Kommentar: Bald ist die Geduld mit Fußballbossen zu Ende

Da schien die Welt noch in Ordnung: Franz Beckenbauer im Jahr 2006. Viel Durchblick hatte man schon damals nicht (Bild: REUTERS/Andrea Comas/File Photo)
Da schien die Welt noch in Ordnung: Franz Beckenbauer im Jahr 2006. Viel Durchblick hatte man schon damals nicht (Bild: REUTERS/Andrea Comas/File Photo)

Die Ethik-Kommission der FIFA stellt ihr Verfahren gegen die Macher des deutschen „Sommermärchens“ ein. Und strickt weiter am eigenen Märchen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das Hausblatt von Franz Beckenbauer brachte es in dicken Lettern. „Verjährung!“, schrieb die „Bild“-Zeitung und fragte: „Bedeutet diese Meldung das endgültige Ende des Sommermärchen-Ärgers?“ Damit meinte man die Nachricht, dass Franz Beckenbauer, Horst Schmidt und Theo Zwanziger sich nicht mehr vor der Ethik-Kommission des Weltfußballverbandes zu verantworten haben – es geht um die Zahlung einer Millionensumme des deutschen Verbandes für angebliche Kulturveranstaltungen, die nie stattfanden. Die Hinweise sind erdrückend, dass damit die WM 2006 für Deutschland eingekauft wurde. Beckenbauer scheint ein großes Rad in einem durchweg korrupten Werk gewesen sein, mit Gestalten wie Sepp Blatter oder Mohamed bin Hammam, denen man wegen ihrer Charaktereigenschaften nicht auf der Straße begegnen möchte.

Für „Bild“ aber ist es bloß ein „Ärger“, nach dem Motto: Jetzt endlich Schluss mit diesen nervenden Fragen. Schließlich, so verrät es die Bildunterzeile: „Holte die WM 2006 nach Deutschland: Franz Beckenbauer.“

Zweierlei Maß

Schon interessant, wie eine Zeitung, die sehr rechercheintensiv daherkommen kann, wenn sie will, beide Augen verschließt, wenn es um die eigenen Buddys wie Beckenbauer geht – und wenn es darum geht, ein „Sommermärchen“ aufrecht zu erhalten, das nie eines war.

2015 hatte der „Spiegel“ die Machenschaften enthüllt. Seitdem ging Beckenbauer auf Tauchstation, war bei Gerichtsterminen angeblich krank, während er freizügig und höchst fit Interviews und andere Auftritte absolvierte. Franzens Filter: Wo man mich bewundert, bin ich gern. Woanders bin ich einfach nicht. Er spielt weiterhin den Sonnenkönig mit eigenen Gesetzen, und „Bild“ findet das toll. Nun sind die Vorwürfe angeblich verjährt, befand die angeblich unabhängige FIFA-Kommission. Sie erweist dem Fußball mal wieder einen Bärendienst. Denn es wird zunehmend schwierig, zu differenzieren. Nicht in allen Funktionären auf nationaler, europäischer und globaler Ebene bloße Abgreifer zu sehen, welche die Begeisterung für den Sport zur eigenen Bereicherung missbrauchen. Dabei steht Sport doch für genau das Gegenteil.

Das Ende der Fahnenstange

Letztlich ist Beckenbauer der Totengräber dessen, was er liebt und wofür er stand. Er holt zu einem sehr gefährlichen Schlag gegen den Profifußball an sich aus.

Denn natürlich kann ein Bundesligist wie Schalke 04 oder Bayer Leverkusen nichts für die Eskapaden bei der FIFA. Aber der diffuse Eindruck, dass das Fußballgeschäft immer weiter in die Höhe abhebt, nimmt zu. Scheinbar unaufhaltbar. Und all dies droht bald allen vor die Füße zu fallen, die mit Fußball ihr Geld verdienen.

Unsere Fußballbegeisterung nährt sich von Träumen. Und die halten einiges aus. Da sind die Millionengehälter egal, auch Privilegien während Corona sind ok. Aber gerade sind es zu viele Mosaiksteine, die sich zu einem hässlichen Bild zusammenfügen. Das einzige Rezept dagegen lautet: Demut. Sonst geht der Profifußball unter.

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