Kommentar: Armin Laschet verturnt sich ins Abseits

Ministerpräsident Armin Laschet in Berlin auf dem Weg zum Kanzleramt (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Ministerpräsident Armin Laschet in Berlin auf dem Weg zum Kanzleramt (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Der NRW-Ministerpräsident ist der „Mann der Lockerungsübungen“. Doch was hat er wirklich im Sinn: das Wohl seiner Bürger oder das Kanzleramt?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eigentlich läuft es für Armin Laschet. Man nimmt ihn wahr, seine Zustimmungswerte in Umfragen steigen – und er profiliert sich. Der NRW-Ministerpräsident ist eine Art Sprachrohr für all jene, die eine sanfte und vernünftige Öffnung fordern, die sich für Lockerungen bei den coronabedingten Einschränkungen einsetzen.

All dies ist normal und nachvollziehbar. Auch in der Spitzenpolitik muss jemand diese Rolle einnehmen. Denn entgegen den Gerüchten von Verschwörungsliebhabern haben wir ja eine äußerst lebhafte Debatte darüber, wie Corona unser Alltagsleben durcheinanderwirbelt; wie wir zum Gewohnten zurückkehren können, ist eine sich aufzwingende Frage.

Dass Laschet sich also zum Fürsprecher der Lockermacher aufschwingt, ist ihm nicht vorzuwerfen. So ist das in einer Demokratie.

Und doch entsteht ein fahler Nachgeschmack. Denn der Ministerpräsident agiert wie gehetzt, ist dünnhäutig: in Videoschalten soll er schon mal aus der Haut fahren, heißt es. Laschet treibt. Aber was treibt ihn an?

Eigentlich ist Corona-Zeit eine Regierungszeit. Wer die Administration managt, erhält von der Bevölkerung in dieser Krise erstmal einen Vertrauensbonus; die Regierenden sollen ja auch viel bewirken, ihre Arbeit ist schicksalhafter als normalerweise. Und da braucht es auch eine beruhigende Hand, eine politische Spitze, die Sicherheit und Ordnung ausstrahlt. Und all dies zeigt Laschet in diesen Tagen nicht.

Eine versteckte Agenda?

Und so drängt sich die Frage auf, was er wirklich im Sinn hat. Warum turnt er so beharrlich für Öffnungen vor? Wo zum Beispiel in anderen Bundesländer die Möbelhäuser noch geschlossen haben, will Laschet sie öffnen. NRW sei das „Land der Küchenbauer“, soll er gesagt haben. Nun stimmt es, dass zwei Drittel aller in Deutschland gebauten Küchen aus NRW stammen, aber juckt sowas den Virus?

Zweifelhaft war auch sein Agieren entlang der „Heinsberg-Studie“ des Virologen Hendrik Streek: Die Arbeit der Wissenschaftler wurde von einer Agentur „begleitet“, die in Dokumenten die Choreographie schon vorab formulierte – zufällig im Sinne Laschets, nämlich mit einem Zwischenergebnis, das als Plädoyer für Öffnungen gedeutet werden kann. So erscheint die Arbeit der Wissenschaftler ein bisschen wie von der Politik bestellt.

Mehr: Lockerungsdebatte hält an - Laschet will weitere Schritte

Kann es sein, dass Laschet auch anderes im Sinn hat? Schließlich will er noch was werden. Den CDU-Parteivorsitz hat er im Visier, und damit mittelfristig das Kanzleramt. Dafür muss er punkten. Also turnt er. Laschet zeigt Profil: Lange galt er als zu weich, als wankelmütig, zu west-bräsig. Heute spielen seine täglichen Forderungen Staffellauf. Heute ist er der Mann mit der Kante, der Schutzpatron der Küchenbauer.

Der falsche Mann in der richtigen Rolle

Kann es sein, dass Laschet eine Rolle gesucht hat? Dass er nicht zuallererst an das Wohl seiner Bürger denkt, an eine möglichst vernünftige Politik, sondern an seine Zustimmungswerte? US-Präsident Donald Trump fordert Lockerungen, weil er sich davon Zustimmung erhofft, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ebenso. Warum sind es keine Spitzenpolitiker, die bekannt für ihre Bescheidenheit und Vernunft sind, die nichts mehr werden wollen und dadurch eine Unabhängigkeit haben, die diese Lockerungen fordern? Von einem Winfried Kretschmann etwa hört man viel weniger, obwohl der Ministerpräsident Baden-Württembergs gerade nicht weniger in der Verantwortung steht als Laschet und mit dem die Bürger gewiss nicht unzufriedener sind als mit seinem Amtskollegen in NRW.

So gesehen ist Laschet der falsche Mann in der richtigen Rolle. Dummerweise war die des harten Hundes schon durch Bayerns Landesvater Markus Söder besetzt, der frühzeitig im „Corona-Sheriff“ eine Chance zur Profilierung erkannte; nun versucht es Laschet auf der Gegenseite.

Laschet macht sich mit jedem Tag unglaubwürdiger. Da überrascht es nicht, dass ein Witzbold auf Twitter einen Fake-Account erstellte, auf dem ein angeblicher Laschet ankündigt, das in Bayern abgesagte Oktoberfest nach NRW zu holen. Der Ministerpräsident muss langsam die Kurve kriegen. Sonst nimmt er sich selbst aus dem Rennen um den Parteivorsitz.

Im Video: Markus Söder und Armin Laschet sprechen sich für Geisterspiele aus