wenig persönliche Details wie möglich preisgeben und den Kindern frühzeitig ein Verständnis für Gefahren und Schutzmaßnahmen vermitteln.
Welche langfristigen psychologischen Folgen könnte eine Influencer-Karriere für Kinder haben?
Wenn Kinder schon früh auf Plattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok im Mittelpunkt stehen, entwickelt sich oft ein verzerrtes Selbstbild. Sie lernen, dass ihr Wert von Likes, Followern und Reichweite abhängt. Dieses „Leben vor der Kamera“ kann dazu führen, dass sich das Kind zu stark an der Außenwahrnehmung orientiert und es schwerfällt, eigene Bedürfnisse zu erkennen.
Langfristig kann das ständige Bewerten durch eine Online-Community das Selbstwertgefühl massiv beeinträchtigen. Kinder, die sich in ihren Videos als fröhlich und perfekt inszenieren, fühlen sich häufig verpflichtet, dieses Bild auch im Alltag aufrechtzuerhalten. Die Folge: Stress, Druck und das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dies kann zu psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder sogar Essstörungen führen.
Hinzu kommt die Gefahr der Identitätsfindung: Kinder befinden sich in einer wichtigen Entwicklungsphase, in der sie herausfinden, wer sie sind und was sie wollen. Wenn diese Phase durch die ständige Selbstdarstellung geprägt ist, wird die Suche nach der eigenen Identität stark beeinflusst. Was bleibt, wenn die Kamera aus ist und der Applaus ausbleibt? Die Kinder könnten den Bezug zu sich selbst verlieren und ihre innere Stabilität gefährden.
Nicht zu vergessen ist auch das Thema Privatsphäre. Videos und Bilder, die heute leichtfertig geteilt werden, können das Kind später einholen – sei es bei der Jobsuche oder im sozialen Umfeld. Unangemessene oder peinliche Inhalte, die gegen den Willen des Kindes gepostet wurden, können auch Jahre später noch Scham und Verunsicherung auslösen.