Kolumne von Ahmad Mansour - Aschaffenburg konnte geschehen – auch wegen eines gigantischen Tabus

Ahmad Mansour: "Die Tragödie von Aschaffenburg ist ein Weckruf. Die ideologischen Floskeln sind aufgebraucht. Die Realität ist zu deutlich sichtbar geworden".<span class="copyright">imago</span>
Ahmad Mansour: "Die Tragödie von Aschaffenburg ist ein Weckruf. Die ideologischen Floskeln sind aufgebraucht. Die Realität ist zu deutlich sichtbar geworden".imago

Die schreckliche Tat von Aschaffenburg ist Symbol für eine gescheiterte Migrationspolitik und Sinnbild politischen Versagens. Dass solche Taten geschehen, hat auch mit einem gigantischen Tabu zu tun. Doch jetzt sind die ideologischen Floskeln aufgebraucht - und die Realität wird zu deutlich sichtbar.

Schon wieder ist es passiert. Schon wieder sind Kinder die Opfer. Schon wieder ein Täter, der als Schutzsuchender zu uns kam, vor dem Menschen geschützt werden müssten.

Der afghanische Mann, der in Aschaffenburg eine Kita-Gruppe mit einem Messer attackiert hat , floh aus seiner Heimat, einer islamistischen Diktatur, in die Sicherheit der Demokratie. Jetzt ist ein zweijähriges Kind tot, ebenso ein erwachsener Mann, der den Täter aufhalten wollte.

Die Geschichte klingt erschreckend vertraut: verschleppte Verfahren, versäumte Fristen, polizeibekannte Gewalttaten , psychische Probleme, psychiatrische Behandlung, behördliches Durcheinander und gescheiterte Integration. Und dann: eine Bluttat.

Überfordert, teuer, ineffizient: Aschaffenburg ist Symptom unseres Asylsystems

Im November 2022 kam der Mann nach Deutschland. In seinem Fall wurde ein sogenanntes Dublin-Verfahren eingeleitet, das nicht abgeschlossen wurde. Es folgte ein Asylverfahren, der Mann lebte in einer Sammelunterkunft. Der Asylstatus wurde vom BAMF beendet, da der Mann am 4. Dezember 2024 in einem Brief an die Ausländerbehörde schrieb, er wolle ausreisen und zurück in seine Heimat.

WERBUNG

Was danach geschah, muss noch aufgeklärt werden. Meine Prognose: Wieder werden sich die beteiligten Stellen gegenseitig die Schuld geben – Alarmsignale nicht gesehen, den Mann nicht richtig behandelt, den Rückkehrwunsch nicht sofort umgesetzt und vieles mehr.

Die Tragödie von Aschaffenburg ist kein Einzelfall. Sie ist das Symptom eines dysfunktionalen Integrations- und Migrationssystems: überfordert, teuer, ineffizient, zu komplex und ohne klare Strukturen.

Mit ideologischem Eifer werden Migranten nicht realistisch betrachtet

Wieder ist eine Tat ein Symbol für eine gescheiterte Migrationspolitik und ein Sinnbild politischen Versagens. Dass solche Taten geschehen und wie die Politik darauf reagiert, hat auch mit einem gigantischen Tabu zu tun.

Mit ideologischem Eifer werden Asylbewerber und viele andere Migranten nicht realistisch betrachtet. Schon diese zentrale Tatsache wird geleugnet: Viele kommen aus gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen. Gewalt ist ein politisches Mittel in den Staaten, aus denen sie fliehen. Gewalt ist ein Erziehungsmittel in den Familien, in denen sie aufwachsen. Gewalt ist ein Mittel, mit dem Männer Frauen beherrschen. Das ist die Realität.

WERBUNG

Hierarchien, patriarchale Strukturen, antidemokratische Ressentiments und Antisemitismus sind die Norm, nicht die Ausnahme. Auch das ist die Realität.

Aus massiv bedrückenden traumatischen Erfahrungen, autoritären Erziehungsmethoden, gebrochenen Biografien, Drogenmissbrauch und der Differenz zwischen den unrealistischen Erwartungen an Deutschland und der harten Realität nach der Ankunft entsteht Wut, die sich oft in Gewalt entlädt. Es entsteht ein Gefühl der Entwertung. Nicht selten entwickeln sich daraus schwere psychische Erkrankungen .

Schaffen wir das? Oder überfordern wir unser gesamtes System?

All das ist keine Rechtfertigung für Gewalt, keine Entschuldigung und keine Ausrede für Kriminalität. Es ist einfach die Realität, die man täglich hundertfach antrifft – und die uns schon vor Jahren dazu hätte bewegen müssen, uns zu fragen: Schaffen wir das? Oder überfordern wir unser gesamtes System?

Gutes, richtiges Management schwerer Fälle ist in der Praxis enorm aufwändig. Es bräuchte hunderte speziell geschulte Therapeuten, hunderte Dolmetscher für viele Sprachen, vernetzte und gut ausgebildete Behörden mit Kenntnissen über Traumata und Retraumatisierung, enorm viel Geduld, Zeit und Resilienz. Es bräuchte viel mehr, als der Staat derzeit leisten kann.

WERBUNG

Und während manche immer noch rufen „ Wir haben Platz!“ muss man ihnen entgegenschreien: „ Nein! Wir haben weder Platz noch Ressourcen!“ Auch das ist die Realität.

Die Politik trägt Brillen mit Milchglasscheiben

Wer darauf hinweist, wird oft schnell als rechtsextrem abgetan. In der Öffentlichkeit haben sich Tabus etabliert: Bloß nicht über die Herkunft reden. Die Realität wird ausgeblendet, die Politik trägt Brillen mit Milchglasscheiben. Das hilft niemandem – weder den Migranten noch ihren potenziellen Opfern.

Warum die Realität aussperren? Wegblenden? Vernebeln?

Der Staat hat die Verantwortung, sicherzustellen, dass Kinder sicher zur Schule oder in die Kita gelangen und ebenso sicher wieder nach Hause kommen.

Jede neue Messerattacke greift dieses Sicherheitsgefühl an. Mädchen abends mit Bus oder Bahn nach Hause zu schicken, ist in einigen Gegenden fahrlässig. Manche Parks sind zu No-Go-Areas geworden. Die Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen und Pfefferspray wächst.

WERBUNG

Gleichzeitig sprechen die Kriminalitätsstatistiken eine deutliche Sprache. Messerangriffe, sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen nehmen massiv zu. Und bei diesen Delikten sind Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit überproportional vertreten. Auch das ist die Realität.

Es wirkt hilflos, wenn der Kanzler sagt, er sei „es leid“

Gerade hören wir wieder Sonntagsreden . Doch das bringt niemanden weiter. Ich erwarte, dass die Politik klar spricht und klar handelt. Es wirkt hilflos, wenn der Kanzler sagt, er sei „es leid“, solche Gewalttaten zu sehen. Er ist Kanzler. Er muss jetzt handeln, Antworten liefern und alles Erdenkliche tun, um die Menschen in Deutschland zu schützen.

Das zu tun und alles zu hinterfragen, ist weder populistisch noch nationalistisch – es ist seine Aufgabe.

Was sich jetzt ändern muss

Es braucht eine grundlegende Reform der Migrationspolitik. Ausgangspunkt muss die ehrliche Frage sein: Wie viele Menschen lassen sich realistisch integrieren und begleiten – auch im Falle psychischer Labilität? So viele wie jetzt gewiss nicht.

Illegale Migration muss nicht nur begrenzt, sondern gestoppt werden. Es ist untragbar, dass Schleuser entscheiden, wer nach Europa kommt, während die Schwächsten und Ärmsten zurückbleiben.

Wird ein Asylantrag abgelehnt, muss die Abschiebung konsequent erfolgen. Andernfalls ist das Asylrecht nichts als Papier. Straftäter verwirken ihr Recht auf Schutz. Das muss glasklar sein und weltweit kommuniziert werden.

Die Tragödie von Aschaffenburg ist ein Weckruf. Die ideologischen Floskeln sind aufgebraucht. Die Realität ist zu deutlich sichtbar geworden.

Wenn wir diese Krise nicht bewältigen, verlieren wir nicht nur das Vertrauen in den Staat, sondern auch die Zukunft unserer Gesellschaft.