Kolumne zu den Fernsehinterviews - "Mario Höcke": Im TV-Fernduell mit Söder muss Merz über eigenen Versprecher lachen

(Bild: dpa)
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Es ist der Tag, der von einem blutigen Attentat auf US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump überschattet wird. Da liefern sich auch in Deutschland zwei mögliche Kanzler-Kandidaten ein öffentlich-rechtliches Fernduell. Der CSU-Vorsitzende aus Bayern empfiehlt Joe Biden den Rückzug – nur er selbst zieht natürlich nicht zurück.

Böse Menschen sagen ja: Was wäre dieser Markus Söder für ein Politiker – wenn er auch noch einen Charakter hätte. Was der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende in jedem Fall hat? Es ist dieses bemerkenswerte Talent, das Fernsehen für sich zu nutzen. Das beginnt schon bei der blau-weißen Inszenierung. Mit Inning am Ammersee als Kulisse hat sich Söder ein Stück Bilderbuchbayern als Hintergrund ausgesucht: Maßkrug-Geproste, der Raddampfer fährt über die spiegelglatte Wasseroberfläche – und das an einem Tag, an dem sich in den USA im Präsidentschaftswahlkampf die Wellen überschlagen.

Im "ZDF-Sommerinterview" prallen schon vor dem Handschlag zwei Welten aufeinander. "Hallo, Herr Söder", sagt Shakuntala Banerjee beim letzten ihrer Sommerinterviews. "Grüß Gott in Bayern!", gibt der CSU-Vorsitzende sehr süddeutsch zur Antwort. Dabei hat er gerade erst bei "Inas Nacht" in Hamburg vor laufenden Kameras bewiesen, dass er auch in Norddeutschland den Menschenfänger geben kann – Medientalent halt.

Die erste Frage gilt dem Thema des Tages, nicht am anderen Ufer des Ammersees, sondern jenseits des großen Teichs. "Ich war schockiert", sagt Söder über das Attentat auf Donald Trump. Und dann hat das Medientalent Söder auch gleich einen Tipp parat: "Nach dieser Situation sollten die Demokraten überlegen, ob nicht doch ein Wechsel stattfinden soll." Hier ein starker Donald Trump, der noch mit Blut im Gesicht die Faust reckt, dort ein amtierender Präsident, der sich – so Söder – "schwertut, Namen richtig zu sagen". Söder wagt sich deutlich aus der Deckung: "Mein Rat wäre, einen Wechsel vorzunehmen."

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Und wie sieht’s mit einem Kandidaten-Wechsel für den Bundestagswahlkampf in Deutschland aus? Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz geht davon aus, dass er Kanzlerkandidat sein wird. Sein CDU-Rivale Hendrik Wüst sieht die Frage nach der Kandidatur noch offen.

Und der CSU-Vorsitzende? „Ich hab‘ jetzt 17 Jahre Regierungserfahrung", rechnet er vor. Auch wenn er es nicht sagt, ist der Seitenhieb klar: Friedrich Merz hat null Jahre Regierungserfahrung. "Meine dringende Empfehlung ist für die Union: klare Konzepte in der Migrationspolitik, klare Konzepte in der Wirtschaftspolitik – dann werden wir am Ende Deutschland gut in die Zukunft führen können", legt der bayerische Ministerpräsident nach und gibt klar den Bundespolitiker.

Noch eine zweite Trennlinie zu Merz und Wüst zieht Söder sehr deutlich. Gerade hat ihm das ZDF Bilder seiner populären oder populistischen Selbstinszenierungen vorgespielt – bis zu seinem Auftritt als Schlagersänger bei "Inas Nacht". "Das ist eine Quatsch-Analyse gewesen", schimpft Söder, "ich mache das, um etwas zu tun, was sehr vielen Politikern häufig abgeht." Da spricht der bayerische Ministerpräsident von der "Berliner Blase". "Die hat nichts mehr mit der Realität der Menschen zu tun", befindet er und bekräftigt: "Dieses abgehobene Berlin – da will ich tatsächlich ein Gegenstück leisten."

Politisch zurrt er eine stramme Linie klar: Erneuter Verzicht auf Grenzkontrollen? "Ein schwerer Schaden, ein Bruch des Versprechens, den Schutz Deutschlands wieder voranzubringen!" Ausweisungen? "Die müssen auch stattfinden." Asylrecht? "Muss auf das normale Verfahren reduziert werden – wer abgelehnt wird, muss in sein Land zurück." Die AfD? Den Parteinamen spricht er lieber gar nicht aus. Söder sagt: "Wir überlassen die Sorge der Menschen anderen Kräften. Ich halte das für einen fundamentalen demokratischen Fehler."

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Eineinhalb Stunden zuvor im "Berlin direkt"-Interview stellt sich Friedrich Merz dem Fernduell. Die Inszenierung ist grundverschieden. Der CDU-Vorsitzende beginnt das Interview im Stehen, statt Idylle hat er eine graue Betonwand hinter sich – Großstadtszene gegen Bilderbuch. Auch hier beginnt Interviewer Markus Preiß mit dem Blick in die USA. Im Ergebnis sind sich Söder und Merz einig. "Dieser Wahlkampf wird mehr als jeder andere mit Bildern entschieden", sagt auch Merz, "auf der einen Seite der gebrechliche Präsident, auf der anderen Seite Donald Trump nach dem Attentat mit erhobener Faust, die amerikanische Flagge über ihm – das sind Heldengeschichten. Und ich vermute, das wird Einfluss auf das Wahlergebnis haben."

Zum Rückzug von der Kandidatur will Merz allerdings nicht auffordern. Und er fügt hinzu: "Schon gar nicht an den amtierenden amerikanischen Präsidenten." Das ist schon einmal ein deutlicher Unterschied zu Markus Söder. Der andere: Schon in Minute drei fällt das Wort AfD.

"In der Sache hart streiten, ist Voraussetzung für die Demokratie", sagt Merz, "aber immer auch mit Respekt vor dem politischen Gegner." In Deutschland sieht er diese Kultur in Gefahr. "Insbesondere seit sich die politischen Ränder radikalisiert haben, vor allem auf der ganz rechtsextremen Seite – die Auseinandersetzungen im Bundestag mit der AfD werden immer verletzender, immer persönlicher. Das ist nicht gut für unsere Demokratie."

Seine Gegenmaßnahme? Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, in Brandenburg und Sachsen soll die CDU "die stärkste politische Kraft werden – die Chance haben wir". Leider verstolpert er sich gleich danach bei einer sehr grundsätzlichen Ansage: "Die Entscheidung in Thüringen wird getroffen zwischen Björn Höcke und Mario Vogt. Und diese Auseinandersetzung führt Mario Höcke." Der Versprecher bringt Friedrich Merz selbst kurz zum Lachen.

Im letzten Drittel des Interviews stellt Markus Preiß die Frage nach der Kanzler-Kandidatur. "Das haben wir klar verabredet", versichert Merz, "Markus Söder und ich werden im Spätsommer einen Vorschlag machen. Gehen Sie mal davon aus, dass wir eine einvernehmliche Lösung vorschlagen." Der ARD-Mann hakt nach und lässt den Bundeskanzler in einer Szene vom Mai einspielen: "Merz wäre mir ganz recht."

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Der mögliche Herausforderer versucht im Sommerinterview den Konter: "Ich freue mich auf Olaf Scholz, ich gebe das Kompliment gerne zurück." Und er legt bei der Frage nach einem Kandidaten Boris Pistorius nach: "Die SPD wird die Kraft nicht haben und das Risiko nicht eingehen, einen Kandidatenwechsel zu vollziehen."

Preiß lässt nicht locker. Er will wissen, ob Markus Söder ein guter Kandidat wäre. Und Merz weicht aus: "Er ist ein hervorragender Ministerpräsident in Bayern – und wir werden diese Frage gemeinsam entscheiden." Wer also führt nach diesem Fernseh-Fernduell der beiden möglichen Kanzler-Kandidaten der Union? Es ist kein Friedrich Söder. "Wir sind als CDU und CSU der Fels in der Brandung", sagt Merz. Wer die beiden Sommerinterviews an diesem Sonntag gesehen hat, kommt zu einem klaren Ergebnis: Da gibt es zumindest schon einmal zwei Felsen. Und die haben die Gelegenheit genutzt, ihre Unterschiede zu zeigen.