Kolumne zum ARD-Talk - Miosga-Runde zeigt: Wir brauchen mehr Politiker mit Mut zur Wahrheit
Reiner Haseloff und Saskia Esken diskutieren bei Caren Miosga über die Bundestagswahl am 23. Februar. Haseloff fordern ein Umdenken der Politiker. Esken will Reiche stärker besteuern - aber wer sagt dem Bürger, dass das Leben härter wird?
„Es ist die letzte Chance der demokratischen Mitte“, sagt Reiner Haseloff. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt trägt einen gedeckten Anzug, der die Ernsthaftigkeit seiner Worte auf kuriose Weise unterstreicht.
„Sollte die nächste Regierung wieder dysfunktional arbeiten, dann geht es schnell noch weiter nach rechts.“ Der CDU-Politiker verweist darauf, dass Deutschland immerhin Parteien habe, die das Land tatsächlich regieren wollen.
Das sei eine Chance. Es müsse doch möglich sein, mit den Kräften jenseits der AfD ein Land anständig zu führen und zu regieren. In jedem Fall stehe die Brandmauer der CDU/CSU gegen die AfD auf festem Boden.
Keine Koalition mit der AfD
Reiner Haseloff machte einen kämpferischen Eindruck. Am Tisch von Caren Miosgawill er vor allem zwei Dinge klarstellen. Erstens: Es wird keine Koalition mit der AfD geben. „Ich schließe das aus. Der Gründungsmythos der CDU besteht ja gerade aus dieser Brandmauer. Wir müssen uns klar positionieren, sonst müssen wir in der CDU/CSU aufhören“, sagt der Ministerpräsident.
„Wir werden doch in der Lage sein, aus den anderen 80 Prozent etwas hinzubekommen, das das ausschließt.“ Zweitens: Es wird keine Koalition mit den Grünen geben, wenn die Grünen ihr eigenes Wahlprogramm durchziehen und nicht verstärkt auf Unionskurs einschwenken. Haseloff meint: „Die Themen der Grünen werden von der Bevölkerung aktuell nicht akzeptiert.“
„Da hängt doch die Latte sehr hoch“
Nach den Umfragen scheint eine Große Koalition, zumindest aber eine Koalition mit CDU und SPD und einem dritten Partner am wahrscheinlichsten. Auch deshalb weist SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken ihren CDU-Kollegen Haseloff darauf hin, dass alle Parteien koalitionsfähig sein müssen und dass die CDU-Ankündigung, viele Ampel-Gesetze im Falle der Regierungsverantwortung rückgängig zu machen, sehr kontraproduktiv sei.
Esken erklärt: „Da hängt die Latte sehr hoch, wenn man zu 100 Prozent das eigene Programm durchsetzen will.“ Das sei doch wohl Sache der Koalitionsverhandlungen. Auch wolle die SPD die Teilzeitquote von Frauen senken und mehr Zuwanderung, um etwa die Rente zu sichern.
Dabei bleibt anzumerken, dass die Wirtschaft zunächst mal nur eines will: verlässliche Rahmenbedingungen mit niedrigen Energiepreisen. Denn ein Unternehmen, das investieren will, muss auf mindestens 20 Jahre kalkulieren. Die Unzuverlässigkeit einer Ampel ist Gift für das unternehmerische Planen.
„Die Mehrheit der Menschen will das nicht“
Unterdessen spricht Reiner Haseloff immer wieder von einem CDU-Pur-Programm, „damit die Wähler wissen, was wir wollen“. Darüber hinaus wolle er keine Koalition - etwa mit den Grünen - diskutieren, „die keiner haben will“, weil die „Klüfte sehr groß sind“. Aber auch zwischen CDU/CSU und SPD sind die Differenzen weithin sichtbar.
Beispielsweise möchte die SPD 95 Prozent der Bürger bei den Steuern entlasten und die fünf Prozent der Vermögenden höher besteuern. Dazu die Vermögens- und Erbschaftssteuern anheben. Die Union will indes Reiche nicht stärker zur Kasse bitten. Schon jetzt fühlen sich die möglichen Koalitionsgespräche zwischen SPD, Union und möglicherweise auch den Grünen holperig an. Aber das eigentliche Problem ist ein ganz anderes.
Reiner Haseloff hatte zwar davon gesprochen, dass eine „radikale Wende“ vonnöten sei und man dem Bürger endlich das liefern müsse, was er wolle. „Wir haben etwas zugelassen, das die Mehrheit der Menschen nicht will. Wir müssen begreifen, dass wir eine andere Politik brauchen“, so der CDU-Politiker. Andererseits leben wir in harten Zeiten und diese fordern ihren Tribut von jedem einzelnen Bürger.
Düstere Zukunftsprognosen
Die Bedrohungen in der Welt nehmen durch Kriege und Umweltkatastrophen zu und eine Vorbereitung darauf kostet eine Menge Geld. Hinzu kommen höhere Ausgaben bei Rente und Gesundheit.
Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Auch im Wahlkampf haben die Parteien die Pflicht, die Menschen ernsthaft auf die Zukunft vorzubereiten. Die Bürger wissen längst, dass sie den Gürtel enger schnallen müssen. Das Leben wird teurer. Auch die Umwelt fordert Einschränkungen. Politiker, die so tun, als würde mit ihnen alles immer nur besser, machen sich unglaubwürdig. Wir brauchen mehr Politiker mit Mut zur Wahrheit.