Kommentar: Das Verhandlungsgequatsche im Ukrainekrieg geht am Kern vorbei

Ein ukrainischer Arzt in einem OP-Saal nahe der Front (Bild: REUTERS/Marko Djurica)
Ein ukrainischer Arzt in einem OP-Saal nahe der Front (Bild: REUTERS/Marko Djurica)

Immer wieder hört man die Forderung: Nun müsse beim Krieg Russlands gegen die Ukraine verhandelt werden. Wer findet das nicht? Und was, wenn Russland einfach weitermacht wie bisher? Darauf suchen die Beschwörer des Wortes keine Antwort.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine halbe Million Menschen haben das so genannte „Manifest für den Frieden“ unterschrieben. Der Tenor dieses Schreibens ist die Mutmaßung, man würde sich zu wenig um eine friedliche Beilegung des Ukrainekrieges kümmern. Das ist eine Unterstellung.

Gerne wird von Unterstützern dieses Manifests behauptet, sie würden als naiv oder unmoralisch diffamiert. Gleichzeitig beschreiben sie Befürworter einer militärischen Unterstützung der angegriffenen Ukraine als „scharf geladene Zeigefinger“, wie es etwa der renommierte Autor Heribert Prantl tut. Klar, „Putin-Knecht“ ist eine sehr unfaire und falsche Bezeichnung, die leider allzu oft bemüht wird. Aber aus all diesen Forderungen nach Verhandlungen werde ich nicht schlau.

Zum einen wird so getan, als würden viele wegen einer gewissen Kriegsgeilheit die Chance vorbeiziehen lassen, die Weichen für eine friedliche Lösung zu stellen. Hab mich grad vor den Spiegel gestellt. Hab keinen Geifer rund um den Mund festgestellt.

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Und es ist nicht so, dass nicht geredet würde. Natürlich hat die Ukraine quasi per Dekret festgestellt, nicht mit Russland zu verhandeln, solange Territorien von ihr besetzt sind: Zum einen braucht die Regierung dies, um ihrer Bevölkerung die nötige Festigkeit in einem Ausnahmezustand zu vermitteln, und zum anderen ist nichts in Stein gemeißelt; sofort würde man hinter den Kulissen verhandeln, wenn darin ein Sinn bestünde. Und das wird es hoffentlich bald.

Jawoll, lasst uns reden

Auch ist es nur zu begrüßen, dass China einen Plan vorstellen will, wie der Krieg beendet werden könnte. Zwar ist die Hoffnung nicht allzu groß, denn chinesische Außenpolitik kannte bisher nur die eigene Größe und keine Moral, entsprechend hat Peking Moskau bisher den Rücken freigehalten – aber man darf gespannt sein. China ist jedenfalls ein mächtiger Player, der im Kreml etwas bewirken könnte. Und dass die UN in eine Moderationsrolle gezogen werden, ist ein guter Vorschlag. Die Lieferungen von Leopard-Panzern werden dies nicht verhindern.

Und damit sind wir am Kern angelangt, vor dem meiner Meinung nach viele Friedensunterschreiber die Augen verschließen: Denn sie fordern nicht nur Verhandlungen oder das Herbeiverhandeln von Verhandlungen (was auch immer, das hilft), sondern auch ein Ende von Waffenlieferungen.

Alles hat eine Konsequenz

Dabei wird nicht ausgesprochen: Wer jetzt der sich nur verteidigenden Ukraine nicht militärisch hilft, fördert den russischen Sieg. Und dann hat Wladimir Putin, den man immer noch einen Lügenverbrecher zu nennen hat, noch weniger Gründe, sich an einen Verhandlungstisch zu setzen. Das verschweigen aber viele Befürworter dieses „Manifests“. Die Frage nach dem warum drängt sich auf. Dabei ist doch nur eins und eins zusammenzuzählen. Und jede Wirkung hat eine Ursache.

In der Zwischenzeit kann China seinen Plan ankündigen. Und hin und wieder ruft auch ein Staatschef bei Putin an und – verhandelt. Leider bisher ohne Erfolg. Und an der Ukraine liegt es nicht.

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Je länger dieser Krieg dauert, desto stärker wird die Tendenz, beide Kriegsparteien so zu kritisieren, dass sie gleichwertig in ihren Aktionen dastehen. Das aber ist das Kalkül des Kremls. Putin weiß, dass er ein Kriegsverbrecher ist. Und da er wenig Lust auf einen längeren Aufenthalt in Den Haag beim Internationalen Gerichtshof verspürt, versucht er, seine Spuren zu verschleiern.

Es bleibt dabei: Dieses „Manifest“ ist wohlfeil. Es mag Manchen darin bestärken, sich und die pazifistische Grundeinstellung toll zu finden. Nur lösungsorientiert ist das nicht.