Kommentar von Carsten Fiedler - Deutschland wird „Risikoland“ - Solingen sendet eine unmissverständliche Botschaft
Beim Thema Innere Sicherheit und Bedrohung durch den Islamismus muss nach Solingen endlich Schluss sein mit Sprechblasen und einem bloßen Gerede von der wehrhaften Demokratie. Die Botschaft von Solingen ist klar und unmissverständlich. Wann wird sie in Berlin gehört?
Nach dem schrecklichen Messer-Anschlag von Solingen war sie wieder da, die ritualisierte Polit-Trauer. Und in einem Punkt haben sie alle Recht, von Kanzler Olaf Scholz (SPD) bis Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bis zu NRW-Landeschef Hendrik Wüst (CDU): Der Schmerz und der Schock, die Trauer um die Angehörigen und das Leid der Schwerverletzen sind schier unermesslich.
Es ist darum gut und richtig, wenn zuständige Spitzenpolitiker und Amtsträger zum Tatort eilen und ihr Beileid ausdrücken. Aber nach dem barbarischen Terror-Akt von Solingen, bei dem drei Menschen durch das Messer eines Islamisten starben und acht weitere schwer verletzt wurden, gilt auch: Bekundungen des Mitgefühls und die üblichen Strafandrohungen bis hin zu „Gemeinsam gegen den Hass“-Floskeln – sie reichen nicht mehr aus.
Eine Kurswende in der Sicherheits- und in der Migrationspolitik
Beim Thema Innere Sicherheit und Bedrohung durch den Islamismus muss nach Solingen endlich Schluss sein mit Sprechblasen und einem bloßen Gerede von der wehrhaften Demokratie. Sowohl in der Sicherheits- als auch in der Migrationspolitik muss es eine Kurswende, eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern geben. Das Land braucht eine ehrliche Diskussion über das Islamismus- und Gewaltpotenzial unter Geflüchteten. Mit Islamphobie, Rassismus oder Hetze hat das nichts zu tun.
Denn: Bleibt es bei markigen Worten, die sich als leere Versprechungen entpuppen, bedeutet das weiteren Auftrieb für diejenigen, die unserer Demokratie schon jetzt Handlungsunfähigkeit zuschreiben und sie zerstören wollen. Schon jetzt steht etwa zu erwarten, dass das Messer-Attentat von Solingen die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am kommenden Sonntag noch zusätzlich beflügeln könnte.
Das Staatsversagen von Solingen, so muss man es leider benennen, ist erschütternd und eigentlich unfassbar. Der mutmaßliche Täter, Issa Al Hassan, sollte schon Anfang 2023 abgeschoben werden. Doch dann tauchte der 26-jährige Syrer unter und erst sechs Monate später wieder auf. Als er sich wieder bei den Behörden meldete, wurde er in der Flüchtlingsunterkunft in der Solinger Innenstadt untergebracht.
Wie erklärt man den Angehörigen, dass der Täter gar nicht mehr hier sein durfte?
Wie erklärt man den Angehörigen, dass der Täter, der ihre Liebsten barbarisch aus dem Leben riss, eigentlich gar nicht mehr hier sein durfte? Wie kann es sein, dass das geltende Aufenthaltsrecht solche Schlupflöcher für gewaltbereite Islamisten zulässt?
Nach Solingen muss es einen breiten Konsens dafür geben, diese Gesetzeslücken schnell zu schließen. Ausreisepflichtige Straftäter sollten zum Beispiel endlich in zeitlich unbegrenzten Abschiebegewahrsam genommen werden. Bitte kein weiteres Ampel-Gehampel mehr um das Thema Abschiebungen – sondern eine konsequente und schnelle Anpassung des Aufenthaltsrechts.
Doch das reicht längst nicht aus. Deutschland braucht auch eine deutliche Aufstockung der Sicherheits-Organe und eine bessere Ausrüstung der Beamtinnen und Beamten. Auch wenn das nicht von heute auf morgen funktioniert: Die Polizei-Präsenz in der Öffentlichkeit muss erhöht, digitale Fahndungs- und Ermittlungsmöglichkeiten müssen deutlich verbessert werden. Bundespolizei, BKA und Verfassungsschutz müssen überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werden, den Kampf gegen den Islamismus zu priorisieren! Das darf nicht an klammen Staatskassen scheitern.
Deutschland hat sich für viele zu einem „Risikoland“ entwickelt
Noch im Juni gab Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung ein Versprechen ab: „Jeder und jede“ müsse in unserem Land „ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können“. Dieses „zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats setzen wir mit aller Macht durch.“
In den Augen vieler Betrachter hat sich Deutschland jedoch zu einem „Risikoland“ entwickelt. Vor der Fußball-EM gab es Reisewarnungen im Ausland und Berichte über No-Go-Areas. Nach Solingen dürften sich viele Menschen wieder die Frage stellen, wie sicher sie bei großen Veranstaltungen und Versammlungen im öffentlichen Raum sind.
In NRW-Sicherheitskreisen zeigte man sich stolz, dass der Attentäter von Solingen innerhalb von 24 Stunden in Polizeigewahrsam war. Das mag sein. Doch was geschah in den Wochen und Monaten vor dem Anschlag? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, als es auf pro-palästinensischen Demonstrationen hieß, die Intifada werde wieder nach Deutschland getragen? Wie gut waren und sind die Sicherheitsapparate darauf eingestellt, dass der Terror des Islamischen Staates (IS) nun womöglich wieder systematisch in unser Land zurückkehrt?
Gerade die Städte Solingen, Wuppertal und Bonn galten in NRW lange als Hochburgen des Salafismus – was wurde getan, um diese islamistischen Strukturen zu zerschlagen? Fragen, die NRW-Ministerpräsident Wüst und sein Innenminister Herbert Reul nach Solingen werden beantworten müssen.
Die Botschaft von Solingen: Es geht um die Stabilität unserer Demokratie
Die konsequente Bekämpfung des Islamismus muss nach Solingen endlich priorisiert werden. Die Aufrechterhaltung von Grenzkontrollen ist dabei ein zentraler Baustein im Kampf gegen das Einsickern von radikalen Islamisten. Und natürlich geht es auch um bessere Integrationskonzepte! Aber eben auch um bessere Werkzeuge gegen islamistische Strukturen und Propaganda in den sozialen Medien, die viele Jugendliche infiltriert. Der Nahost-Experte Ahmad Mansour warnt bereits vor einer „globalen Intifada“ und einer „unfassbaren Emotionalisierung“ junger Leute.
Solingen ist kein Einzelfall. Auch der Polizistenmörder in Mannheim handelte aus islamistischen Motiven. Und zur Erinnerung: Ein Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen konnte erst im allerletzten Moment verhindert werden.
Wer das relativiert, sich nur in hilflosen Phrasen ergeht und keinen Anlass zum schnellen Gegensteuern sieht, hat nicht verstanden, worum es geht: um die Sicherheit der Bürger vor Terror und Gewalt als eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Es geht um die Stabilität unserer Demokratie. Das ist die Botschaft von Solingen.