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Kommentar: Armin Laschet ist der Kandidat der sozialen Kälte

Darauf erstmal einen Schluck Wasser: Annalena Baerbock von den Grünen vorm letzten TV-Triell mit Olaf Scholz von der SPD (links) und Armin Laschet von der CDU (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)
Darauf erstmal einen Schluck Wasser: Annalena Baerbock von den Grünen vorm letzten TV-Triell mit Olaf Scholz von der SPD (links) und Armin Laschet von der CDU (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)

Beim letzten Triell blieb ein Satz hängen: „Hartz IV ist kein Beruf“, sagte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Das ist herablassend. Wer ihn wählt, entscheidet sich für den Tritt nach unten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Über die Wahlkampfduelle wurde viel gezetert. Zum Beispiel, dass wichtige Themen wie Außenpolitik ausgespart wurden. Das ist wohlfeil. Dass einem Bürger wichtiger ist, wie viel Geld er in der Tasche haben wird oder einen ihn erfüllenden Job verrichtet, als etwa die Frage europaweiter Rechtsstaatlichkeit oder wie wir es mit China halten – das mag Akademikern die Augenbraue zucken lassen, leuchtet aber vollkommen ein.

Bei einer Wahl geht es ums Eingemachte. Und da hat Armin Laschet, der Mann von der Union, Klarheit bewiesen. Nur, dass man Bescheid weiß.

„Hartz IV ist kein Beruf“, sagte er. „Wir müssen den Menschen raushelfen aus dem Sozialhilfebezug.“ Hilfe ist ja immer gut. Aber anzunehmen, Arbeitslose würden verlernen, dass es ihnen mit Arbeit und Einkommen besser erginge, ist ein arroganter Irrtum.

Laschet im Alltagstest

Im Triell meinte der CDU-Kanzlerkandidat: „Das größte Problem von Arbeit ist, wenn Eltern keine Arbeit haben – und deswegen müssen wir alles dafür tun, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Meistens ging Armut einher mit mangelnder Beschäftigung.“ Damit hat Laschet Recht. Sein Rezept aber beschränkt sich auf ein schwammiges „alles dafür tun“ – ohne konkret zu werden. Damit bleibt er im obigen Wolkenkuckucksheim und mit seinem Blick nach unten.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte Anfang der Nullerjahre die Reformen unter „Hartz IV“ vorangebracht. Den Kern bildete das Prinzip „Fördern und Fordern“ samt eines Sanktionskatalogs, wenn Arbeitslose nicht genügend Bewerbungen schrieben, keine Termine wahrnahmen. Ein Stück weit funktionierte dieses Konzept auch. Aber alltagstauglich ist es heute nicht mehr, denn die Arbeitswelt hat sich verändert. Nur die CDU hat sich nicht verändert.

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Es geht längst nicht mehr um Langzeitarbeitslose mit geringer Schulbildung, die sich sträuben, anstatt bei einer industriellen Fertigung im Landschaftsbau zu arbeiten. Laschet mag davon ausgehen, dass Faulenzer sich im Sozialsystem gern parken lassen. Doch tatsächlich verkennt er die neuen Lebenswirklichkeiten: Befristete Arbeitsverträge sind inflationär, das Prekariat nimmt zu. Leistung lohnt sich oft eben nicht mehr. Die Arbeitslosen von heute sind nicht ausschließlich bildungsfern oder unmotiviert oder verwöhnt, sondern gehen querbeet durch unsere Gesellschaft; mangelnder Arbeitswille ist da nicht das Problem.

Was ist Leistung wert?

„Fördern und Fordern“ ist ein nicht einmal halb funktionierendes Prinzip, wenn nur blind gefordert, aber nicht gefördert wird: Was ist mit Leuten, die für bestimmte Berufe gut qualifiziert sind, in ihnen sich auch jahrelang bewährt haben – und dann dennoch aus Gründen vor die Tür gesetzt werden, die nichts mit ihrer Leistung zu tun haben? Was ist zum Beispiel mit wissenschaftlichen Mitarbeitern an außeruniversitären Forschungseinrichtungen, denen nach jahrelanger Arbeit in befristeten Verträgen gekündigt wird, weil Entfristungen irgendwie anstrengend seien? Der Gesetzgeber hat seit den Nullerjahren den Arbeitgebern einen hübschen Folterkasten in die Hände gelegt. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zum Beispiel besagt, dass sich Leute nach einer gewissen Anzahl von Jahren in befristeten Jobs nicht mehr auf eine Stelle bewerben dürfen – und begründet das mit einer Qualifizierungsphase; nur mag das vielleicht auf Doktoranden und Habilitanden an Unis zutreffen, nicht aber auf die bereits ausqualifizierten Kräfte an Forschungseinrichtungen wie Akademien der Wissenschaften.

Und dies trifft auf andere Berufe auch zu, wo Bürger spezielle Ausbildungen durchliefen. Verlieren sie ihre Jobs, werden sie natürlich versuchen, nicht in der Langzeitarbeitslosigkeitsfalle zu verharren. Denen muss man nicht mit absurden Belehrungen im Schatten ihrer unverschuldeten Lage kommen. Sondern mit echter Hilfe.

Laschet aber denkt nur ans Fordern und nicht ans Fördern. Er tritt nach unten. Nur dass der Wähler Bescheid weiß.

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