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Klartext, Frau Merkel! – In der Town Hall steigt der Druck

Zehn Tage vor der Wahl stellte sich die Kanzlerin noch einmal den Wählern. Dabei wurde es stellenweise sogar hitzig.
Zehn Tage vor der Wahl stellte sich die Kanzlerin noch einmal den Wählern. Dabei wurde es stellenweise sogar hitzig.

Zehn Tage vor der Wahl spricht die Bundeskanzlerin noch einmal mit den Bürgern. In der ZDF-Sendung “Klartext, Frau Merkel” stellt sie sich Bettina Schausten, Peter Frey und 150 Wählern. Anders als beim TV-Duell geht es dabei manchmal sogar einigermaßen zur Sache.

Die ersten klaren Worte gibt es gleich ganz zu Anfang bei “Klartext, Frau Merkel”: Sie werde nicht an einem zweiten Duell mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz teilnehmen, sagt die Kanzlerin zu Bettina Schausten und Peter Frey. Die Bundestagswahl sei, anders als die Präsidentschaftswahl in den USA, eine Parteien- und keine Personenwahl. Kurz gesagt: Sie möchte lieber nicht. Und dann geht’s auch schon los.

Ein bayerischer Kioskbesitzer, bei dem mehrmals eingebrochen wurde, wünscht sich härtere Bestrafung von Einbrechern. Auch Kleinkriminelle sollen, wenn es nach ihm geht, mit schwereren Strafen rechnen müssen. “Was würden Sie bei Polizei und Justiz verbessern?”, fragt er Merkel und sie berichtet ihm darüber, was die Regierung bereits durchgesetzt hat. Sie könne ihn verstehen, sagt sie dann. Sie wird diesen Satz an diesem Abend mehrmals wiederholen.

Die umgetriebene Kanzlerin

Einem jungen Polizisten verspricht sie, sich darum zu kümmern, den Polizistenberuf wieder attraktiver zu machen. Einem jungen Mann, der sich in Zeiten zunehmender Kommunikationsüberwachung Sorgen um die Freiheitsrechte macht, erklärt sie, dass dieser in Zeiten, in denen Gefährder Whatsapp-Gruppenchats benutzen, wichtig und richtig sei. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit treibe sie aber durchaus um. Auch dieser Satz fällt immer wieder.

Fast in die Bredouille kommt die Kanzlerin, als sie versucht, einer Reinigungskraft Ratschläge bezüglich ihrer Rentenplanung zu erteilen. Die Frau erzählt, dass sie nach 40 Berufsjahren mit einer Rente von weniger als 700 Euro auf Grundsicherung angewiesen sein wird. Warum sie sich nicht für eine Bürgerversicherung, ähnlich der in Österreich einsetze, fragt sie die Bundeskanzlerin. Die sagt, dass sie sie verstehe. Und gibt ihr dann den Ratschlag, doch in eine Zusatzversicherung einzuzahlen. “Von 1050 Euro im Monat?”, erwidert die ungläubig. Als Merkel das ignoriert und die umstrittene Riester-Rente empfiehlt, wird es einer anderen Zuschauerin zu viel. Eine Antwort wie diese sei eine Unverschämtheit, ruft sie ins Studio. “Das ist ein Witz, was sie hier erzählen!”

Auch diese Meinung könne sie verstehen, sagt Merkel und korrigiert sich dann: “Zumindest nehme ich sie zur Kenntnis”. Als Lösung der Probleme der Frau schlägt sie dann vor, dass man Berufe wie den ihren einfach besser bezahlen müsse. “Ich kann ihnen im Augenblick nichts anderes versprechen”, sagt sie dann.

Klare Kante gegen krude Theorien

Der zweite Knall an diesem Abend folgt, als eine Frau aus Erfurt sich zum Thema Flüchtlinge meldet und anfängt über die angeblichen Gefahren eines durch die angekommenen Flüchtlinge verschuldeten “Männerüberschusses” in Deutschland zu referieren. Dieser, ist die Frau überzeugt, sei historisch der Grund für mehr Gewalt und sexuelle Gewalt – besonders, weil, so nennt sie das, viele der Flüchtlinge aus “tribalistischen Strukturen” kämen und bei Problemen zu gewaltsamen Lösungen neigen würden. Das Publikum protestiert.

Und auch die Bundeskanzlerin reagiert prompt auf die kruden Theorien der besorgten Erfurterin. “Das, was sie als großes demographisches Problem sehen, das sehe ich nicht!” Die Bürgerin insinuiere mit ihren Ausführungen einen Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen. Das Publikum applaudiert dafür.

Erfrischender Druckanstieg

Neben diesen beiden Höhepunkten beschäftigt sich Merkel unter anderem mit strukturellem Rassismus, Landärzten, dem Dieselskandal und schnellem Internet – mal klarer, oft weniger klar. Noch einige Male versteht sie die Probleme der Fragensteller, noch einige Male sagt sie, dass bestimmte Themen sie “umtreiben”.

Am Ende der Sendung fragen Schausten und Frey die Kanzlerin, ob sie sich festlege, für die gesamten vier Jahre anzutreten. Hier ist Merkel dann auch wieder ganz klar. “Ich habe die Absicht und den Willen”.

Fazit: Trotz bisweilen wiederkehrender Floskelei markierte die Sendung nach dem einschläfernden TV-Duell einen erfrischenden Druckanstieg. (jl)

Foto: Screenshot/ZDF

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