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Kommentar: Beim G7-Gipfel in Elmau macht Bayern wieder Spaß

Die Mächtigen des Planeten kommen zum Konferieren nach Bayern – und werden mit Blaskapelle und Schuhplattler begrüßt. Ist das lachhaft? Mitnichten: Es bringt ein wenig Ruhe in eine nervöse Welt. Sind wir nicht alle ein bisschen Bayern?

Schön ist es in Bayern: Die Teilnehmer des G7-gipfels in Elmau vor Alpenkulisse (Bild: REUTERS/Jonathan Ernst)
Schön ist es in Bayern: Die Teilnehmer des G7-Gipfels in Elmau vor Alpenkulisse (Bild: REUTERS/Jonathan Ernst)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Natürlich lachen jetzt alle über Markus Söder. Bayerns Ministerpräsident sehnt sich nach Größe, da zieht er alle Register. Der Gipfel der Gruppe der sieben wirtschaftsstärksten Staaten im bayerischen Schloss Elmau kam ihm gerade recht: Endlich kann er sich und seinen Freistaat inszenieren.

Und wie er das tut.

Die Staats- und Regierungschefs der G7 staunten nicht schlecht, als sie aus ihren Flugzeugen stiegen: Da strengte sich eine wackere Blaskapelle gegen den Fluglärm an, Mädchen und Jungen in Trachten. Erwachsene in Trachten. Selbst Söder im Janker. Wer zum ersten Mal nach Deutschland kam, musste denken: So sehen sie aus, die Deutschen. Oder um es mit Obelix zu sagen: Die spinnen, die Goten.

Aber halt: Genau dieses Sprachbild beschreibt passend, warum diese ganze Wohlfühl-Folklore vor Alpenpanorama guttat: Die Schuhplattler-Tänze, das Jodeln und all die in die Höh gereckten Gamsbärte bilden zwar ein einziges Klischee, aber ein sympathisches. Im Asterix-Comic, das in Deutschland spielt, tragen übrigens alle "Goten" Pickelhauben und marschieren militarisiert daher. Da sind mir die Schuhplattler lieber.

Zünftig ist in

Dennoch macht sich die halbe Medienwelt nun über Söder lustig. Er schenkt den Staatspräsidenten einen Wanderrucksack, gefüllt mit Käse, Wurst und Lebkuchenherz? Warum nicht? Sollte es eher eine Rolex sein, die eh in der Versteckkammer für Staatsgeschenke landet? Solch ein Rucksack ist kein Ausweis von Mickrigkeit, sondern nett und praktisch. Für Staatenlenker kann es schließlich gern mal eine Nummer kleiner sein, nur sollte der Rucksack nicht, wie die bayerische Staatsregierung es tut, für einen "exklusiven Kreis" gedacht angepriesen werden. Immerhin hat die zu hunderten angereiste Journaille vor fünf Jahren beim G7-Gipfel in Elmau ebenfalls einen Rucksack geschenkt gekriegt. Der war zwar nicht so fein bezogen, aber dafür größer und unheimlich angenehm zu tragen. Wir Journalisten dürfen uns also in der Hochachtung der bayerischen Politik als auf der Höhe von Staatspräsidenten betrachten!

Brauchtum ist auch ein Teil von Diversität

Die Folklore rund um den Gipfel wirkt wie aus einer anderen Welt. Die Bilder erinnern an die Kinderromane von Erich Kästner, und die "taz" titelte schlagfertig: "Endlich indigene Völker beim G7-Gipfel". Nur vordergründig steckt darin Häme. Auf dem zweiten Blick offenbaren die Szenen, dass Tradition nicht nur harmlos wirken kann, sondern als Labsal für die Seele.

Wenn es nämlich eine Botschaft gibt, die von diesem Gipfel ausgeht, dann dass die Welt doch keine voller dampfgetriebener und zentral gesteuerter Nationalautokratien ist, sondern bunt. Der Multilateralismus ist nicht tot. Die erfolgreichen Versuche, ein Auskommen miteinander zu finden, sind immer noch die besten. So gesehen hat Söder alles richtig gemacht. Den Spott kann er wegjodeln (lassen).

Im Video: G7-Gipfel: Unterstützung für Kiew und neue Sanktionen gegen Moskau