Kommentar: Bei Corona setzt sich die Mangelwirtschaft fort
Zuerst gab es zu wenig Masken, dann zu wenig Impfstoff – und nun werden PCR-Tests zur Mangelware. Ist das normal oder steckt dahinter staatlicher Fatalismus?
Ein Kommentar von Jan Rübel
Man muss nicht gleich zum Querdenker mutieren, wenn einem der Gedanke kommt, in dieser Pandemie ein bisschen viel von der Politik hinzunehmen. Heute wollen Bund und Länder festlegen, dass PCR-Tests „priorisiert“ werden – also in erster Linie für vulnerable Gruppen und Beschäftigte in Krankenhäusern vorbehalten werden.
Diese Tests gelten in den Medien als „Goldstandard“ in der Infektionsanalyse, was ein wenig verschönernd klingt, aber das ist völlig normal in unnormalen Zeiten. Wer wirklich wissen will, ob man sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, greift bisher zum PCR-Test, der gründlicher und sorgfältiger nach Antikörpern sucht. Die Warn-App funkelt tiefrot? Bisher konnte man damit zum Test. Man fühlt Symptome und hatte Kontakt mit Infizierten? Ab zum Test.
Doch weil diese Ausrüstung offensichtlich zur Mangelware geworden ist, soll das alles nicht mehr sein. Warum eigentlich?
Der Umgang mit den Tests erschein vorschnell
Liegt es nur daran, dass die derzeit grassierende Omikron-Variante des Virus bei Geimpften eher harmlos verläuft? Oder hat da ein Kassenwart in der Bundesverwaltung zu wenig bestellt? Natürlich ziehen die Infektionszahlen stark an. Bald wird ein Zustand erreicht sein, dass ob der Masse gar nicht mehr genau getestet werden kann. Aber noch sind wir nicht bei diesem Punkt angelangt. Dass die Bundesregierung schon jetzt die Reißleine ziehen will und sich damit ein wichtiges Instrument zur Infektionskontrolle aus der Hand nehmen lässt, trägt in sich eine Portion Fatalismus.
Auch der ist ein Stück weit normal, den haben die meisten von uns. Gerade. Sich von Corona nicht kirre machen zu lassen, ist lohnenswert. Aber es ist kein Hyperalarmismus, wenn bei konkreten Verdachtsmomenten ein genauer Test angestrebt wird. Der Bund wird offenzulegen haben, warum es schon jetzt zu Engpässen bei den Tests kommt. Es ist doch noch gar nicht gesagt, dass sich derzeit zum Beispiel eine gefährlichere Variante leise und kaum erkannt entwickelt – mit guten Tests kommt man ihr auf die Schliche. Wird jetzt nicht mehr richtig getestet, wird man schlicht weniger wissen.
Und hat den Geboosterten nicht auch gesagt, die normalen Schnelltests seien nicht sehr aussagekräftig? Nun sollen sie herhalten, gelten in der Sprache von Bund und Ländern als „Qualitäts“-Tests. Nun ja.
Ungewohntes von den Genossen
Mit dieser Politik schafft der Bund eine Mehrklassengesellschaft beim Pandemiemanagement. Wer genügend Geld in der Tasche hat, wird auch weiterhin PCR-Tests machen lassen – und zahlt eben dafür. Doch die Preise ab 60 Euro mindestens sind nicht wirklich für einkommensschwächere Haushalte zu stemmen. Gerade die SPD hat die vergangene Bundestagswahl gewonnen, indem sie auf Gerechtigkeit und Respekt setzte. Diese beiden Schlagworte finden auch bei der Frage ihre Berechtigung, wer in den Genuss von PCR-Tests kommt und wer nicht. Olaf Scholz sollte sich überlegen, ob er nur Bundeskanzler der oberen Zehntausend sein will – oder mehr.
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