Kommentar: Ausländerkriminalität? Machen wir selber!
Dass die Polizei München ihre Probleme mit prokurdischen Aktivisten hat, ist schon länger ein offenes Geheimnis. Anscheinend tragen einige Verantwortliche in den Kommissariaten der Landeshauptstadt ihre persönliche Animositäten aus oder agieren als fünfte Kolonne Ankaras; anders ist die seit längerem zu verzeichnende besondere Sensibilität für angebliche oder tatsächliche Vergehen von Kurden und ihrer Sympathisanten kaum erklärbar.
Ob von politischer Neutralität der Münchner Polizei überhaupt noch die Rede sein kann, ist allerdings spätestens seit der Hausdurchsuchung bei Kerem Schamberger, einem renommierten Kommunikationswissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München, äußerst zweifelhaft. Vorwand für diesen Einsatz aus der Rubrik “Kanonen auf Spatzen” war, dass Schamberger, ausgewiesener Experte für die kurdische Bewegung in Syrien und der Türkei, auf Facebook die Flaggen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und YPJ sowie der Partei PYD gepostet hatte. Angesichts des drastischen und völlig unverhältnismäßigen Vorgehens der Staatsmacht auf diese Bagatelle hin drängt sich die Frage auf, ob nicht der Rechtsstaat durch die Praktiken der Münchner Polizei längst Schaden nimmt.
Doch damit nicht genug, nun leistete sich die Polizei München die nächste Peinlichkeit. Vergangene Woche ließ sie verkünden, dass laut Kriminalstatistik die politisch motivierte Ausländerkriminalität um “über 75 Prozent” angestiegen sei – im Vorfeld der näherrückenden Landtagswahlen klingt das zunächst wie eine durchaus brisante Meldung, die sich schon wieder ein Stück weit relativiert wenn man dann liest, dass es hier um insgesamt 114 Fälle geht (im Vergleich zu 417 Straftaten aus dem linken und 459 aus dem rechtsextremen Spektrum). Zudem räumt die Polizei selbst unumwunden ein, dass diese Statistik in Wahrheit nicht das Papier wert ist, auf dem sie gedruckt ist.
Wie ein Einzelner eine Verbrechenswelle auslöst
Der bemerkenswerte Anstieg in der fraglichen ausländischen Tätergruppe ergibt sich nämlich nicht aus tatsächlich zunehmenden Strafdelikten von “Ausländern”, sondern resultiert aus der wirren Einordnung der massenhaften Ermittlungsverfahren gegen Kerem Schamberger (nebenbei bemerkt gebürtiger Münchner und deutscher Staatsbürger) und einige seiner Facebook-Follower – insgesamt 49 Einzelverfahren, die die Münchner Staatsanwaltschaft seit 2017 beschäftigen, flossen so in die Statistik ein.
Hintergrund: Rund 250 Kontakte Schambergers hatten bereits Mitte letzten Jahres seine wissenschaftlichen und journalistischen Postings auf Facebook mittels Klick geteilt – darunter unter anderem einen Artikel des Bayerischen Rundfunks, dem als Vorschaubild ebenfalls die Flagge der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheit YPG vorangestellt war. Kaum waren die betreffenden Inhalte geteilt worden, hagelte es Ermittlungsverfahren – obwohl, wie erwähnt, die Verwendung der YPG-Flagge in Deutschland grundsätzlich legal ist – die YPG ist im Kampf gegen den IS sogar Partner einiger NATO-Länder, insbesondere der USA. Embleme der YPG wären lediglich dann verboten, wenn sie explizit als Ersatz für Abzeichen der hierzulande verbotenen PKK verwendet würden, was aber nahezu nie passiert, und auch bei Schamberger und seinem Netzwerks keinesfalls zutraf. In ähnlichen Fällen in anderen Bundesländern entschieden die Gerichte bereits zugunsten der Beklagten.
Dass es dennoch zur Einleitung von Ermittlungsverfahren in bislang 49 Fällen gegen Personen aus Schambergers Facebook-Umfeld kam, muss als Handlangertum der Strafverfolgungsbehörden zum Zweck der politischen Verfolgung der demokratischen Kurdenbewegung eingeordnet werden – quasi ein Kniefall der Bayerischen Landesregierung vor dem türkischen Diktator Erdogan und dessen hier agierenden Schergen. Nach welchen Kriterien über 200 Personen von Ermittlungsverfahren verschont wurden, die exakt das selbe geteilt hatten wie jene 49, gegen die nun ermittelt wird, bleibt übrigens ebenfalls ein Geheimnis der zuständigen Münchner Staatsanwaltschaft.
Blamable Verfolgung Unschuldiger
Was bei dieser blamablen und ungerechtfertigten Verfolgung Unschuldiger am Ende herauskommt und ob es sich nicht vielmehr um – ihrerseits nach Paragraph 164 StGB strafbare – falsche Verdächtigung der Betroffenen handelt, wird die Zukunft zeigen. Immerhin: Anklage wurde bislang noch in keinem Fall erhoben.
Jedenfalls ist es diese Lawine der bisher 49 anhängigen, faktisch politisch motivierten Einzelverfahren, die nun zur Verzerrung der Kriminalstatistik beiträgt, was wiederum direkten Einfluss auf Wahlergebnisse und politische Entscheidungen haben dürfte. Es stünde den Hütern der bayerischen Rechtspflege gut zu Gesicht, die allzu dreiste de-facto-Fälschung der Kriminalstatistik zurückzunehmen und die rechtswidrigen Ermittlungsverfahren unverzüglich, unbürokratisch und mit einer Entschädigung der Betroffenen einzustellen.
Alles andere wäre eine ungeheuerliche Instrumentalisierung von deutscher Polizei und Justiz durch das türkische Regime bei der Einschüchterung und Verfolgung politischer Gegner – und damit nichts anderes als ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung, unsere Werte und auf unseren Rechtsstaat durch dessen eigene Organe.