Kommentar: Das waren die Yahoo-Politskandale des Jahres 2022

Fehltritte von Politikern gab es in diesem Jahr einige. Einige waren zum Lachen, die meisten zum Weinen. Hier ein Best of aus der Reihe „Nobody is perfect“.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Grüßen kann er: Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson am Londoner Flughafen Gatwick im Oktober (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)
Grüßen kann er: Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson am Londoner Flughafen Gatwick im Oktober (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)

An Herausforderungen findet ein Politiker schon einige. So viele Interessengruppen, äußere Zwänge, die Verantwortung. Doch bei manchen Fettnäpfchen fragt man sich schon, warum sie zielsicher angesteuert werden. Aber dafür gibt es ja die Demokratie – zum Verzeihen und zum Abstrafen. Diese Politiker müssen jedenfalls vor der Öffentlichkeit geradestehen – oder sie sind schon längst weg:

11. Januar: Das Partygate des Boris Johnson

Großbritannien lag wie andere Länder im Jahr 2020 im Lockdown. Doch Einige sind offenbar anders als andere. Jedenfalls meinten Bedienstete in der Downing Street, in etwa das britische Kanzleramt, dass all die Einschränkungen nicht für sie zu gelten hätten. Eine knapp zwei Jahre später veröffentlichte Mail, nämlich am 11. Januar dieses Jahres, dokumentiert die Ausmaße im Hause Johnson: „Es geht um 18 Uhr los, bringt Euren eigenen Alkohol mit" – mit dieser Mail lud der Büroleiter des Premierministers etwa hundert Mitarbeiter zu einer Party ein; damals durften sich zwei Leute draußen treffen. Im Nachgang leugnete Johnson, gab dann sein feuchtfröhliches Mitfeiern zu , lavierte weiter und trat mittlerweile zurück. Sein Unrechtsbewusstsein währte kurz. Weil seine Nachfolgerin Liz Truss eine Menge Verdruss erzeugte und nur sechs Wochen lang amtierte, liebäugelte Johnson mit einem Comeback, was die Partei seiner konservativen Tories ihm vorerst verwehrte.

28. März: Eine oscarreife Ohrfeige

Auch Gewalt kann politisch sein – diese war es, weil sie sich im Rampenlicht entlud: Bei der Verleihung der weltweit wichtigsten Filmpreise, der „Oscars“, lief Schauspieler Will Smith wutentbrannt auf die Bühne und haute seinem Kollegen Chris Rock eine runter. Der Grund: Rock hatte in einer Moderation über den kahlgeschorenen Kopf von Smiths Frau Jada Pinkett gewitzelt. Nach der Ohrfeige rief Smith von seinem Sitz aus: „Lass den Namen meiner Frau aus Deinem verdammten Mund!“ Jada Pinkett Smith ist an Alopecia Areata, kreisrundem Haarausfall, erkrankt. Klar, der „Witz“ war geschmacklos wie die meisten Jokes auf Kosten anderer Leute. Mit seiner Gewalt aber half Smith keinem. Schlechtes Vorbild, Selbstenthüllung als Machogrobian – für Smith hätte der Abend besser laufen können.

7. April: Versagen im Schatten der Flut

Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 hat tiefe Wunden geschlagen. Politik war damals in der Pflicht und hat viele Fehler gemacht. Am 7. April 2022 schließlich trat die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) zurück, nachdem sie Falschaussagen zu ihrem Mallorcaurlaub zugegeben hatte. Wenige Tage nach der Flut hatte sie sich mit mehreren Kabinettsmitgliedern getroffen, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern. Krisenmanagement einer Naturkatastrophe macht man aber nicht im Homeoffice, da muss man raus. Ebenfalls ihren Hut nahm Anne Spiegel (Grüne), in Rheinland-Pfalz zur Zeit der Flut ebenfalls Umweltministerin war und später zur Bundesfamilienministerin aufgestiegen war. Kurz nach der Katastrophe war sie mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren. Wegen schlechten Managements in den ersten Stunden der Katastrophen ist dann später im Oktober auch Roger Lewentz (SPD), der rheinland-pfälzische Innenminister zurückgetreten.

8. Mai: Herumdoktern bei der CSU

Meinen Sie, man kann über dieses Thema eine Doktorarbeit schreiben: „Der Einfluss der CSU auf die Westpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1954-1969 im Hinblick auf die Beziehungen zu Frankreich und den USA“ – das klingt mehr wie etwas fürs Grundstudium. Aber in der CSU sind sie bekannt dafür, dass Dissertationen über den eigenen Laden geschrieben werden, die erwartungsgemäß in den Arbeiten glorreich abschneidet, jedenfalls raffinierter und inhaltsreiche als die Doktorschriften selbst. Die sind meist mehr Schmalspur. Aber ein Doktortitel gehört eben zur Karriere dazu, der muss dann irgendwie her. Am 8. Mai erwischte es den frisch gekürten CSU-Generalsekretär Marcel Huber, der eine Arbeit unter dem obigen Titel früher eingereicht hatte und damit promovierte. Da kam heraus, dass er an einigen Stellen falsche oder keine Quellenangaben gemacht hatte. Die Uni prüfte die Vorwürfe und kam zum Schluss, dass der Titel nicht hätte vergeben werden dürfen. Seitdem verzichtet Huber auf ihn.

7. Juli: Der Fundfunk-Schlamassel

An diesem Tag setzte der RBB eine merkwürdigen Untersuchung an: nämlich über seine Intendantin Patricia Schlesinger. Es ging um ihre Gehaltserhöhung, um komische Boni für Führungskräfte, um Spesenabrechnungen – die Spitze des Senders genehmigte sich Gelder, die alles andere als gerechtfertigt waren. Ausnutzen eine Bubble und das mit Steuergeldern. Schlesinger musste gehen und der Sender ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen.

8. August: Steuerspiele in der Hansestadt

Ein hoher Bargeldfund beim ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, Ungereimtheiten bei der „Cum-Ex“-Affäre: Bis heute ist nicht klar, wer in Hamburg alles davon wusste, dass die Finanzbehörde der Warburg-Bank Steuerschulden erlassen wollte; der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich jedenfalls an Gespräche mit den Gesellschaftern der Bank nicht erinnern. Er war damals Erster Bürgermeister. Ausgang: völlig offen.

9. August: Immer wieder Ärger mit Donald

Das wird ihm nicht gefallen haben: Ex-US-Präsident Donald Trump beklagte sich online: „Mein wunderschönes Zuhause, Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer großen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt.“ Es sei „sogar“ sein Safe geöffnet worden. Der Vorwurf: Trump hatte Akten aus dem Weißen Haus mitgenommen, die er nicht hätte mitnehmen dürfen. Aber ein Trump darf schließlich alles. Meint Trump.

11. November: Ein Bürgermeister wird aus dem Amt getragen

Er klebte wirklich an seinem Stuhl. Die Affäre um Peter Feldmann, den Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, zig sich über zig Monate hin. Am Ende wollten ihn alle nicht: Korruptionsvorwürfe, Sexismusvorwürfe, unpassende Auftritte – der Sozialdemokrat hatte sich einiges geleistet, da wollte ihn selbst die SPD loswerden. Doch der weigerte sich. Schließlich musste ein Bürgerentscheid her. 95,1 Prozent sagten, er solle gehen. Das war eine Eintracht Frankfurts.

9. Dezember: Korruptionsskandal im Europäischen Parlament

Ein „Gate“ beendet dieses Jahr: das Qatar-Gate. Damit ist nicht die Fußball-WM gemeint, über deren politische Fehlleistungen schon genügend geschrieben worden ist. An jenem Tag wurde eine Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments festgenommen. Der griechischen Abgeordneten Eva Kaili wird vorgeworfen, von Qatar und von Marokko Schmiergelder angenommen zu haben. Das Motiv: Die Staaten in einem besseren Licht dastehen zu lassen. Kaili und die jeweiligen Regierungen streiten ab; aber Geld wurde haufenweise gefunden.

Im Video: Razzia in Trump-Anwesen in Florida: FBI durchsucht Mar-a-Lago