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Kommentar: An die Wummse hatten wir uns gewöhnt

Die Parteichefs der Koalitionsparteien, Lars Klingbeil (SPD, r-l) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP), sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss. (Bild: Michael Kappeler/dpa)
Die Parteichefs der Koalitionsparteien, Lars Klingbeil (SPD, r-l) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP), sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

Aus die Maus: Die Ergebnisse nach 30 Stunden Koalitionsausschuss kommen faserig daher. Die größten Zugeständnisse machten die Grünen – zu Gunsten einer schwächelnden FDP. Und es bleibt eine bittere Erkenntnis. Echter Klimaschutz ist gerade nicht angesagt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es hätte schlimmer kommen können, für die Regierung. Zwischenzeitlich hatte man vergessen, dass die Ampelparteien überhaupt noch tagten – so lange hatten sie die Köpfe zusammengesteckt, um die versprochenen Wurfe hinzukriegen. Herausgekommen ist dann eine Sammlung von kleineren Häufchen. Besser als nichts. Aber an die Wummse des vergangenen Jahres hatten wir verwöhnten Deutschen uns schon gewöhnt.

Klar, die regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP hätten sich zerstreiten können. Auf der einen Seite die Liberalen im Krisenmodus, mit einer Serie von Wahlniederlagen im Nacken. Auf der anderen die Grünen, deren Basis auf Abarbeiten einer Agenda wartet. Und mittendrin die SPD, die scholzig das Hauen und Stechen betrachtet und sich als Sachstandswahrer des Status quo inszeniert. Zumindest nach diesen 30 Stunden Marathonverhandlung haben die Grünen nachgegeben. Die meisten Punkte gehen an die FDP.

Die Liberalen können verbuchen, dass nun Autobahnen an nicht wenigen Stellen schneller ausgebaut werden. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing kann sich mit seiner desaströsen Klimabilanz hinter dem Beschluss verstecken, dass der angestrebte Klimaschutz der Bundesregierung sektorübergreifend dargestellt werden soll – und nicht einzeln, mit Wissings eigenem Versagen.

Eine Frage der Prioritäten

Die Grünen haben es zwar geschafft, mehr Geld für den Bahnausbau einzusammeln, und zwar zu Lasten eines mehr mit Maut belasteten Lkw-Verkehrs. Aber ansonsten: Außer Spesen nichts gewesen. Mit dem Lockmärchen, man wolle sich technologieoffen zeigen, haben FDP und SPD es vermocht, das avisierte Aus für neue Gas- und Ölheizungen zur Unverbindlichkeit zu zerlöchern; andere Länder sind da weiter.

Aber diese Koalition hat sich darauf verständigt, weniger Ehrgeiz und mehr Pacebopolitik zu zeigen. Klimaschutz findet die Ampel super. Aber er soll nicht ein kleines bisschen wehtun oder zumindest zu gewissen Richtungswechseln im Denken zwingen. Klimaschutz ist indes kein Wohlfühl-Bonus, sondern eine Dringlichkeit. Diese Ampel verschiebt die Quittung auf morgen.

Besser wenig als nix

Zusammengenommen zeigt dieses Dreierbündnis derzeit, dass es nicht mehr als die Summe seiner Einzelteile ist. Visionen, das ist etwas für den Arzt, möchte man zitieren. Aber auch hier gilt: Immerhin wird das Land regiert. Die Regierung ist stabiler und nach innen harmonischer als manche Vorgänger. Auf die Koalition ist ein gewisser Verlass. Nur das mit den Perspektiven, das kriegen sie nicht so hin. Klimaschutz eignet sich schlicht in den Augen von SPD und FDP nicht für einen Wumms.

Aber den haben die Grünen erhofft. Sie werden nun eine Menge Baldrianpillen brauchen, um bei der Stange zu bleiben. Und die Klimaaktivisten auf der Straße haben einen Koffer mehr Gründe, den Leuten auf die Nerven zu gehen. Radikaler wird es werden. Denn die 16 Seiten dieses Koalitionsausschussbeschlusses lesen sich wie eine Absage.