Kommentar: Bald kommen Demos der Geimpften

Eine Szene vor zehn Monaten: Mittlerweile muss man die Zahl der Coronatoten deutlich nach oben korrigiereren (Bild: REUTERS/Christian Mang)
Eine Szene vor zehn Monaten: Mittlerweile muss man die Zahl der Coronatoten deutlich nach oben korrigiereren (Bild: REUTERS/Christian Mang)

Die Infektionszahlen explodieren – was man dagegen tun könnte, ist impfen. Das Land schlittert also in eine notwendige Spaltung: Wer sich nicht impft, nimmt uns den Weihnachtsmarkt weg. Das wird man wohl doch noch sagen dürfen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eines der letzten Kuckuckseier des Jens Spahn ist das mit der „epidemischen Lage“, die am 25. November auslaufen soll. Warum der Bundesgesundheitsminister zum Ende seiner Amtszeit die Brille abnahm und die Zukunft rosarot malte, bleibt sein Geheimnis. Jedenfalls stecken wir derzeit in einem Coronaschlamassel. Dass er hausgemacht ist, erschüttert dabei nur noch mehr.

Die Sachlage ist rasch skizziert. Wir hatten einen schönen Sommer. Alles hielten wir für überstanden, man dachte weniger an dieses blöde Virus – dabei hatten jene Leute, die etwas davon verstehen, namentlich Epidemiologen, Virologen und Statistiker, genau vorhergesagt, dass uns im Spätherbst die Infektionen um die Ohren fliegen werden, wenn…

…ja, wenn die Impfquote nicht derart steigt, dass wir eine kritische Masse in der Gesellschaft erreichen, die durch den Impfschutz die Verbreitung des Coronavirus eindämmt. Aber, dumm gelaufen, wir stagnieren bei derzeit 68 Prozent der Bevölkerung. Das ist nicht genug.

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Daher liegen 3000 Menschen auf den Intensivstationen, müssen Operationen verschoben werden, werden die ersten Patienten nach Italien ausgeflogen, wo man das mit Corona besser hingekriegt als bei uns. Auch in Spanien, Portugal und anderen Ländern sehen die Zahlen besser aus. Aber hierzulande wird noch darüber gestritten, wie viel Anteil die Ungeimpften an der vierten Welle haben. Ihr Anteil ist der größte. Es ist auch jener, der menschengemacht ist, wie der Klimawandel, und den man verändern kann.

Es nützt also nichts. Die Impfquote hochzujazzen wäre das beste in unserer Situation, wollen wir tatsächlich noch auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein schlürfen.

Mittlerweile kann man Bescheid wissen

Blöderweise ist davon auszugehen, dass die allermeisten Ungeimpften sich nicht impfen lassen wollen. Man hatte je genug Zeit, sich zu informieren. Es wurden Argumente ausgetauscht, es wurde diskutiert und gestritten. Die Gründe für eine Impfverweigerung mögen vielfältig sein, sie negieren aber zwei Fakten: Zum einen die Wirksamkeit des Schutzes vor einer schweren Erkrankung an COVID-19 und vor der Weitergabe des Virus. Was uns zum zweiten Fakt führt: das Negieren einer Verantwortung des Einzelnen für den Nächsten. Wer Impfen als reine Privatangelegenheit ansieht, tut so, als würde ein Virus nicht wandern. Das ist so, als würde ich sagen: Die Milch kommt aus der Flasche und nicht aus dem Euter.

Es ist genug Zeit verstrichen. Wer jetzt nicht überzeugt worden ist, sollte andere Konsequenzen verspüren. Vor einer Spaltung der Gesellschaft haben die so genannten „Querdenker“ seit langem gewarnt, nun haben sie sie herbeigeredet; monatelang hat die große Mehrheit ihrem Treiben schweigend zugeschaut, nun aber dehnt sich die Geduld bis zum Zerreißen – es geht nicht anders, als Ungeimpften das Leben durch Druck ungemütlicher zu machen. Ob gleich der österreichische Weg beschritten werden muss, der Ungeimpfte im Alpenland in einen Lockdown schickt, ist vielleicht etwas übertrieben. Aber um eine bundesweite 2G-Regelung kommen wir nicht umhin. Viele Wege müssen Ungeimpften verwehrt werden. Das ist besser, als sie wie in diesen Tagen sich massenhaft infizieren zu lassen, denn zum einen rettet das ihre Leben und zum anderen das anderer Mitbürger, die durch ihr unsolidarisches Verhalten infiziert werden könnten.

Schöne Bescherung

Es kann auch sein, dass all dies nicht mehr ausreicht. In den kommenden Wochen werden uns die Zahlen nicht nur um die Ohren fliegen, sie werden einen Heidenlärm verursachen. Es wird Berichte geben, über den Notstand in Krankenhäusern. Und dann kann es sein, dass unsere gerade durch Abwesenheit glänzende Bundesregierung doch noch einen Lockdown verkündet, sozusagen als Weihnachtsbescherung, schön verpackt durch die Ungeimpften. Spätestens dann fragt sich, wann es die erste Demo von Geimpften geben wird, welche die Schuld für all diesen Schlamassel bei den Ungeimpften abladen. Und Unrecht hätten sie nicht.

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