Kommentar: Als Außenminister könnte man auch einen Stock hinstellen

Sechs Minister wird die SPD in der neuen GroKo stellen. Sigmar Gabriel gehört nicht dazu. (Bild: Wolfgang Kumm/dpa)
Sechs Minister wird die SPD in der neuen GroKo stellen. Sigmar Gabriel gehört nicht dazu. (Bild: Wolfgang Kumm/dpa)

Sigmar Gabriel muss sein Amt räumen. Das ist nicht schlimm. Der Posten ist überbewertet.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dass Sigmar Gabriel nicht Außenminister bleiben wird, pfiffen die Spatzen von den Dächern: Jedes SPD-Mitglied hätte in diesen Tagen Chancen auf das Amt, nur nicht dessen Inhaber. Zu sehr hat es sich Gabriel mit der Parteispitze verscherzt, durch seine Alleingänge, Volten und zuweilen erratischen Moderationen. Den wollte man dann nicht mehr im Team. Und die Partei entscheidet, es ist ihr gutes Recht.

Überhaupt ist dieser Job mit einem öffentlichen Ansehen ausgestattet, das mit der realen Bedeutung nicht Schritt hält. Ein Außenminister braucht: gute Kondition, keine Flugangst und eine ausgefeilte Rhetorik mit Fokus auf Nullsummensätze. Solch Anforderungsprofil dürfte auf einige Sozialdemokraten zutreffen. Wird sich also eine oder einer finden.

Gab es jemals einen Außenminister, der dem Amt nicht gewachsen war, der schlecht da stand? Nicht umsonst galt der Posten über viele Jahre in der BRD als Erbhof der FDP, also den Champions wahrer Inhaltslosigkeit. Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel zeichnete ein jeweils ernsthaftes Gesicht zu gewisser Rastlosigkeit aus; wir gewöhnten uns an die täglichen Tagesschau-Bilder mit dem einen hier und dem anderen dort, dass man gar nicht mehr hinhörte, wenn sie einem Appell, einer Besorgnis oder, gern benutzt, einem verhaltenen Optimismus nach einer besonders hochkarätigen Diplomatenkonferenz Ausdruck verliehen.

Mehr Schein als Sein? Gabriel bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister. (Bild: Kay Nietfeld/dpa)
Mehr Schein als Sein? Gabriel bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister. (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

Die Sorgen der Welt auf den Schultern

Und auch die Sorgenfalten Joschka Fischers und der gedankenschwere Tritt Guido Westerwelles änderten nichts daran, dass wir den Außenminister einfach mögen. Er tut so, als würde er die Welt retten, was wir insgeheim nicht wollen, sonst würden wir in der Politik einiges ändern, aber dass er so tut als ob – das ist uns schon wichtig, die Galerie muss stimmen.

Außenpolitik in der DDR war schon eine härtere Nuss, da gab es echte Herausforderungen. Zuerst musste sich der Außenminister um die internationale Anerkennung der DDR bemühen, dann ging es um die Platzierung zwischen dem “sozialistischen Weltsystem”, dem Westen und den Blockfreien Staaten. Besonders sensibel waren die Beziehungen zur UdSSR als Paten, es gab ja die Erfahrung der Nazi-Vergangenheit mit dem “Russland-Feldzug” Adolf Hitlers, die ein DDR-Außenminister mit seinem Amtskollegen aus der BRD teilte. Aber nun hatte man plötzlich ein Freund zu sein, ein Bruder. Nur hatte der DDR-Außenminister noch weniger zu vermelden, da vieles an Außenpolitik in der SED, also der Staatspartei, geregelt und betrieben wurde; das Außenministerium war nur ein Puzzleteil.

Um Missverständnissen vorzubeugen, bekenne ich, dass der Job des Außenministers gewiss kein Zuckerschlecken ist, er verlangt zähe Disziplin und unwichtig ist er nicht. Nur wird Außenpolitik eines Staates nicht von einem Menschen realisiert, auch nicht geleitet, koordiniert oder moderiert – er repräsentiert lediglich. Von bedeutenden Persönlichkeiten können kreative Initiativen zur Konfliktlinderung ausgehen; doch diese Menschen gibt es kaum. Da fiel Gabriel ebenso wenig negativ auf wie seine Vorgänger.

Daher werde ich den Niedersachsen als Chefdiplomat nicht vermissen. Dass seine chronisch negativen Umfragewerte plötzlich mit diesem Amt nach oben sprangen, war nur der Sehnsucht von uns Deutschen nach Glanz und Gloria im Ausland geschuldet, da könnte man auch einen Stock zum Außenminister machen.

Die Verlockung des Dienstwagens

Gabriel aber wird als Politiker fehlen. Er zeichnet sich aus durch Ehrlichkeit, durch das Bemühen um Augenhöhe und Direktheit; kein Wunder, dass man ihn mit jeder Aufgabe betrauen konnte. Und er ist nicht ganz weg: Gabriel bleibt Bundestagsabgeordneter und kann auch damit würdige Arbeit verrichten. Apropos: Bitte, lieber Herr Gabriel, gehen Sie nicht den Weg Gerhard Schröders. Heuern Sie nicht bei einer Interessenvertretung an, irgendeinem lobbyistischen Kram, der nur an Ihrer Statur, Ihrem Charme und Ihrem Telefonbuch interessiert ist – bleiben Sie bitte der Öffentlichkeit treu und lassen Sie sich nicht kaufen wie viele Politiker vor Ihnen; das Haus in Goslar ist doch sicher schon abgezahlt.

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