Kommentar: Das steckt hinter den Raketenangriffen in Syrien

Explosionen nach dem Angriff bei Hama (Bild: Abody Ahfad Khaled via Reuters)
Explosionen nach dem Angriff bei Hama (Bild: Abody Ahfad Khaled via Reuters)

Armeestellungen wurden in Syrien bei einem Angriff durch eine unbekannte Macht heftig getroffen – möglicherweise hat hier Israel gegen den Iran interveniert. Warum eine Verurteilung zu kurz gedacht wäre.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Noch gibt es keinen Aufschrei über die jüngsten Raketenangriffe in Syrien. Bevor aber der Chor der Salonpazifisten loslegt, hier ein paar Bemerkungen: Am Sonntagabend wurden in Syrien Militärstellungen bombardiert, und zwar bei Aleppo und bei Hama. Die Wucht der Detonationen war sehr heftig, es muss große Explosionen vor Ort gegeben haben, teilweise erreichten sie die Intensität von Mini-Erbeben. Viele Menschen müssen gestorben sein.

Jede Bombe, die auf Syrien fällt, ist eine zu viel. Darin stimme ich mit den Salonpazifisten grundsätzlich überein, die ich deswegen so nenne, weil sie den Pazifismus nur gegenüber dem so genannten Westen predigen, also erzürnt über die USA oder Nato schimpfen und zu den Kriegsverbrechen des Assad-Regimes, Russlands und Irans in Syrien schweigen. Diese Art von Dualismus entsteht am besten in Salons, wo man sich für besonders clever hält und meint, die Welt verstanden zu haben.

Syrien als regionaler Spielplatz

Auf den ersten Blick werden die Raketenangriffe von Sonntagabend nur Leid gebracht haben, Positives ist darin schwer zu entdecken. Es zeigt vielmehr, was aus Syrien geworden ist: Aus dem Schauplatz eines Bürgerkriegs, in dem sich die Uneinigkeit des Volkes über seine Politik ausdrückte, wurde nun auch ein Spielplatz regionaler Akteure. Denn diese jüngsten Raketenangriffe werden eine Lösung des Bürgerkrieges keinen Millimeter näher bringen, darum ging es ihnen auch nicht.

Bei den Angriffen starben vornehmlich Iraner, heißt es. Offenbar sind Stellungen iranischer Soldaten getroffen worden, die auf Seiten des syrischen Diktators Assad kämpfen. Und vermutlich handelt sich um Waffendepots, die getroffen wurden. Was wurde dort aufbewahrt?

In der Vergangenheit wurde klar, dass die Regierung in Teheran in Syrien nicht nur den Machterhalt ihres Alliierten in Damaskus anstrebt, sondern auch die eigene Vormacht auszubauen trachtet. Man will sich festsetzen. Die Motive mögen vielschichtig sein, es kann mit einer Art Poker verglichen werden, in dem ein stärkeres Blatt zu größeren Zugeständnissen von Rivalen führen kann. Basis dieses Spiels der Stärke ist aber eine Bedrohung, die erst einmal hergestellt werden muss – und diese zielt ab auf Israel. Der Iran versucht in Syrien Raketenstellungen aufzubauen, für große Raketen, die jeden Quadratmeter in Israel treffen könnten.

Um klarzustellen: In israelischer Außenpolitik gegenüber den Nachbarn Gutes zu entdecken, fällt schwer. Iran zum Beispiel wird seit Jahren von israelischen Politikern dämonisiert. Und der Atomwaffenvertrag, der noch unter US-Präsident Barack Obama ausgehandelt wurde, ist das beste, was der Region passieren konnte. In Teheran wüten keine fanatischen Irrationalisten und Endzeitfreaks, die nur allzu gern losballern. Das ist die eine Wahrheit.

Die andere Wahrheit ist, dass von Iran auch nicht tolerierbare Drohungen gegen Israel ausgehen. Gegen das Land, gegen die Menschen, gegen alles. Hier ein Beispiel der letzten Tage: Hossein Salami, Vize-Kommandeur der Revolutionsgarden, also keine kleine Nummer, tönte auf Twitter, Israel lebe “im Mund des Drachens”. “Wo immer du im besetzten Land bist, du wirst unter unserem Feuer sein, von Ost und von West. Du bist arrogant geworden. Wenn es einen Krieg geben sollte, wird das Ergebnis deine komplette Zerstörung sein”, haute er in die Tasten; nachbarschaftlich klang das nicht gerade. “Deine Soldaten und Zivilisten werden fliehen, und du wirst nicht überleben. Und du kannst nirgendwohin rennen, außer ins Meer zu fallen.”

Die positiven Folgen der Angriffe

Als ich diese Zeilen las, war ich entsetzt. Salami bedient sich der klassischen antisemitischen Klaviatur übelster Sorte, indem er so tut, als wäre Israel das kapitalistische Projekt einiger weniger kolonialer Spinner – und nicht ein Land. Eine Gesellschaft. Ein Nachbar. Natürlich tönte er womöglich in einem Racheton, weil höchstwahrscheinlich israelische Luftangriffe in den Vortagen in Syrien iranische Soldaten zum Ziel gehabt hatten. Dennoch würden mich, würde ich in Tel Aviv wohnen, Salamis Worte beunruhigen. Schließlich würde er, beim Wort genommen, meinen Tod wollen, nur weil ich wohnte, wo ich wohnte.

Entsetzt hatte mich auch, dass ich in Deutschland keine empörten Reaktionen auf die miesen Tweets dieses Militärs hörte. Hat man sich daran gewöhnt, dass solche Drohungen gegen ein befreundetes Land ausgesprochen werden?

Nun also zu den Raketenangriffen vom Sonntagabend. Es kann vermutet werden, dass sie vom israelischen Militär ausgeführt worden sind. Zum Ziel werden sie iranische Stellungen gehabt haben, in denen große und mächtige Raketen in Position gebracht worden sind oder werden sollten; Waffen, die in erster Linie nach Israel weisen.

Jede Bombe in diesem Krieg ist eine zu viel – das ist richtig und dennoch manchmal zu einfach. Denn andererseits fehlt es mir an Fantasie, eine andere Lösung für die Vernichtung von Waffen zu finden, jedenfalls keine schnelle. Wladimir Putin und die iranische Führung sind letztendlich auf dem Verhandlungswege dazu zu bewegen, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Bisher tun sie das nicht, sie gehen den Weg der militärischen Brutalität.

Auf diesem Weg sind am Sonntagabend wieder Menschen gestorben. Eine andere Folge aber ist auch, dass Bürger beruhigter schlafen können, nämlich in Israel. Dass daraus Konflikt ein größerer Flächenbrand wird, ist nicht wahrscheinlich. Die regionalen Player in Syrien sollten dennoch endlich anfangen, noch einmal in ihre Karten zu schauen und zu überlegen, ob sie noch anderes als militärische Joker in ihrem Blatt haben. Gelitten wurde genug.