Kommentar: „Altparteien“ beschließen Reform der Asylpolitik – und was macht die AfD?
Bund und Länder einigen sich auf Veränderungen in der Asylpolitik. Es geht um schnellere Entscheidungen, weniger Leistung – und mehr Integration. Die fordern alle Parteien, auch die AfD. Doch wenn es konkret wird, zeigt sie ein anderes Gesicht.
Ein Kommentar von Jan Rübel
Über den Umgang mit Asylbewerbern wird heftig gestritten. Manchmal findet die Politik auch Lösungen. In der vergangenen Nacht zum Beispiel kamen Bund und Länder zusammen, verhandelten lange – und präsentierten neue Eckpunkte: Schnellere Entscheidungen, gewisse Leistungen erst zu späterem Zeitpunkt, Prüfung von Verfahren außerhalb Deutschlands. Und ein gesellschaftliches Bündnis soll entstehen, dass weitere Lösungen zur Steuerung von Migration und zur Verbesserung der Integration erarbeiten soll. Klingt alles vernünftig. Das Land will ja auch einen Mehrwert durch Zuwanderung. Die vergangenen Jahre zeigten, dass nach Deutschland Geflohene nach gewisser Zeit aus den Sozialsystemen in den Kreis der Steuerzahler wechseln. Dass dies aber noch schneller und umfassender geschehen könnte und dafür verschiedene Stellschrauben kennt.
Bringschuld in Marzahn
Die AfD schreibt in ihrem Parteiprogramm: „Jeder Einwanderer hat eine unabdingbare Bringschuld, sich zu integrieren; er muss sich seiner neuen Heimat anpassen, nicht umgekehrt.“ Über das „wie“ dieser Integration aber zeigen Vertreter der Partei überraschende Vorstellungen, jüngst geschehen bei einer Anfrage des Abgeordneten Gunnar Lindemann im Berliner Abgeordnetenhaus. Wie die „B.Z.“ berichtet, handelt es sich um eine „sogenannte ‚Nachbarschaftsversammlung’ in Marzahn“, wo Lindemann direkt ins Landesparlament gewählt worden ist. Genauer: um eine Veranstaltung des Projektes „BENN“ im Gebiet Blumberger Damm. Lindemann wollte wissen, was dort passiert. Antwort: Es habe „die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Förderung der Integration im Quartier zum Ziel“, zitiert die Zeitung. Nachbarn hätten Gelegenheit, ihre Anliegen und Ideen den anwesenden Vertretern des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf vorzutragen, sich auszutauschen.
Eine Frage der Hoheit
Klingt doch gut. Doch Lindemann hat ein Problem. „Warum sind die Einladungen in deutscher, russischer und arabischer Schrift verfasst, obgleich es sich um eine Veranstaltung auf deutschem Hoheitsgebiet handelt?“, heißt es nach Angaben der „B.Z.“ in seiner Anfrage. Hintergrund: Das Projekt arbeitet auch mit zwei Unterkünften für Geflohene zusammen. Eigentlich macht es ja Sinn, einen Tisch für Alle anzubieten. Lindemann sieht aber gleich das Hoheitsgebiet herausgefordert, wenn er Buchstaben sieht, die nicht dem lateinischen Alphabet entstammen. Und, natürlich, möchte er die Kosten dieser Veranstaltungen kennen. Die liegen übrigens nach Angaben der „B.Z.“ bei 2100 Euro im Jahr.
Für Lindemann besteht Integration offenbar aus einer Sackgasse. Hier die homogenen Deutschen im Einheitslook, da die Einwandernden, die sich zu bewegen haben; allein, natürlich. Bloß keinen Schritt selber machen, man könnte ja mit eigenen Vorurteilen und Klischees konfrontiert werden. Dieser Gefahr entgeht Lindemann zielgerichtet. „Ich bin für jeden Marzahner jederzeit ansprechbar, aber ich dränge mich niemandem auf“, schreibt er auf seiner Website als Antwort auf den Bericht der „B.Z.“ Und mutmaßt, die Zeitung habe ihn mit seiner Anfrage nicht richtig verstanden: Integration von Zugezogenen sei auch der AfD wichtig, schreibt er, „nur unter der Voraussetzung, dass diese Zugezogenen dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten“. Dies sei aber bei der für diese ‚Nachbarschaftsversammlung‘ angesprochenen Klientel aus den umliegenden Flüchtlingsunterkünften in aller Regel nicht der Fall. Also: „Solange jemand, aus welchen Gründen auch immer, nach Deutschland geflüchtet ist, besteht laut Gesetz nur ein Aufenthaltsrecht auf Zeit.“
Kopf im Sand
Basta. Mehr bietet Lindemann in seiner Großzügigkeit, in der er immer ansprechbar ist, nicht. Solange der Anspruch geprüft wird: bloß nicht reden, kein Wort, kein Kontakt. Diese Sicht hat etwas Kindisches. Lösungsorientiert ist sie kaum. Und sie bringt einen zur Frage, ob Lindemann überhaupt irgendeine Zuwanderung will.
Dabei macht es Sinn, bei in Deutschland Angekommenen frühzeitig Türen zu öffnen – nicht nur in die Sozialsysteme hinein, sondern hin zu mehr Verständnis füreinander, zum Herausfinden: Wo könnte was passen?
Aber das sind Gedanken „für“ etwas, und nicht „gegen“ etwas. Bleibt das Rätsel, was daran eine Alternative für Deutschland sein soll.
Im Video: Nach Haftbefehl: AfD-Politiker Halemba im bayerischen Landtag