In ARD-Doku prahlt Insider - Cyber-Gruppierung zerstört systematisch Leben: „Für uns ist das Unterhaltung“

Ein Cybermobber gibt unverblümt zu, wie er immer wieder neue Opfer findet: "Man sucht sich einfach irgendjemanden raus. Und bringt den im besten Fall zum Ausrasten."<span class="copyright">WDR</span>
Ein Cybermobber gibt unverblümt zu, wie er immer wieder neue Opfer findet: "Man sucht sich einfach irgendjemanden raus. Und bringt den im besten Fall zum Ausrasten."WDR

Die Cyber-Gruppierung „NWO“ macht sich bereits seit Jahren einen Spaß daraus, Menschen zu stalken, zu bedrohen und zu belästigen. Eine Influencerin berichtet, wie die Gruppe ihr Leben zerstörte. Während die Behörden machtlos erscheinen, ist das perfide Spiel für die Täter vor allem eines: Unterhaltung.

„Wenn man einen schlechten Tag hatte, sucht man sich einfach irgendjemanden raus. Und bringt den im besten Fall zum Ausrasten“: Es klingt beinahe so, als spräche der Mann, der hier bis zur Unkenntlichkeit verhüllt vor der Kamera sitzt, von einem PC-Spiel. Doch das „Spiel“, um das in der „ARD Story“-Doku „Das Cybermobbing-Kartell“ (Mittwoch, 7. August, 22.50 Uhr, im Ersten und abrufbar in der ARD Mediathek) geht, ist ein reales, höchst perfides und nur für die eine Seite der Beteiligten witziges: Der Mann ist ein sogenannter „Hater“, ein Mobber, ein Stalker.

ARD-Doku zeigt perfides Spiel von Cyber-Gruppierung „NWO“

Bereits 2022 hatte sich der Journalist und Filmemacher Christoph Kürbel in dem Film „Bekenntnisse eines Haters“ mit dem Thema Cybermobbing auseinandergesetzt, nun taucht er noch tiefer in das hochaktuelle Thema ein. Im Zentrum der Dokumentation steht eine Gruppierung mit dem Namen „NWO“, was gleichermaßen für „Neue Weltordnung“ und „Nie wieder online“ steht. Die NWO-Mitglieder machen sich bereits seit Jahren einen Spaß daraus, Menschen zu stalken, zu bedrohen und zu belästigen - auf verschiedenste Art und Weise.

Die Gruppe findet Opfer im Netz und hackt ihre Accounts, um sie mit intimen Informationen öffentlich bloßzustellen. Sie veranstaltet aber auch regelrechte Hetzjagden, nicht nur auf Privatpersonen, sondern auch auf öffentliche Persönlichkeiten, darunter Politiker. Die NWO ist unter anderem bekannt dafür, falsche Notrufe im Namen ihrer Opfer abzusetzen und in deren Namen die Polizei zu rufen.

Gruppierung zerstörte Leben von Influcencerin (30)

Die Influencerin Aline Bachmann zählt bereits seit Jahren zu den Opfern der Mobbinggruppe. Ihre Stalker verleihen sich gegenseitig Trophäen, wenn sie die 30-Jährige im Netz zum Ausrasten bringen. Dafür, weiß Bachmann, „gehen sie über Leichen“. Im Film berichtet sie davon, zeitweise Dutzende Essens-Lieferungen auf einmal erhalten zu haben. Immer wieder steht die Polizei aufgrund angeblich abgesetzter Notrufe vor ihrer Tür.

Selbst auf ihre eigene Post hat Bachmann seit geraumer Zeit keinen Zugriff mehr, weil die Hater sie abgreifen. Ihre Pferde wurden vergiftet, ihre Wohnung hat die ehemalige DSDS-Teilnehmerin durch gezielte Aktionen der Mobber verloren.

Auch vor Morddrohungen schrecken die Täter nicht zurück. So wurde Aline Bachmanns Mutter ein Video zugespielt, in dem es heißt, jemand wolle ihr „den Kopf abschneiden“. Einst bestellte die NWO sogar einen Leichenwagen zum Haus der älteren Frau. „Auf einmal klingelt's. Zwei Männer, schwarz gekleidet, fragten, wer ich bin. Sie sagten: 'Wir sollen hier eine Frau Bachmann abholen.'“ Von der Polizei erhielt Bachmanns Mutter keine Unterstützung. „Die sagten: Haben Sie mal gesehen, was Ihre Tochter da im Internet fabriziert?“

Immer wieder lässt sich die Influencerin auf die Provokationen ihre Hater ein, reagiert sich auf Instagram und TikTok ab. „Man kann gegen Trolle nicht gewinnen. Es geht einfach nicht“, warnt die Cybersecurity-Expertin und Hackerin Ornella Al-Lami im Film. Keiner der Menschen, die Aline Bachmann und ihren Angehörigen das Leben schwer machen, wurde bislang strafrechtlich belangt oder auch nur gefasst. Für sie geht das Spiel immer weiter - und Bachmann ist bei Weitem nicht das einzige Opfer.

Für die Täter ist das Mobbing Unterhaltung

„Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo dein Kind ist. Wir jagen dich, wir finden dich“, heißt es in einem Video, in dem ein Mitglied der NWO eine Mutter und ihr Kind mit einer Waffe bedroht. Im Film veröffentlichte Chatprotokolle zeigen: Die Mobber tauschen immer wieder Gewaltfantasien aus, häufig richten sie sich explizit gegen Frauen.

Für die Täter ist das Mobbing vor allem eines: Unterhaltung. „Das ist gefühlt wie 'Berlin - Tag und Nacht'. Nur, dass man es selbst steuern kann“, prahlt der anonyme Insider in der Doku. Angst vor Konsequenzen hat er keine: Die Ermittlungsbehörden scheinen überfordert, die meisten der Hater müssen nicht befürchten, jemals für ihre Taten belangt zu werden.

Dabei ist die Gesetzeslage eigentlich eindeutig, wie der Rechtsanwalt Christian Solmecke im Film klarstellt: „Stalking ist eine Straftat. Auch wenn ich nur andere zu der Tat anstifte, werde ich wie ein Täter verurteilt.“