Kommentar: Belarus steckt den olympischen Geist in die Flasche

Das ist der eigentliche Anfang: Die Weitergabe des olympischen Feuers in Griechenland für die Ausrichter aktueller Spiele. Doch was ist vom Geist geblieben? (Bild: REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Das ist der eigentliche Anfang: Die Weitergabe des olympischen Feuers in Griechenland für die Ausrichter aktueller Spiele. Doch was ist vom Geist geblieben? (Bild: REUTERS/Alkis Konstantinidis)

Die Diktatur in Minsk verfährt bei den Olympischen Spielen, wie es sich für Regime gehört: nach Gutsherrenart. Das passt zum Verhalten der Sportfunktionäre. Aber es ruiniert die Olympischen Spiele endgültig.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Gerade kam man doch in Olympialaune, trotz leerer Ränge und all den klingelnden Kassen der Funktionäre, da legte eine kurze Szene am Flughafen von Tokio die Spiele auseinander. Jedenfalls, wie sie organisiert sind.

Die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja hielt einen Polizisten an und bat um Hilfe. Was war passiert? Nach ihren eigenen Angaben war sie in Begleitung von Vertretern des belarussischen Olympischen Komitees gewesen, die sie zwangsweise in ein Flugzeug nachhause stecken wollten – weil sie ihren Trainer kritisiert hatte. Denn der wollte die 200-Meter-Sprinterin in der 400-Meter-Staffel starten lassen, weil nicht genügend Läuferinnen zusammenkamen. Kritik aber ist in einem Regime unerwünscht, daher die Strafaktion, die dann schiefging.

Sport als Sklave

Das Nationale Olympische Komitee von Belarus ist fest in der Hand des Diktators Alexander Lukaschenko, der Anfang des Jahres nach 23 Jahren Regentschaft über das NOK einfach an seinen Sohn Viktor übergab. Spuren Sportler, die im Nebenberuf Bürger sind, nicht, dann Wehe ihnen. Und die belarussischen Funktionäre in Japan werden sich gedacht haben: Machen wir wie immer. Nur machten sie nicht die Rechnung nicht mit der Courage von Kristina Timanowskaja. Denn die rettete sich in die Obhut japanischer Behörden und wird ihr Heimatland so schnell nicht wiedersehen.

Nun hat zwar das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Untersuchung des Falles angestrengt. Aber herauskommen wird nur warme Luft. Denn das IOC regiert wie Lukaschenko. Transparenz ist ihm zuwider. Und Autokraten findet es dufte.

In den vergangenen Jahren haben sich internationale sportliche Großereignisse zunehmend zu Ländern verschoben, in denen die politische Freiheit wenig zählt. Die Kalkulation ist schlicht: Auf der einen Seite stehen Autokraten, die ihr mieses Image durch Sport aufpolieren wollen. Auch müssen sie einschneidende Projekte wie Olympische Spiele nicht vor den Bürgern rechtfertigen, während die Megaevents in demokratischen Ländern schwerer überzeugen.

Und auf der anderen Seite stehen Verbände wie das IOC oder die FIFA, für die nicht nur die Show weitergehen muss, sondern auch die Kasse weiterklingeln soll. Denn vom Sportsgeist ist in diesen Riegen nichts mehr übrig: Den Funktionären geht es nur ums Verwalten der riesigen Geldmaschine, von der sie persönlich profitieren. Die Olympischen Spiele in Japan wurden trotz Corona durchgezogen, weil die Sponsoren mit Unsummen gelockt hatten. Und weil das IOC alles andere als demokratisch organisiert ist; die Mitglieder werden nicht gewählt, sondern ernannt. Eine Clique alter Männer hat sich dort festgesetzt. Einfach nur unschön anzuschauen.

Zeit für einen Wechsel

Diese absurde Show hat nun der Fall Timanowskaja ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Denn was wäre geschehen, hätten diese Sommerspiele in Russland, in China oder in Qatar stattgefunden? Timanowskaja würde man durch den Flughafen an den Haaren schleifen, und niemand nähme Notiz.

Die Liaison des Sports mit Autokraten hat ihn vergiftet. Tot ist er noch lange nicht. Aber er muss rasch in die Klinik, auf Entzug.

Video: Belarussische Sportlerin Timanowskaja in Wien gelandet