Kommentar: Alexander Dobrindt und seine Worteindustrie

Alexander Dobrindt kann scheinbar keinem Mikrofon widerstehen (Bild: Reuters)
Alexander Dobrindt kann scheinbar keinem Mikrofon widerstehen (Bild: Reuters)

Der CSU-Landesgruppenchef jagt jede Woche eine neue Sau durchs digitale Dorf. Was bleibt eigentlich davon übrig?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wäre Alexander Dobrindt ein Geflüchteter im Deutsch-Unterricht, sagen wir Niveau C1, müsste er um sein Fortkommen bangen. Die Sprache des CSU-Landeschefs ist, diplomatisch ausgedrückt, grob. Schnell ist er auf hundertachtzig. Zuweilen leidet darunter das Verständnis.

Was also hat Dobrindt diesmal gemeint, als er am Wochenende von einer “aggressiven Anti-Abschiebeindustrie” sprach? Wer Deutschland nicht kennt, stellt sich darunter vor: laut Duden einen Wirtschaftszweig, der die Gesamtheit verschiedener Betriebe ausdrückt. Diese Firmen würden also gewerbsmäßig und obendrein noch aggressiv gegen Abschiebungen vorgehen – wie sähe das aus? Handelt es sich um mit Gesetzbüchern werfende Armeen von Anwälten, welche Richterpulte anzielen und Barrikaden bauen? Werden Polizeidienststellen gestürmt, Flughäfen übernommen?

Ich gebe zu, dieses Wortungetüm aus “Anti-Abschiebung” und “Industrie” überfordert meine Fantasie. Vielleicht ist an Dobrindt ein Dichter verloren gegangen; im Deutschunterricht würde er dafür indes eine 5 bekommen.

Der Prophet von der Zugspitze

Was verleitet einen Politiker zur Inszenierung eines Stücks, welches nirgendwo spielt? Womöglich möchte Dobrindt warnen. Eine Gefahr größer machen, nach dem Motto: Wehret den Anfängen. Ähnlich wurden aus Schiffen, die im Mittelmeer Geflüchtete vor dem Ertrinken retten, “Wassertaxis”. Wenn man aber genau hinschaut, wogegen sich Dobrindt sperrt, kommen Zweifel daran auf, wie er in der Schule den Sachkundeunterricht bewältigte: Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, sagte er, arbeite nicht für das Recht, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.

Das hat mich doch verdutzt.

Bisher war ich davon ausgegangen, dass unsere Gesellschaft, unsere Ordnung, vom offenen Rechtsweg zusammengehalten wird. Was Recht ist, entscheiden Gerichte, die kann jeder anrufen – und für deren Abwägung streiten Anwälte, Gegenanwälte und Staatsanwälte miteinander, stets bemüht, ein möglichst korrektes Ergebnis zu erzielen.

Nun redet Dobrindt plötzlich diesen Rechtsweg madig. Wer nämlich gegen die Abschiebung von Kriminellen klagt, arbeitet erst einmal für das Recht, welches das Ansinnen prüft. Wie sollte dadurch gesellschaftlicher Frieden beeinträchtigt werden? Meint Dobrindt den so genannten Volkszorn, also jene Leute, die davon fabulieren, sie seien das Volk, während sie nur für sich sprechen?

Will er nur Frieden?

Was das Volk ist, entscheiden Wahlen. Vielleicht hat Dobrindt die Kommenden in Bayern im Blick, jedenfalls schickt er an nahezu jedem Wochenbeginn eine neue verbale Sau durchs digitale Dorf. Dobrindt polarisiert, will einen “Kanal” aufbauen zu jenen, die mit dem Gedanken spielen die AfD zu wählen. Dass die CSU im Herbst bei den Landtagswahlen die absolute Mehrheit gewinnt, ist Dobrindts wichtigstes Ziel. Dafür setzt er auf gefühlte Fakten wie eine “Industrie”.

Faktisch wird sich nichts ändern. Aber Dobrindt begleitet die Hoffnung, bei politisch rechts denkenden Menschen die Botschaft verankert zu haben, er habe verstanden. Irgendwie. Irgendwas. Mehr nicht. Die Politik beeinflusst dies nicht, Dobrindt redet ja nur so. Ihm geht es um den gesellschaftlichen Frieden – in der CSU. Und der ist bedroht, sollte die Partei magere Ergebnisse einfahren und manche Pfründe nicht verteilen können.

Inhaltlich dokumentiert Dobrindt durch sein Interviewstakkato die Qualität eines Donald Trump. Im Ton schmerzt er und vergiftet auch das Klima. Und faktisch ändert er an der Sachlage nichts, auch nicht am Ausgang von Wahlen. Denn ob die AfD in Bayern ein starkes oder ein schwaches Ergebnis einfahren wird, entscheiden nicht Dobrindts Interviews, sie beeinflussen dies nicht einmal um ein Jota. Übrigens stehen die Rechtspopulisten unverändert gut da in Bayern – trotz Dobrindt.