Kommentar: Der Boykottaufruf gegen den ESC in Israel ist eine Schande

Netta hat den ESC nach Israel geholt (Bild: AP Photo/Armando Franca)
Netta hat den ESC nach Israel geholt (Bild: AP Photo/Armando Franca)

Der Boykottaufruf zum European Song Contest 2019 in Israel zeigt, wes Geistes Kind viele Künstler und Prominente leider sind.

Am Sonntag sorgte die gegen Israel gerichtete, global agierende Kampagne BDS (“Boycott, Divestment and Sanction”) wieder einmal für Schlagzeilen, als sie im britischen “Guardian” den Boykott des für 2019 in Jerusalem geplanten Eurovision Song Contests forderte. Dank des Siegs von Sängerin Netta richtet Israel nächstes Jahr den populären Gesangswettstreit in Tel Aviv aus; also war absehbar, dass die üblichen Judenhasser wieder aus ihre Löchern kriechen werden.

Skandalös an dem Aufruf war denn auch weniger die Wiederholung bekannter Vorurteile und Angriffe auf die Politik Israels, die sich von den Parolen der Hamas stellenweise kaum unterscheidet. Sondern besonders schändlich liest sich die Unterzeichnerliste von über 140 Kulturschaffenden und Künstlern, die diesen Boykottaufruf mittragen und offen unterstützen. Neben dem Pink-Floyd-Veteran Roger Waters finden sich darunter leider auch namhafte Legenden wie Aki Kaurismäki, Brian Eno oder Julie Christie. Allesamt begnadete Künstler, fürwahr – doch wenn es um unreflektierte, verleumderische Aktionen gegen Israel geht, zeigt sich, wie weit schöpferisches Talent und politischer Sachverstand auseinander gehen können.

Nun muss man berücksichtigen, dass die BDS-Verantwortlichen es mit der Wahrheit zwar nicht so genau nehmen und schon des Öfteren angebliche namhafte Organisationen als angebliche Unterstützer angaben, die sich später davon vehement distanzierten und gegen ihre Vereinnahmung protestierten. So wurden 2016 etwa Greenpeace oder Pax Christi als Unterzeichner einer BDS-Petition geführt, von der sie überhaupt nichts wussten. 2017 forderte BDS diverse bereits engagierte Künstler des Berliner Pop-Kultur-Festivals zur Absage ihrer Teilnahme auf, weil die israelische Regierung angeblich über politischen Einfluss auf das Festivalprogramm ausübe – ebenfalls eine glatte Lüge. Doch die Mitunterzeichner des Boykottaufrufs im “Guardian” sind tatsächlich echt – und es sind Überzeugungstäter.

Es geht um das Judentum an sich

Es ist inzwischen nur noch unerträglich, wie namhafte Prominente, vor allem Musiker und Filmpersönlichkeiten ihre öffentliche Reichweite missbrauchen, um Stimmung gegen Juden zu machen. Denn egal ob es vorgeblich gegen die “Siedlungspolitik” oder die angeblich quasi-faschistische Regierung Netanjahu geht – ihr eigentlicher Feind ist in letzter Konsequenz nicht der Staat Israel, sondern das Judentum als solches.

Antizionismus ist vor allem in westlichen Intellektuellenkreisen oftmals ein dürftiges Feigenblatt für verkappten Judenhass. Auch wenn sie ihre Positionen als “Israelkritik” bezeichnen: Das, was BDS und ähnliche Vereine tagtäglich tun, ist eben gerade keine konstruktive Kritik, sondern der ständig neue Versuch einer Mundtotmachung und nachhaltigen Ausgrenzung. So ist auch der aktuelle Boykottaufruf zu verstehen. Diese Form der “Kritik” stellt das Existenzrecht Israels insgesamt in Frage.

BDS geht weit über bloße Kritik an der israelischen Politik hinaus (Bild: AFP Photo/Robyn Beck)
BDS geht weit über bloße Kritik an der israelischen Politik hinaus (Bild: AFP Photo/Robyn Beck)

Die blinde Solidarität mit einem politischen Phantomkonstrukt namens “Palästina” lässt die BDS-Sympathisanten nach einem Staat rufen, dessen politische Führung und die Mehrheit der Bürger selbst dann, wenn es ihn gäbe, niemals müde würden, Israel weiterhin zu bedrohen und seine Vernichtung zu fordern. Wie blind muss man sein, nicht zu erkennen, dass Israel das einzige funktionierende Gemeinwesen im Nahen Osten ist, wo Grundrechte, Menschenrechte, Religionsfreiheit und demokratische Regeln gewährleistet werden?

Israel hat Vorbildcharakter, doch die notorischen Israel- und Judenhasser drehen den Spieß um und stellen es grotesk verzerrt als faschistisches “Apartheidregime” dar. Israels staatliche Selbstverteidigung, die überlebensnotwendige Abwehr ununterbrochener Terroranschläge und Raketenangriffe durch die Hamas, stellen sie vor der Weltöffentlichkeit als Militärwillkür gegen Unschuldige dar, traurigerweise unterstützt durch hochumstrittene, einseitige UN-Resolutionen.

Schweigen bei Gräueltaten

Was jedoch auffällt: Dieselben Persönlichkeiten, die solche Aktionen wie die des BDS supporten, verstummen regelmäßig, wenn in Gaza durch die Hamas Menschen ermordet werden oder Gräueltaten verübt werden; man hört von ihnen auch nichts zum Syrienkrieg und nichts über die ständigen Menschenrechtsverletzungen auf arabischer Seite.

Es mag sein, dass manche der Boykottunterstützer wohl auch eigene finanzielle Interessen (oder, wie im Fall des britischen Labour-Chefs Jeremy Corbyn, politische Interessen) verfolgen, indem sie die Sympathien vieler im Westen lebender Araber und Muslime gewinnen wollen – sei es als Fans, Käufer oder Wähler. Durch ihr Handeln legitimieren und verstärken sie jedoch fahrlässig antijüdische Ressentiments, die in der arabischen Welt verbreitet und von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

Und diese Ressentiments differenzieren eben nicht zwischen dem “Staat Israel” und “Juden”, sondern sie zielen pauschal auf die Juden als minderwertige Menschengruppe ab. Und mit dieser widerlichen Gesinnung, die Deutschland schon einmal in den Abgrund riss, machen sich die Unterstützer von BDS faktisch gemein – und zwar nicht nur geistig, sondern ganz konkret. Wer zum Boykott eines friedlichen Konzerts der Völker in Jerusalem aufruft, der steht letztlich auf einer Ebene mit der SA und deren Botschaft “Kauft nicht bei Juden!”. Das gibt es nichts zu beschönigen.

Die Doppelmoral der Linken

Gerade viele Linke in Deutschland legen bei diesem Thema eine erstaunliche Schizophrenie an den Tag: Einerseits entrüsten sie sich, wie derzeit in Chemnitz, gegen Rechtsextremismus, gegen Neonazis und die drohende Gefahr eines Wiedererstarkens der NS-Ideologie. Zugleich aber schauen sie weg, wenn etwa beim Al-Quds-Marsch in Berlin Rufe wie “Juden ins Gas” skandiert werden.

Diese Doppelmoral steht in der unguten langjährigen Tradition eines nie aufgearbeiteten linken Antisemitismus, der von der Flugzeugentführung von Entebbe 1976 (als jüdische Passagiere, darunter Holocaust-Überlebende, durch deutsche RAF-Terroristen “selektiert” wurden) über den kulturellen “Austausch” mit sozialistisch-palästinensischen Mörderbanden bis hin zur heutigen “Solidarität mit Gaza” reicht und dabei stets Israel als Alleinschuldigen des Nahostkonflikts identifizierte – obwohl das Land seit dem Moment der Staatsgründung immer wieder von seinen Nachbarn überfallen wurde, und nicht umgekehrt.

Israelische Fans feiern den Sieg Nettas beim ESC 2018 (Bild: AP Photo/Armando Franca)
Israelische Fans feiern den Sieg Nettas beim ESC 2018 (Bild: AP Photo/Armando Franca)

Einziger Lichtblick in der Folge des Medienrummels um den BDS-Boykottaufruf war übrigens der belgische Sänger Helmut Lotti. Hatte auch er anfangs zu den Unterzeichnern des Aufrufs gezählt, so brachten ihn wohl wütende Reaktionen seiner Fans in den sozialen Medien zur Besinnung. Nach kritischer Selbstreflektion widerrief er seine Unterstützung in deutlichen Worten (“nachdem ich erfahren habe, was wirklich hinter dem Aufruf steht, habe ich meine Unterschrift zurückgezogen”). Helmut Lotti hat erkannt, dass es hier um blanken Antisemitismus geht und macht sogleich in seiner Stellungnahme deutlich, wie sehr er Judenhass verachtet.

Es bleibt zu hoffen, dass es ihm weitere Prominente gleichtun und einsehen, welcher schmutzigen Kampagne sie hier ihre Stimme leihen.

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