Kommentar - Ältere Generationen entscheiden jetzt, ob sie als Macher oder Nörgler in die Geschichte eingehen
So viele Menschen schlagen auf die Gen Z ein, man könnte meinen, sie habe mindestens ein Problem unseres Landes verursacht. Hat sie aber nicht. Das waren die Einschlager. Warum lässt die Gen Z sich das gefallen? So kann es nicht weitergehen.
Derzeit tut ein Teil deutscher Senioren Unausstehliches: Wirtschaftswunderkinder, dem Digitalboom erwachsen, von Ostblock-Ende, China-Boom und Russland-Gas zu guten Gehältern getragen, ätzen aus Häusern, die zu ihrer Zeit noch gebaut wurden, gegen Jüngere, die im Leben noch nicht so viel Glück hatten.
„Faul“ und „handysüchtig“ sei die Jugend, ätzt dieser Teil Rentner, als wären sie die erste Generation, die auf die Jugend schimpft, und als merke niemand, dass sie damit vor allem sich selbst schönreden wollen.
Dieser Teil der Senioren droht zu zerstören, was eine sonst große Generation aufgebaut hat. Dabei braucht unser Land diese Menschen gerade jetzt.
Soll alles so bleiben, wie es ist, finden junge Menschen keinen Platz in der Welt
Gleichzeitig tut dieser Teil der Ruheständler sein Möglichstes, Gen Z und Millennials die Altersidylle zu vereiteln: Eigenheim und genug Netto gönnen sie den Jungen nur, wenn sie dafür nicht selbst Geld oder Komfort opfern müssen. Sie wählen höhere Sozialbeiträge statt ein demografiegerechtes Rentensystem. Sie bewohnen Riesenhäuser, wettern aber gegen Neubaugebiete. Zukunftsfähigen Wirtschaftsplänen widersetzen sie sich, als hänge ihr Leben an in Deutschland gebauten Kettensägen.
Diese Nörgler wollen allerorten den Ist-Zustand einfrieren, als wäre Fortschritt eine Krankheit. E-Autos sind doof, die Schule zu weich, Gendern ein Eingriff in die persönliche Redefreiheit.
Alles soll bleiben, wie es ist. Auch wenn sich in 20 Jahren dann wieder alle beschweren, Deutschland habe wichtige Entwicklungen verschlafen. So wie sich derzeit alle beschweren, weil schon in den vergangenen 20 Jahren alles bleiben sollte, wie es nie war.
Eigenlob löst keine Probleme, schafft aber neue
Die große Einfriererei schafft Probleme. Junge Menschen müssen für Ausbildung, Studium und Beruf in Großstädte ziehen. Dort finden sie keine Wohnungen, weil die, die schon in Großstädten wohnen, sich mehr um grüne Wiesen und Sichtschneisen scheren als um sie.
Junge Menschen müssen sparen, weil sie im Alter weniger Rente bekommen als derzeitige Senioren. Das können sie aber kaum, weil sie mit immer steigenden Beiträgen die bis 2040 garantiert gleichwertigen Bezüge heutiger Rentner zahlen.
Während die Jugend diesen Problemen ins Auge sieht, erzählen ihnen einige Ältere, wie verweichlicht sie sei. Als wenn sie sich als junge Menschen nicht mehr Verständnis gewünscht hätten.
Werfen dann noch einige, die mit 63 in Rente gehen, jungen Menschen, die wohl bis 70 schuften, Arbeitsfaulheit vor, steht fest: Hier trifft Vergangenheitsverklärung auf Unlogik.
Ältere Generationen haben großes geleistet – und viele Probleme verursacht
Bevor wir uns falsch verstehen: Junge Menschen verdanken älteren Generationen viel. Sie können alle froh sein, in dem Land zu leben, das die Älteren aufgebaut haben. Wie alle jungen Menschen vor ihnen haben aber auch sie Grund, älteren Generationen den Spiegel vorzuhalten und zu schreien: „Schaut, was ihr angerichtet habt!“
Autobahnen und Bahnstrecken zerkrümeln seit Jahrzehnten. Rente und Bundeswehr schwanken genauso lange. Die Neubauzahlen sinken seit den 1990ern. Weil der Großteil der Alt-Wähler lieber niedrige Steuern zahlt, als diese Probleme anzupacken, fallen sie nun doppelt und dreifach nachfolgenden Generationen zu.
Schade, aber kein Weltuntergang. Keine Generation macht alles richtig.
Ärgerlicher ist, dass ein Teil dieser Generation im Alter lieber auf Junge schimpft, als die Fehler auszumerzen, die er noch ausmerzen könnte. Ihre Selbstgefälligkeit reißt ein, was ihr Einsatz über Jahrzehnte aufgebaut hat.
Die älteren Generationen entscheiden jetzt, ob sie als Macher oder Nörgler in die Geschichte eingehen
Das ist ein Problem, weil ältere Wähler heute einen Großteil der Wählerschaft stellen. In den 1970ern schimpften Senioren genauso über die Jugend. Sie bildeten aber eine Randgruppe. Das Land blickte, gezwungen von größtenteils jungen Wählern, trotzdem nach vorn.
Heute entscheiden Senioren, ob die Bundesrepublik Unhaltbares einfriert oder zukunftsorientiert ersetzt. Noch stimmt ein zu großer Teil für „einfrieren“: Bloß keine Energiewende, Sozialreform oder nachhaltige Industriepolitik. Und damit niemand merkt, dass das nicht lange gut gehen kann, zur Ablenkung die Fehler der anderen auflisten. Das kann so nicht weiter gehen.
Ältere Generationen entscheiden jetzt, ob sie als Macher oder als Nörgler in die Geschichte eingehen, als Anpacker oder Blockierer. Anpacker wären mir lieber. Lieber Zukunft wählen als Vergangenheit.