Kommentar von Ansgar Graw - Der Merz-Scholz-Gipfel zeigt, wer Deutschland wirklich aus der Krise führen will
Friedrich Merz hat bemerkenswerte Pläne im Kampf gegen illegale Einwanderung. Klar ist: Das ist mehr als ein parteitaktisches Manöver. Der CDU-Chef will Deutschland aus einer tiefen Krise führen.
Das war eine Pressekonferenz der anderen Art: keine Floskeln, keine Beschwichtigungen, keine Allgemeinplätze. CDU-Chef Friedrich Merz hat vor der Hauptstadtpresse nach seinem Gespräch mit Bundeskanzler Scholz (SPD) präzise und detaillierte Änderungen am Asyl- und Migrationsrecht eingefordert. Vier Tage nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen hat der Oppositionsführer seinen Willen deutlich gemacht, die außer Kontrolle geratenen illegalen Einwanderung „signifikant“ zu reduzieren und dazu, zeitlich und inhaltlich auf dieses Ziel beschränkt, mit dem Kanzler zusammenzuarbeiten.
Merz hält sich nicht mit den bekannten und hohlen Forderungen nach schärferen Waffengesetzen, kürzeren Messerklingen oder schnelleren Abschiebungen auf. Er will die Zuwanderung auch nicht „steuern“, wie es die Ampelparteien fordern, sondern massiv begrenzen, notfalls mit der Ausrufung des „nationalen Notstands“ gegenüber der Europäischen Union.
Dazu will Merz jedes Gesetz, jede Verordnung auf den Prüfstand stellen, auch das Grundgesetz, wie er auf Nachfrage deutlich machte: „Es gibt kein Tabu.“ Und er will die Rückkehr zum Dublin-Vertrag in Brüssel einfordern lassen, nach der Asylanträge nur im ersten Land gestellt werden dürfen, in dem ein Bewerber ankommt.
Im Video: Merz bietet Scholz gemeinsame Asyl-Änderungen an
Deutschland ist in Gefahr und nicht nur der Kanzler
Meint Merz das ernst? Der CDU-Chef versicherte glaubhaft, seine Forderungen seien „nicht taktisch gemeint“, es gehe ihm nicht um die anstehenden Landtagswahlen. Und als einer der ersten Unionspolitiker räumte er offen ein, „dass meine Partei nicht unschuldig ist“, sprich: dass die CDU-Kanzlerin Angela Merkel einst die Grenzen offen gehalten hat. Aber erste Korrekturen, die noch von Schwarz-Rot beschlossen worden seien, habe die Ampel-Koalition wieder zurückgenommen, „es ist wieder schlimmer geworden“.
Scholz drohe das Land zu entgleiten, sagte Merz, und gemeint war erkennbar: Deutschland ist in Gefahr, nicht nur der Kanzler. „Geht nicht ist kein Argument, das ich noch gelten lasse“, so eine der Kernaussagen von Merz. „Dann muss es machbar gemacht werden.“
Er habe Scholz vorgeschlagen, umgehend je einen Politiker zu benennen, um Gespräche über kurzfristig machbare Gesetzesänderungen und andere Maßnahmen aufzunehmen, „das hätte schon heute Nachmittag starten können“, aber der Kanzler habe sich Bedenkzeit ausbedungen, und „das ist in Ordnung, auch wenn ich es anders gemacht hätte“.
Merz fährt kein parteitaktisches Manöver
Wer in dieser Pressekonferenz lediglich parteipolitische Manöver sieht, dürfte sich irren. Tatsächlich markiert sie einen Wendepunkt in der deutschen Asyldebatte: Da ist plötzlich ein Spitzenpolitiker, und gar der Vorsitzende der stärksten Partei, der den Wandel will und konkrete Vorstellungen hat. Und Merz lässt keinen Zweifel daran, dass er alles andere als eine Koalition mit den Sozialdemokraten will. Er will ein Ziel erreichen und er treibt den Kanzler, der nach dem islamistischen Polizistenmord in Mannheim Vorschläge angekündigt habe, ohne bislang zu liefern, nunmehr vor sich her.
Scholz habe doch seine Richtlinienkompetenz neulich in Anspruch genommen, um die Koalitionäre zu gutem Benehmen aufzurufen, da könne er sie doch auch nutzen, um die Abstimmung über die vorgeschlagenen Reformen vom Fraktionszwang zu befreien. „Union und SPD haben die absolute Mehrheit, da brauchen wir weder Grüne noch FDP“, sagte der Oppositionschef – und meinte natürlich außerdem: wir brauchen weder AfD noch BSW.
Heute hat Friedrich Merz seinen Anspruch angemeldet, dieses Land zu regieren . Und es aus einer tiefen Krise zu retten.