Klartext im „Sommerinterview“ - „Hat Erwartungen nicht erfüllt“: Lindner drängt auf schärfere Regeln beim Bürgergeld

Christian Lindner (FDP, l), Bundesminister der Finanzen, ist zu Gast in dem von Matthias Deiß moderierten ARD-Sommerinterview<span class="copyright">dpa</span>
Christian Lindner (FDP, l), Bundesminister der Finanzen, ist zu Gast in dem von Matthias Deiß moderierten ARD-Sommerinterviewdpa

In den Umfragen hat die Ampel ihre Regierungsmehrheit verloren. Die nächste Bundestagswahl ist in gut einem Jahr. FDP-Chef Lindner macht schon mal klar, was mit seiner Partei nicht ginge.

Lindner drängt auf schärfere Regeln beim Bürgergeld

Finanzminister Christian Lindner bleibt bei seiner Einschätzung, dass es im kommenden Jahr keine erneute Anhebung des Bürgergelds geben wird und drängt auf weitere Reformen der Sozialleistung. „Das Bürgergeld hat die Erwartungen nicht erfüllt, und muss deshalb weiter reformiert werden“, sagte der FDP-Chef im ARD-"Sommerinterview". Im nächsten Jahr werde es eine Nullrunde beim Bürgergeld geben. „Es wird nicht erhöht, während die arbeitende Bevölkerung bei der Lohn- und Einkommensteuer entastet wird. Das vergrößert den Abstand wieder, auch das erwartet die Bevölkerung.“

Zwölf Prozent mehr zum Jahresbeginn

Das Bürgergeld war zum Jahresbeginn im Vergleich zu 2023 im Schnitt um rund zwölf Prozent gestiegen - für Alleinstehende war das ein Plus von 61 auf 563 Euro im Monat. Lindner hatte schon damals gesagt, der Regelsatz sei überproportional stark gestiegen. Er hatte die Erwartung geäußert, dass die Sätze zum nächsten Jahr nicht wieder steigen würden. Der Regelsatz für das Bürgergeld wird jährlich an Preise und Löhne angepasst und berücksichtigt auch die Inflation. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte gesagt, wenn die Inflation jetzt deutlich sinke, werde die nächste Anpassung entsprechend niedrig sein. Die dafür nötigen Daten liefere das Statistische Bundesamt im Sommer.

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Lindner sagte mit Blick auf den Bundeshaushalt: „Wir haben nicht zu wenig Geld, sondern wir haben zu hohe Ausgaben.“ Er sprach von stark steigenden Sozialausgaben. „Das hängt auch mit der irregulären Einwanderung nach Deutschland seit 2015 zusammen. Eine große Aufgabe wird deshalb sein, unseren Sozialstaat neu aufzustellen. Kurz gesagt: treffsicher, mehr Empathie für Bedürftige, aber mehr Konsequenz bei Trittbrettfahrern.“

Wer Hilfe brauche, brauche die Sicherheit, diese zu erhalten. „Auf der anderen Seite, wer nicht arbeitet, wer vorsätzlich Angebote ausschlägt oder wer sich irregulär, illegal in Deutschland aufhält, eigentlich das Land verlassen muss, diese Menschen können nicht von unserem Sozialstaat profitieren.“ Es gehe um zweistellige Milliarden-Beträge.

FDP-Chef Lindner: Keine Koalition unter grünem Kanzler

FDP-Chef Christian Lindner hat eine Beteiligung seiner Partei an einer möglichen Bundesregierung unter Führung der Grünen ausgeschlossen: „Klar ist für mich eins: Noch mehr grün, also mit einem grünen Kanzler und einem grüneren Regierungsprogramm, das würde nicht zu uns passen“, sagte der Finanzminister im Interview mit dem ARD-"Hauptstadtstudio". „Damit habe ich jetzt schon sogar was für den Fall eines möglichen Kanzlerkandidaten Habeck gesagt“, fügte er hinzu. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gilt als wahrscheinlichster Kanzlerkandidat der Grünen, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock öffentlich ihren Verzicht darauf erklärt hatte.

Lindner äußerte sich im Social-Media-Format „Frag selbst“, bei dem Zuschauer online Fragen einreichen können und das vor der Sendung des klassischen ARD-"Sommerinterviews" am Sonntag online gezeigt wurde. Ein Nutzer hatte demnach gefragt, ob Lindner wieder eine Regierung mit Grünen-Beteiligung stützen würde. Das sei offen, sagte er. Die Wahlprogramme seien noch nicht bekannt. Die FDP werde sich zu gegebener Zeit dazu positionieren.

Wiedereinzug der FDP in nächsten Bundestag offen

Die nächste Bundestagswahl ist voraussichtlich am 28. September 2025. Nach aktuellen Umfragen wäre eine Wiederauflage der Ampel-Koalition unwahrscheinlich, für eine Mehrheit von SPD, Grünen und FDP würde es demnach nicht mehr reichen. Die Freien Demokraten selbst bewegen sich nur noch zwischen 4 und 6 Prozent. Zur Frage, mit welchen Argumenten er mit seiner Partei wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommen wolle, sagte Lindner, die FDP sei die einzige Partei, die für individuelle Freiheit stehe, den Menschen etwas zutraue und Respekt vor Leistung und Eigentum habe. Dafür kämpfe man jeden Tag. „Woher kommen die Geräusche der Ampel-Koalition? Weil die FDP sich einer Politik, wie SPD und Grüne sie ohne uns machen würden, entgegenstellt. Das möchten wir gerne fortsetzen. Unser Land muss weiter aus der Mitte nach vorne geführt werden, es darf nicht nach links.“

Lindner kontert Pistorius in Diskussion um Verteidigungsetat

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat im Tauziehen um die Ausgaben für die Bundeswehr seinen Kurs verteidigt. „Wir haben das Zwei-Prozent-Ziel für die Nato erreicht, zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren“, sagte der FDP-Chef im Interview mit dem ARD-"Hauptstadtstudio". Man mache mehr als Frankreich und Italien. In den kommenden Jahren stünden weiterhin mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Sicherheit zur Verfügung. „Jetzt muss ich den Spieß einmal umdrehen: Es ist nicht so, dass alles, was der Verteidigungsminister sagt, automatisch begründet und richtig ist.“ Lindner betonte, es gehe um Steuergeld und die Effizienz der Mittelvergabe.

Verteidigungsausgaben von rund 52 Milliarden Euro

Nach Ansicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sind die für das kommende Jahr vorgesehenen Mittel mit Blick auf die internationale Sicherheitslage und mögliche Bedrohungen für Deutschland zu niedrig. Der vom Bundeskabinett verabschiedete Haushaltsentwurf sieht vor, dass der Verteidigungshaushalt von derzeit rund 52 Milliarden Euro um 1,25 Milliarden Euro wachsen soll. Pistorius hatte deutlich mehr gefordert.

„Wir müssen uns in der Bundesregierung noch einmal grundsätzlich darüber unterhalten, wie wir unsere Sicherheit gewährleisten wollen“, sagte der SPD-Politiker vor ein paar Tagen dem „Tagesspiegel“. „Ich trete weiter dafür ein, dass die Bundeswehr das Geld bekommt, was angesichts der allzu realen Bedrohung durch Russland notwendig ist. Nächste Gelegenheit dafür ist das parlamentarische Verfahren.“ Der Bundestag beginnt nach der Sommerpause mit den Beratungen über den Haushaltsentwurf. Gegen Ende des Jahres ist die Beschlussfassung geplant.