Kommentar: Bei rechtem Mainstream zahlen immer die anderen die Zeche

Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache bei der Vereidigung der neuen österreichischen Regierung (Bild: Reuters)
Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache bei der Vereidigung der neuen österreichischen Regierung (Bild: Reuters)

In Österreich wird heute eine neue Regierung vereidigt. Das Bündnis aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ zeigt sich nur dann ambitioniert, wenn es gegen andere geht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Gut an demokratischen Wahlen ist, dass man ihre Folgen nicht nur spürt – sondern beim nächsten Urnengang die eigenen Konsequenzen zieht. Wird schon reichen, denken sich Österreichs neue Regierungspolitiker indes, die heute ihren Dienst antreten: Unzufrieden machen wir vor allem jene, die uns nicht gewählt haben.

Die neue Regierung in Wien zeigt beispielhaft die Folgen auf, wenn rechtes Gedankengut im Mainstream angekommen ist: Dann wird fieberhaft gesucht, wer die Zeche übernimmt. Und da der Gedanke des Unsolidarischen integraler Bestandteil jeder rechten Ideologie ist, wird in Österreich dieser Tage das Zechprellen zum neuen Volkssport ausgerufen.

Kommentar: Wie Medien sich die Welt schön und schlecht zugleich schreiben

Als Anfang der Nullerjahre erstmals eine Koalition aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ antrat, zeigte sich Europa entsetzt. Es gab gar EU-Sanktionen gegen das Bündnis Wolfgang Schüssel & Jörg Haider, was erstens nichts brachte und zweitens auch undemokratisch war, da diese Koalition den Wählerwillen ebenso spiegelte wie die heutige. Nur etwas mehr entsetzt könnte man in Europa nun schon sein. In Österreich werden als erste jene jammern, die das Pech haben, in eine Minderheit eingruppiert werden zu können. Sie zahlen die Zeche für das Rechts aus dem Mainstream.

Ätsch und Bätsch

Da sind zum Beispiel die Frauen. Zwar will die Regierung eine Mindestrente von 1200 Euro einführen, aber dies nach 40 Betriebsjahren. Männer erreichen diese Anzahl viel eher als Frauen, aus den bekannten diskriminierenden Gründen. Und Frauen werden somit stillschweigend aus den Reformen ausgeschlossen.

Oder die Studierenden, die sollen nun Gebühren für den Besuch der Universitäten zahlen. Wer jung und gebildet ist, wählt eher nicht rechts. Ätsch! Das haben die rotzigen Akademiker nun davon.

Arbeitslose haben auch weniger zu lachen haben, ihre Bezüge sollen ab einer gewissen Dauer gesenkt werden. Insgesamt strebt die Regierung eine „Flexibilisierung“ der Arbeitszeiten an – was vor allem Inhaber von Teilzeitstellen treffen wird, womit wir wieder bei den Frauen sind, die eher solchen Jobmodellen nachgehen. Es wird jetzt mehr „zumutbar“ sein, etwa bei den Hin- und Rückfahrten.

Protest gegen die Vereidigung der ÖVP-FPÖ-Regierung (Bild: Reuters)
Protest gegen die Vereidigung der ÖVP-FPÖ-Regierung (Bild: Reuters)

Geflüchtete kommen vorerst gar nicht theoretisch in die Versuchung, ÖVP und FPÖ zu wählen, bei denen gilt also keinerlei Rücksicht. Wer einen Asylantrag im Alpenland stellt, soll erstmal all sein Bargeld abgeben. Früher nannte man das Wegelagerei, eine Tradition von Straßenräubern, welche nun vom Staat übernommen wird: Für sein Recht muss man also zahlen, wenn man kein waschechter Österreicher ist.

Die Handys sollen auch gleich für eine gewisse Zeit abgegeben werden, zur Datenanalyse. Und die Grundsicherung für Asylberechtigte soll gesenkt werden, während Asylbewerber nur Sachleistungen kriegen werden, bloß nicht allzu wohl sollen die sich fühlen.

Kommentar: Verbrennen von Fahnen – Sowas macht der feine Antisemit nicht

Ausländer generell, auch keine klassische Zielgruppe beider Parteien, sollen weniger Rechte erhalten: In den ersten fünf Jahren werden sie von vielen Sozialleistungen ausgeschlossen, die Sozialhilfe wird gedeckelt.

Es gibt nur eine Minderheit, die von der neuen Regierung gutes erwarten kann: Das Rauchverbot soll gekippt werden.

Wer setzt sich durch?

Was also ÖVP und FPÖ anbieten, ist ein echtes Retro. Eigentlich geht es Österreich gut, die Einkommen sind stabil. Aber da ist diese Angst, abgeben zu müssen. Missgunst und Neid sind negative Wörter, da verkauft man diese schlechten Eigenschaften besser als Realitätssinn.

Der mit 31 Jahren noch recht junge Kanzler Sebastian Kurz bewies bisher nur seinen Machthunger. Bei seinem Weg nach oben teilte er hin und wieder gegen andere aus, wenn es ihm nutzte. Eine andere Programmatik als pseudohafte Modernität gibt es bisher nicht. Beim Partner FPÖ ist dies anders, da haben viele Kader eine genaue Vorstellung von ihrem Reich. Mal sehen, ob Kurz diese Geister, die er rief, auch wieder loswird.