Nach Knall im Asyl-Streit - Was die Ampel an den Grenzen ändern will - und was ein Experte dazu sagt

Nancy Faeser (l, SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Marco Buschmann (M, FDP), Bundesminister der Justiz, und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)<span class="copyright">dpa</span>
Nancy Faeser (l, SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Marco Buschmann (M, FDP), Bundesminister der Justiz, und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)dpa

Schlappe für die Ampel: Der gestrige Migrationsgipfel ist geplatzt, die Union brach die Gespräche ab. Die Regierung will ihr Modell trotzdem durchziehen. Was genau geplant ist und was ein Experte dazu sagt - hier der Überblick.

Vertreter von Ampel-Koalition und Union konnten sich nicht auf weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik einigen. Das ist das Ergebnis des Gipfels am Dienstag. Die Fronten zwischen den politischen Lagern sind verhärtet, die Kritik seitens der Union scharf.

CDU-Chef Friedrich Merz erklärte die Gespräche bereits für gescheitert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur an den geplanten Reformen festhalten – auch ohne Unterstützung der Opposition.

Hier die geplanten Änderungen -  plus Einschätzungen des Migrationsexperten Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München.

1. Die nationale Zuständigkeit für Asylbewerber soll schneller geklärt werden

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll nach den von der Ampelkoalition geplanten Änderungen das sogenannte Dublin-Verfahren beschleunigen. Dieses Verfahren legt fest, welches europäische Land für das Asylverfahren zuständig ist – meist der Staat, in dem die Schutzsuchenden zuerst europäischen Boden betreten haben.

Hierfür soll die Bundespolizei die Asylsuchenden zunächst befragen und die Daten ans BAMF weiterleiten. Nach Zustimmung des zuständigen Staates stellt das BAMF die Unzulässigkeit des Asylantrags fest und ordnet die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat an, wie die „Tagesschau“ berichtet. Demnach will die Bundesregierung auch mit den europäischen Partnern ins Gespräch gehen, um eine reibungslose Kooperation zu sichern.

Das sagt der Experte: „Dass das BAMF nun versucht, das Dublin-Verfahren deutlich schneller umzusetzen, ist erstmal gut. Trotzdem ist damit nicht garantiert, dass die zuständigen Staaten die Asylsuchenden auch zurücknehmen. Das ist ein Problem, dass schon seit Jahren besteht.

Die Bundesregierung versucht mit ihren Maßnahmen jetzt den Druck auf Länder wie Griechenland, das bisher noch keine vernünftige Asyl-Infrastruktur aufgebaut hat, oder Italien, das seit 2 Jahren klar rechtswidrig die Rückübernahmen verweigert, zu erhöhen. Ich habe aber meine Zweifel, ob das funktioniert. Auf europäischer Ebene wurde hier schon viel versucht, bis jetzt ohne Erfolg.“

2. Haftplätze für Asylsuchende in Grenznähe

Während das BAMF das Aufenthaltsrecht der Asylsuchenden klärt, soll die Bundespolizei prüfen, ob freie Haftplätze verfügbar sind und bei Bedarf Haft beim zuständigen Gericht beantragen, um ein Untertauchen der Betroffenen zu verhindern. Diese Haftplätze der Länder müssten in ausreichender Anzahl, möglichst in Grenznähe entlang der Migrationsrouten, vorhanden sein, hieß es vor der Vorstellung der Pläne aus Regierungskreisen.

Es gibt in Deutschland laut „Tagesschau“ 800 Abschiebehaftplätze, nach bisheriger Einschätzung von Bundesinnenministerin Faeser ist das zu wenig. „Alternativ soll eine feste Zuweisung und Wohnsitzauflage vorgesehen werden, wenn Haft nicht in Betracht kommt“, hieß es weiter.

Das sagt der Experte:  "Ich halte es für falsch, die Verfahren direkt an der deutschen Grenze durchzuführen. Natürlich hat das Wort „Grenze“ einen gewissen politischen Symbolcharakter. Praktisch fehlt dort aber eine geeignete Infrastruktur wie Aufnahmestellen und Unterbringungsmöglichkeiten.

Ganz zu schweigen von Gefängnissen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das EU-Recht setzen ohnehin strenge Grenzen für die Inhaftierung von Asylsuchenden. Sie muss verhältnismäßig sein und auf einer individuellen Bewertung basieren – zum Beispiel darauf, dass eine Fluchtgefahr vorliegt. Das trifft jedoch in den meisten Fällen sicherlich nicht zu."

3. Mehr Befugnisse für die Bundespolizei

Eine wirkliche Neuerung ist, dass die Bundespolizei nun eine größere Rolle bei den Zurückweisungen spielen soll. Bislang liegen Rückweisungen in der Verantwortung der Bundesländer, die Bundespolizei unterstützt nur bei der Durchführung. Künftig soll die Bundespolizei am Ende des geplanten beschleunigten Verfahrens die Menschen dann aus Deutschland bringen.

„Außerdem setzt Deutschland weiter auf ein enges kooperatives Zusammenwirken mit den Nachbarstaaten, etwa durch gemeinsame Streifen und gemeinsame Polizeizentren an den Grenzen. Ein unmittelbares Zurückweisen an den Grenzen über die heutige Praxis hinaus würde diese Zusammenarbeit massiv gefährden“, hieß es weiter.

Das sagt der Experte: „Für eine stärkere Einbindung der Bundespolizei sind die Ressourcen, wie ja auch Frau Feaser bereits angesprochen hat, noch nicht gegeben. Es braucht mehr Personal. Hier sehe ich aber ein Problem: Wenn es um den Bereich Migration geht, ist die Rekrutierung nicht immer einfach. Es gibt viele offene Stellen, weil die Jobs in der Migrationsverwaltung nicht sehr beliebt sind. Es bleibt also abzuwarten, ob sich so leicht geeignetes Personal finden lässt, wie die Bundesregierung sich das vorstellt.“

4. Grenzkontrollen werden ausgeweitet

Am Tag vor dem Treffen ordnete Faeser vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen an, um unerlaubte Einreisen stärker zu begrenzen. Die zusätzlichen Kontrollen beginnen am 16. September und sollen zunächst sechs Monate dauern.

Das Ministerium nannte als Gründe neben der Eindämmung der irregulären Migration auch den Schutz der inneren Sicherheit vor islamistischem Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität.

Das sagt der Experte: „Diese Kontrollen sind im Grunde nicht mit dem Europarecht vereinbar. Die aktuelle Situation rechtfertigt meiner Meinung nach solche Maßnahmen nicht. Die politische Diskussion über die Sicherheit in Deutschland nach dem Solingen-Attentat fokussiert sich jetzt auf die Grenzen – und natürlich wäre es für Deutschland gut gewesen, wenn der Täter von Solingen in Bulgarien geblieben wäre.

Für die gesamte Sicherheit des europäischen Raums vor islamistischem Terror wäre das aber auch keine hilfreiche Maßnahme gewesen. Hier braucht man eine starke Kooperation mit den anderen europäischen Ländern.“