Kommentar: Bei Corona kommt es auf den Einzelnen an

Der Winter kommt, die Masken bleiben (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Der Winter kommt, die Masken bleiben (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Die Politik versagt zaudernd, und in der Masse obsiegt beim Fußballspiel oder beim Weihnachtsmarkt die Corona-Müdigkeit – verständlicherweise. So bleibt der richtige Umgang mit dem verdammten Virus individuell. Also: Ans Herz fassen...

Ein Kommentar von Jan Rübel

Nehmen wir einmal an, bisher unbekannte Megablitze suchen Deutschland heim. An einem Tag tötet einer von ihnen 300 Menschen, am nächsten wieder – und so fort. Gleichzeitig liefern Wissenschaftler Analysen und klare Anweisungen, wie man diesen Blitzen aus dem Weg gehen könnte; wie würde man in Deutschland reagieren?

Bei Corona werden die täglichen Toten nicht auf einen Haufen gelegt, die jede und jeder sehen kann. Sie werden diskret an den Hinterausgängen der Krankenhäuser von Bestattern empfangen. Schon interessant, was uns Menschen beeindruckt. Und was mehr.

Wir haben ja gerade die vielen Coronatoten, eine vierte Welle, überlastete Krankenhäuser und eine neue Virusvariante, die offenbar recht ansteckend ist. Doch die Politik gibt keine klaren Anweisungen: Die alte Bundesregierung steckt hilflos die Hände in die Hosentaschen, die baldige Bundesregierung zeigt sich noch immer orientierungslos, und die Ministerpräsidenten, ach ja: Die sind weiterhin Meister in Kakophonie und dem Raushauen sinnloser Vorschläge – wie etwa Niedersachsens Landesvater Stephan Weil, der einem Lockdown nach Weihnachten das Wort redet, also eine Art verlängerter Urlaub. Vorher aber darf dann munter angesteckt werden.

Im Stillen denkt es sich besser

Ein unbedarftes Hallihallo haben auch die Kölner Behörden an die Krankenhäuser der Region geschickt, sie genehmigten den Einlass von 50.000 Fans zum Fußball-Bundesligaspiel des 1. FC Köln, es sei ja alles 2G – und garnierten dies mit der Aufforderung, im Stadion Maske zu tragen. Dumm nur, dass dies keiner hörte. Dass dies keiner kontrollierte. Dass keiner intervenierte. Dass die Fans sich nicht dranhielten, eine typische Herdenbewegung, ist dann fast normal. Genauso normal wie die daraus entstehenden Viruserkrankungen, die auf den Intensivstationen und hoffentlich nicht am Hinterausgang mit dem Bestatter landen.

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Es nützt nichts: Solange die Politik versagt, muss der Bürgerwille es richten. Das einzelne Gewissen, das Herz, dass man sich nun nehmen muss. Endlich mal schunkeln auf dem Weihnachtsmarkt, vielleicht doch zur Weihnachtsfeier mit den Kollegen in die Bar, bevor sie schließt; die Versuchung ist groß. Und entscheiden muss jede und jeder von uns: Wie viel Weihnachtsmarkt geht noch für mich, wie sieht es dort aus? Wie kann ich mich mit wem treffen? Es ist schließlich Advent, und der letzte war schon ziemlich besch…

Kollektive Freiheit

Das Gewissen ist der innere Gerichtshof des Menschen, heißt es. Unerbittlich hart müssen wir nicht mit uns sein. Aber ein bisschen nachdenken, das wäre schon gut.

Eine Entwicklung in Italien zeigt uns den Weg auf: Dort sind die Zahlen nicht so bestürzend wie bei uns. Die Leute gehen gelassener der Weihnachtszeit entgegen, denn die Öffentlichkeit hat eine Methode gefunden, mit dem Virus fertigzuwerden: Man lässt sich impfen, wahrt gewisse Abstände, agiert vernünftiger – und verzichtet dennoch auf so gut wie nichts. Die italienische Gesellschaft hat eine kollektive Freiheit gefunden. Sie handelt entschlossener und geschlossener. Natürlich hat sie das Glück, von einem technokratischen Ministerpräsidenten regiert zu werden, der die Parteien auf einen strikten Anticoronakurs trimmte. Auch in Italien gibt es „Querdenker“ und Impfunwillige, auch die sehr mächtigen Rechtspopulisten liebäugelten anfangs mit einem „Freiheit ist für uns Egoismus“-Kurs, wie ihn hierzulande die AfD fährt. Aber irgendwann merkten sie, dass sie damit doch keinen Blumentopf gewinnen werden, dass die Öffentlichkeit sich entschieden hat – und drehten bei. Für Italien ist das gerade ein Segen. Wir könnten uns davon einiges abschauen.

Im Video: Spahn und Experten fordern abermals eindringlich zum Impfen auf