Klimaschutz wird unwichtig - Zwei neue Zahlen zeigen die radikale Solar-Wende der Deutschen
Hunderttausende Deutsche haben sich zuletzt eine Solaranlage aufs Dach gebaut oder planen es. Und das, obwohl sie die Leistungsfähigkeit einer Solaranlage massiv unterschätzen, wie neue Daten zeigen. Und: Das Klima wird den Bundesbürgern beim Kauf immer mehr egal.
Beginnen wir mit einer Quizfrage: Wie viel Strom bringt eine Standard-Solaranlage auf einem Eigenheim, in dem eine Familie mit zwei Kinder lebt? Die Antwort: In einer Standard-Konfiguration mit 36 Modulen auf 70 Quadratmetern könnte eine solche Photovoltaikanlage rund 13.000 Kilowattstunden pro Jahr erzeugen. Das ist so viel, wie die gesamte Familie für Haushalt, E-Auto und Wärmepumpe verbraucht: rund 12.900 Kilowatt, wenn das E-Auto 20.000 Kilometer fährt.
Nur sieben Prozent der Deutschen liegen richtig
In der Praxis, wo es auch mal wolkige Regentage gibt oder nicht jedes Dach in Südlage liegt, dürfte die Zahl zwar niedriger liegen. Dennoch zeigt das Beispiel, wie groß die Ersparnis sein kann beim Kauf einer Solaranlage. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat obige Quizfrage so ähnlich auch mal in einer Umfrage mit 2000 Menschen beantworten lassen. Das Ergebnis: Die Deutschen unterschätzen systematisch, wie viel eine Solaranlage wirklich bringt.
Der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge schätzen lediglich sieben Prozent der Menschen in Deutschland richtig ein, dass eine vierköpfige Familie im Hinblick auf die Stromkosten autark leben könnte. 31 Prozent glauben, dass damit lediglich ein Zwei-Personenhaushalt versorgt werden kann, 17 Prozent denken, dass die Solarmodule für drei Personen reichen, 11 Prozent für vier, und 35 haben überhaupt keine Ahnung oder Vorstellung.
Ein neuer guter Grund
Und dennoch sind nach Daten des Marktstammdatenregisters im Jahr 2023 mehr als eine Million neue Solaranlagen verkauft worden, ein Plus von 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2024 werde der Trend nur leicht zurückgehen oder sogar anhalten, glauben Branchenkenner. Und der große Solar-Hype ist keiner großen Sorge um das Klima mehr geschuldet, zeigt eine repräsentative Umfrage des Berliner Solarunternehmens Zolar, die FOCUS online Earth vorliegt.
Demnach entscheiden sich 62 Prozent der Käuferinnen und Käufer für eine Solaranlage, „weil sie Geld sparen wollen“. Umwelt- oder Klimaschutzideale stehen bei lediglich 43 Prozent der Interessenten im Vordergrund. „Klimaschutz ist nach wie vor ein wichtiger Grund für den Kauf einer Solaranlage, aber die Wirtschaftlichkeit spielt eine immer größere Rolle“, sagt Sarah Müller, Geschäftsführerin von Zolar.
„Nach wie vor chronisch unterschätzt“
Das ist das große Solar-Paradox: Die Deutschen wissen wenig über den wahren Nutzen von Solaranlagen - aber sie können mittlerweile realistisch einschätzen, dass sich mit Photovoltaik ordentlich Geld sparen lässt. „Das Schöne an der Solartechnik ist, dass sie nach wie vor chronisch unterschätzt wird“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, zu FOCUS online Earth. „Auch hier in unseren mittleren Breiten kann sie deutlich mehr leisten, als man gemeinhin denkt. Wir haben in fast allen Anwendungsgebieten Luft nach oben.“ Einige Felder seien dabei noch fast gar nicht entschlossen: „So ist beispielsweise erst jedes zehnte Firmendach solar elektrifiziert worden“, so Körnig.
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Der Hauptgeschäftsführer fordert daher, „diese kollektive Fehleinschätzung“ auszuräumen und die Investitionsbereitschaft in Solarenergie deutlich zu erhöhen, sollte die Bundesregierung es ernst meinen, bis 2030 die Solarleistung auf 215 Gigawatt (GW) zu erhöhen. Die gesamte Photovoltaik-Leistung liegt in Deutschland derzeit bei 88 Gigawatt (GW) - es gibt also noch einiges zu tun.