Kolumne von Franca Bauernfeind - Gewalt und Elend in Asyl-Heimen: Diese Flüchtlings-Politik macht es der AfD leicht
Seit Monaten steht Thüringen im Fokus der Medien – das flacht auch jetzt nach der Landtagswahl nicht ab. Was bei all dem Wahlkampf-Rummel aber vollkommen untergegangen ist, sind die gravierenden Probleme im Freistaat. Verdeckt von politischen Fragen nehmen Gewalt und Elend in den Thüringer Flüchtlingsunterkünften zu.
Seit einigen Tagen wird an der Bundesgrenze flächendeckend kontrolliert. Ändert das etwas an der Lage in Thüringen?
Ein paar Beispiele der letzten Zeit: Im thüringischen Eckolstädt leben mehr Flüchtlinge als Einheimische. Das Dorf im Weimarer Land ist in zwei getrennten Welten geteilt. Links der Landstraße leben die 400 Einwohner des Ortskerns.
Es ist eine Welt aus Fachwerkhäusern, einer verrammelten Gaststätte und gepflegten Vorgärten. Rechts des Weges stehen auf einer Anhöhe zwei Plattenbauten.
In den ehemaligen Offizierswohnungen der Nationalen Volksarmee leben rund 600 Menschen – Flüchtlinge aus der Ukraine, Asylbewerber aus Syrien, Eritrea und Afghanistan, Menschen aus der Romnja-Community und etwa ein Dutzend einheimische Sozialhilfeempfänger. Der Eigentümer des Wohnblocks wollte vermieten, und die Mietpreise entsprechen den Vorgaben des Jobcenters.
Kommunikation zwischen Dorfkern und Platte? Fehlanzeige. Man meidet sich gegenseitig, will nichts miteinander zu tun haben.
Supermärkte oder Bäcker gibt es in Eckolstädt nicht, die Busse fahren selten. Die Infrastruktur fehlt. Ein Zustand, den niemand im Dorf – ob auf der linken oder der rechten Seite der Straße – gut findet. „Zum Glück ist hier noch nichts vorgefallen“ werden Anwohner in Regionalzeitungen zitiert.
Brandstiftung, Gewalt, Diebstahl: In Suhl völlig normal
Anders in Suhl. Die Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaates Thüringen auf dem Suhler Friedberg war noch nie ein Ort der Behaglichkeit. Seit ihrer Eröffnung 2015 befindet sich die Unterkunft in einem dauerhaft eskalativen Zustand: Unruhen, Gewalt, Diebstahl, Polizei- und Feuerwehreinsätze stehen auf der Tagesordnung.
Rund 1600 Flüchtlinge lebten 2023 dort, doppelt so viele wie eigentlich erlaubt. Ein Jahr später leben nur noch rund 800 Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung – was aber nicht bedeutet, dass die Negativ-Schlagzeilen abebben würden. Im Gegenteil. Suhl versinkt im Asyl-Chaos.
Die Zustände sind katastrophal: Kakerlaken und Schimmel hatten sich in den Gebäuden ausgebreitet. Die hygienischen Mängel sind ein Dauerproblem. Vor allem die Zahl der Körperverletzungen in der Einrichtung und die der Ladendiebstähle in der Innenstadt erreichten im Vergleich zu den Vorjahren einen Höchststand.
412 Ladendiebstähle durch Zuwanderer registrierte die Polizei 2023. Ein Hausbrand folgt dem nächsten. Zeitweise waren ganze Etagen der Unterkunft nicht bewohnbar. Einen technischen Defekt als Brandursache schloss die Kriminalpolizei bei einem Großbrand im April aus.
Das alles schafft natürlich Unsicherheit und Ängste, vor allem aber Überforderung. Mitarbeiter der städtischen Nahverkehrsgesellschaft, von Feuerwehr, Polizei und Stadtverwaltung stünden „kurz vor dem Kollaps“, heißt es in einem Brandbrief an die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen.
In diesem rechneten 2023 Kommunalpolitiker unterschiedlichster Lager – CDU, SPD, Freie Wähler/Grüne, Linke und AfD – schonungslos mit einem System ab, das nicht funktioniert, das eine Stadt immer weiter erschüttert und zur Verzweiflung treibt.
Immer wieder sandten Suhler Politiker Hilferufe in die Landeshauptstadt Erfurt und nach Berlin, doch wirkliche Hilfe bekamen sie nicht. Der kürzliche Kommentar der Außenministerin Annalena Baerbock, es wären noch Plätze frei in Deutschland, wirkt vor diesem Hintergrund einmal mehr wie blanker Hohn.
Desaströse Zustände bestehen schon seit 2015
Vor ein paar Monaten dann reagierte der (heute geschäftsführende) Thüringer Innenminister Georg Maier von der SPD endlich auf die anhaltende Kritik. Er kündigte an, die Unterkunft bis 2026 schließen zu lassen. Der Mietvertrag werde nicht verlängert.
Die Landesregierung plane stattdessen, eine neue zentrale Erstaufnahme zu eröffnen. Der Standort ist noch nicht bekannt.
Schnelle Hilfe? Fehlanzeige. Und das wohlgemerkt nicht als Reaktion auf eine kurze Phase der Erschütterung. Diese desaströsen Zustände in Suhl bestehen quasi seit 2015 – ob es sich um Streitereien, Brandstiftungen oder Hygienemängel handelt.
Die Menschen in den Kommunen – Einwohner wie Flüchtlinge – werden sich selbst überlassen. Das schafft sozialen Unfrieden. Wenn es wie in Eckolstädt nicht einmal Einkaufsmöglichkeiten und „Begegnungszonen“ gibt, Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammengepfercht leben, dann sind diese massiven Probleme vorprogrammiert.
Auch die Kommunalpolitik, die sicherlich allen eine ausgewogene Lösung beibringen will und die Sorgen der Einwohner ebenfalls ernst nimmt, kann dagegen nicht viel tun – dafür ist Suhl ein traurig treffendes Beispiel.
Warum Flüchtlingsarbeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist
Ohne Infrastruktur und ein ordentliches Migrationsmanagement geht es aber nicht – das muss jetzt einfach mal in den Köpfen der Politiker in Bund und Ländern angekommen sein!
Landrat Christian Herrgott ist im Thüringer Saale-Orla-Kreis mit gutem Beispiel vorangegangen, hat es gegen sehr viel Widerstand aus der gesamten Republik und „rechtlichen Bedenken“ durchgesetzt, dass sich auch Flüchtlinge gemeinnützig einbringen müssen und vor allem können – ein Beitrag für Akzeptanz und Integration.
Ohne größere Strukturen, Infrastruktur und Arbeitsmarktintegration bleiben diese Bemühungen jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn hier sind der Kommunalpolitik die Hände gebunden.
Ändert sich daran von den höheren Ebenen her nichts, brauchen wir uns über Hass, Gewalt und gegenseitiges Desinteresse wie in Eckolstädt nicht zu wundern. Wir brauchen uns auch dann nicht wundern, wenn zwei von drei Abschiebungen in Thüringen scheitern.
Zur Wahrheit gehört nun einmal, dass viele Asylanträge keine Aussicht auf Erfolg haben. Beispielsweise werden syrische Antragsteller – als größte Gruppe – mehrheitlich nicht als Flüchtlinge anerkannt, sondern erhalten zum Großteil subsidiären Schutz.
Dies umfasst eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr und setzt für eine unbefristete Niederlassungserlaubnis ausreichend Deutschkenntnisse und einen gesicherten Lebensunterhalt voraus.
Seit Kurzem gibt es jedoch erste Urteile, die dem nicht verfolgten Syrer auch diesen Schutzstatus versagen, da sich die Sicherheitslage in Syrien in den vergangenen Jahren verändert habe.
Abschiebungen in Thüringen: Mehr Versagen als Erfolg
Es ist also klar, dass ein übergangsweiser Schutz in Deutschland von vorneherein auf ein Ende ausgelegt ist und Personen unser Land auch wieder verlassen müssen. Wenn nicht freiwillig, dann unter Zwang in Form einer Abschiebung.
Nun skizziert ein Artikel in der Regionalzeitung „Thüringer Allgemeine“ vor wenigen Tagen, dass das nicht passiert. Es wundert mich nicht, lässt es mich jedoch am Rechtsstaat zweifeln.
Und das nicht ohne Grund: Denn den bis Ende August 2024 durchgeführten 300 Abschiebungen in Thüringen stehen mehr als doppelt so viele Stornierungen gegenüber. Die meisten der 645 gescheiterten Rückführungen mussten abgesagt werden, weil die Ausreisepflichtigen am Tag der Abschiebung nicht angetroffen wurden.
In anderen Fällen weigerten sich die Piloten wegen renitenten Verhaltens der Ausreisepflichtigen, diese im Flugzeug mitzunehmen. Ebenso mussten die Abschiebungen aus Krankheitsgründen oder kurz vor knapp eingelegten Rechtsmitteln auf Eis gelegt werden.
In dieser kürzlich erschienenen Statistik ist der Fall des in Apolda lebenden marokkanischen Intensivtäters noch nicht eingeflossen. Nur eine Woche nach seiner Abschiebung am 5. September kündigt Tarik J. seine Rückkehr nach Deutschland an und droht mit einem Anschlag auf eine Polizeistation.
In drei Monaten beging er 25 Straftaten. Er lebte in der Kleinstadt Apolda im Weimarer Land, wo er seit zehn Jahren polizeibekannt ist. Nur einen Tag zuvor, am 4. September, deckte die Polizei bei einer bundesweiten Razzia gegen Schleuserkriminalität mit Schwerpunkt in Jena eine Schleuserbande auf.
Sie soll mindestens 140 Personen illegal nach Deutschland gebracht haben. Fünf Haftbefehle wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft vollstreckt. Wird Tarik J. durch eine solche Schleuserbande vielleicht ebenfalls wieder nach Deutschland kommen?
Die Politik muss Vertrauen durch echte Maßnahmen zurückgewinnen
Oberste Priorität muss nun haben, das Vertrauen der Bevölkerung nach Jahren des Migrationschaos wiederherzustellen. Und zwar nicht nur in TV-Shows, wo Nancy Faeser irgendetwas ankündigt, wovon sie im Gesetzgebungsprozess später dann nichts mehr wissen will.
Klar ist: Abschiebungen sind nur ein Baustein von mehreren, der das Problem allein nicht löst. Schon gar nicht, wenn wie in Thüringen zwei von drei dabei scheitern. Es wird in Deutschland zwar wieder an allen Grenzübergängen kontrolliert, aber es finden noch immer keine umfassenden Zurückweisungen statt.
Es ist daher wieder nicht davon auszugehen, dass diese Maßnahmen zur Beruhigung der Menschen bzw. als Mittel zur Beruhigung der Lage dauerhaft imstande sind . Auf die Frage, wie diese Situation in Thüringen mit den Wahlergebnissen der Landtagswahl zusammenhängen könnte, möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Aber natürlich sind derartige Zustände, wie in wenigen Ausschnitten und Einblicken gezeigt, Einfallstore für Populisten , die die Ängste und Emotionen von Menschen in ihre Kommunikationsstrategien eingeplant haben.
Diese Einfallstore kann man nur mit Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Sicherheitsapparates und in die Handlungsfähigkeit der Politik schließen. Dies erfordert eine sachliche Auseinandersetzung und muss moralisierendes Argumentieren ablegen. Die Menschen müssen bis in die kleinsten Strukturen den Eindruck gewinnen, dass Behörden und Politik wissen, was sie tun. Das Ohnmachtsgefühl muss ein Ende haben.
Liebe Politiker, bitte geht das an. Ich möchte nicht glauben, dass wir aufgegeben haben!