Kommentar: Andreas Kalbitz von der AfD redet mal so und mal so

Andreas Kalbitz of Germany's far-right Alternative for Germany (AfD) party speaks during an election campaign of AfD youth organisation Young Alternative for Germany, in Cottbus, Germany, August 4, 2019. REUTERS/Hannibal Hanschke
AfD-Frontmann Andreas Kalbitz fordert als Bayer eine "Wende 2.0." im Osten. In Griechenland war er auch schon mal, aber da ging es um etwas anderes. (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Wem will der AfD-Spitzenkandidat Brandenburgs noch alles eine lange Nase machen? Man kann ihm nicht glauben. Über einen, der seine rechtsextreme Biografie verpackt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ich stelle mir vor, wie ich reagieren würde, wenn ich in einer Reisegruppe unterwegs bin – und im Hotelzimmer hängt einer von denen auf dem Balkon die Hakenkreuzfahne auf. Ich würde mich unwohl fühlen, in schlechter Gesellschaft. Ich würde zumindest von dieser Reisegruppe einen gewissen Abstand nehmen. Von Andreas Kalbitz ist nichts dergleichen bekannt.

Heute Morgen las ich, dass der Spitzenkandidat der AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg, sie sind diesen Sonntag, im Jahr 2007 eine Reise unternahm. Es ging zu einer “Goldenen Morgenröte”, das war aber kein Meditationskurs, sondern eine Neonazipartei. Ich gebe zu, als ich das Reiseziel “Athen” las, fragte ich mich: Athen, diesen Ort kenne ich ja noch gar nicht in Deutschland, wo liegt denn das? Dann dämmerte mir, in einer echten Morgenröte, dass Athen in Griechenland liegt. Kalbitz bog also damals nicht einfach um die Ecke, verfahren haben wird er sich auch nicht. Er war damals übrigens 34 Jahre alt und sicherlich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte; jugendlicher Abenteuerdrang wird wohl rein hormonell nicht im Spiel gewesen sein.

Doch Kalbitz buchte diesen Trip. Gemeinsam mit Kadern der Neonazipartei NPD, zwei Rechtsextreme, die sich als Söldner in Kroatien verdingten, waren auch dabei; die Kriminalpolizei vermerkte dies, hatte längst ein Auge auf diese Braunbutterfahrt geworfen.

Doch Kalbitz, der sich anschickt, politische Verantwortung in Deutschland zu übernehmen, der gern Ministerpräsident in Brandenburg werden möchte, erzählte von seinem Trip nichts. Erst, als ihn Journalisten nun damit konfrontierten, laberte ein wenig herum.

Die zwei Gesichter des Andreas K.

Warum? Vielleicht, weil sich Kalbitz als einen “politischen Langstreckenläufer” sieht, wie er sich einmal bezeichnete. Er hat offenbar ein Ziel. In der AfD sieht er die besten Chancen, dieses Ziel umzusetzen. Wie dieses Ziel aussieht, erzählt er nicht. Man sollte ihn mal genauer befragen, sonst wissen die Brandenburger nicht genau, wer sich ihnen da präsentiert.

Denn beim politischen Auftreten von Kalbitz gibt es eine auffällige Widersprüchlichkeit. Er mag einerseits klare und scharfe Worte. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg nannte er kürzlich ein “mondgesichtiges Mädchen”, als wenn Aussehen Argumente schmälern könnte. Er redet von “messerstechenden Flüchtlingen” und bringt damit eine große Gruppe von Menschen in Verruf, indem er sie mit einigen SEHR wenigen in eine Schublade steckt. Die Rede eines CDU-Landtagsabgeordneten bezeichnete er einmal als “Goebbels für Arme”, und zu seinem öffentlichen Vokabular gehört die Forderung nach einer “Wende 2.0.” (das sagt er als Bayer den Ostdeutschen tatsächlich), es gibt aber auch die Worte “Inländerfeindlichkeit”, “Gendergaga” und “Raute des Grauens”. Er kennt also den Gebrauch harten Tobaks.

Umso widersprüchlicher wird es andererseits, wenn man liest, wie Kalbitz nun seinen Trip nach Athen beschreibt, der ja nicht Jahrzehnte zurückliegt. Und geknebelt und gefesselt wird man ihn auch nicht dorthin getragen haben. Er lässt ausrichten: "In der nachträglichen Bewertung dieser Veranstaltung war diese nicht dazu angetan, mein weiteres Interesse oder Zustimmung zu wecken, weder in der politischen Zielsetzung noch in der Zusammensetzung der Teilnehmer."

Aha. So butterweich und hinreichend unscharf klingen seine Reden auf den Marktplätzen gerade nicht. Also, “nachträglich” fand er eine Hakenkreuzfahne vom Hotelbalkon nicht “dazu angetan” bei ihm “Interesse oder Zustimmung zu wecken”. Für jemanden, der sein Studium nicht beendete, drückt er sich ziemlich gestelzt aus.

Warum war er nicht sofort angewidert? Warum machte er sich eigentlich auf diese Reise?

Vielleicht fehlten Kompass, Landkarte und Brille

Kalbitz, der gern austeilt, schaltet ebenso schnell in den Unschuldsmodus. Wahrscheinlich wird er heute oder morgen sagen, wenn er überhaupt sich dazu äußern wird, dass er mal habe vorbeischauen wollen, mal gucken. Diese Masche kennt man von ihm.

Im Juli 1993 nahm der damals 20-jährige Kalbitz an einem so genannten Sommerlager des rechtsextremen Vereins "Die Heimattreue Jugend e.V.” teil. Darauf viele Jahre später angesprochen, sagte er: “Ich denke, das ist ein alter Hut und ich halte das für Wahlkampfgetöse, dass das jetzt aufgewärmt wird."

Dummerweise verlief er sich 2007 wieder einmal in solch einem Sommerlager, der Neonaziverein hatte sich mittlerweile in "Heimattreue deutsche Jugend" (HDJ) umbenannt. "Ich war als Gast dort, mutmaßlich, um mir das mal anzuschauen. Ich sehe da kein Problem."

Tja. Mutmaßlich. Kalbitz konnte ja 2007 nicht ahnen, dass es nur ein paar Jahre später eine AfD geben würde, in der er Karriere machen könnte, welche als Vehikel für seine politischen Ziele bestens diente, weil sie Erfolg hatte – nicht mit klaren faschistischen Parolen, aber eben mit viel Ablehnung dessen, was in Deutschland gerade so passiert. Dumm gelaufen. Zum Glück zwei Tage vor der Landtagswahl und nicht zwei Tage danach.