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Kommentar: Der Flieger von Greenpeace ist ein Widerspruch in sich

Unsanfte Landung vor Nationalspieler Antonio Rüdiger: Ein Gleitschirmflieger musste vorm EM-Spiel Deutschands gegen Frankreich auf den Rasen runter (Bild: REUTERS/Matthias Hangst)
Unsanfte Landung vor Nationalspieler Antonio Rüdiger: Ein Gleitschirmflieger musste vorm EM-Spiel Deutschands gegen Frankreich auf den Rasen runter (Bild: REUTERS/Matthias Hangst)

Vor dem EM-Fußballspiel Deutschland-Frankreich landet im Stadion ein Protestflieger – ungewollt, aber dabei werden Menschen verletzt. Nun kriegt Greenpeace die verdiente Häme. Doch eines lässt nachdenken.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Kurz vorm Spiel kriegten wir meisten TV-Zuschauer nur am Rande mit, was im Münchener Olympiastadion geschah: Plötzlich rumpelte von oben ein Motorflieger mit gelbem Gleitschirm heran und plumpste auf den Rasen. Zwei verdutzte Nationalspieler eilten noch zur Hilfe, dann übernahm zuerst der Platzwart, dann die Polizei. Etwas war mächtig schiefgelaufen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte ihn geschickt. „Kick out Oil“ stand in schwarzen Lettern auf dem Schirm – eine Kritik am Autokonzern Volkswagen, der die Euro2020 mit sponsert und auch noch Hauptsponsor des gerade nicht wohlgelittenen Deutschen Fußballbunds (DFB) ist. Denn VW steht nicht nur für Dieselbetrug, sondern für Abgase allgemein, für die Langsamkeit eines Firmendinos, nicht rechtzeitig auf weniger umweltschädliche Antriebe zu setzen.

Der Plan von Greenpeace war ursprünglich gewesen, dass der Gleitschirmflieger gar nicht landet, sondern einen großen Latexball herabschweben lässt. Doch bei der Aktion verfing sich der Pilot in einem Stahlgehänge und musste unter Not runter. Er streifte dabei über die Zuschauerränge und verletzte zwei Menschen. Welch eine unverantwortliche Pleite.

Von A nach B denken…

Greenpeace, das ist die Gruppe mit den Kletterern. Sie steigen auf Bohrplattformen oder Kraftwerkstürme und gefährden damit – nur sich selbst. Sie steuern auf hoher See in kleinen Schlauchbooten gegen riesige Walfänger und gefährden damit – nur sich selbst. Mit diesen waghalsigen Aktionen schaffen sie Aufmerksamkeit für wichtige und notwendige Themen. Doch gestern in München knallten ihnen wohl schon bei der Planung die Sicherungen durch.

Zum einen kann man bei solch einer Unternehmung im vornherein schlicht nicht ausschließen, dass Unbeteiligte gefährdet werden – allein das hätte für den Papierkorb gereicht. Ein Flieger über Menschen, geht’s noch? Und auch ein riesiger Latexball, der herabschwebt – was, wenn er auf Zuschauern landet, die nicht dafür bezahlt und ihn bestellt haben? Und wenn Greenpeace gegen Öl als Energiemittel zu Recht protestiert, womit wird der Motor angetrieben, den der Gleitschirmflieger hatte?

Die Aktion war ein Widerspruch in sich. Man protestiert nicht gegen unser irrwitziges Verkehrswesen, indem man selbst ein gefährdendes und im Zweifel die Umwelt verpestendes Verkehrsmittel einsetzt. Für sowas ist schon mehr Kreativität vonnöten.

Vielleicht hat Greenpeace unbewusst projiziert, was uns allen in der Zukunft droht: Dass wir nicht nur auf der Straße den Blick nach vorn, hinten, links und rechts kreisen lassen müssen, um nicht überfahren zu werden, sondern auch nach oben. Der Flugverkehr, mit welchen Antrieben auch immer, wird zunehmen.

Das, was gestern im Stadion geschah, passiert uns allen jeden Tag. Die Umwelt-Aktivisten werden daran nicht gedacht haben, aber sie verhielten sich wie ein Autofahrer, der mit erhöhter Geschwindigkeit einen Bürgersteig mit der Straße verwechselt. Macht man nicht.

Das Krokodil aus Wolfsburg

All dies ist Anlass, über unseren Verkehr nachzudenken. Was er mit unserer Luft macht und dadurch mit uns. Was er mit unseren Landschaften macht und dadurch mit uns. Was er an Unfallgefährdungen generiert – und dadurch ganz bestimmt uns direkt angeht.

Da kommt die Reaktion des ursprünglich im Visier stehenden VW-Konzern gerade ungelegen. Die gescholtenen Autobauer vergießen erstmal eine Krokodilsträne, irgendwie mussten sie als Adressaten auf die Greenpeace-Aktion reagieren. Also schrieben sie, Greenpeace habe mit der Protestaktion „Leib und Leben unbeteiligter Zuschauer und Fans eines Fußballspiels in Gefahr gebracht, und es wurden sogar Menschen verletzt.“ Ach nee.

Und dann drifteten sie ab ins verbale Nirwana: VW sei offen für den kritischen und konstruktiven Dialog in Sachen Umwelt und Nachhaltigkeit und bekenne sich klar zum Pariser Klimaabkommen bis 2050. Ja, offen sein und Nebelkerzen werfen, das passte schon immer gut zusammen. Nur muss schleunigst Schluss sein mit Benzin- und Dieselautos. Greenpeace sollte sich dazu ruhig Aktionen ausdenken. Aber bitte andere.

Video: Greenpeace-Aktivist stürzt in Münchner EM-Stadion - zwei Verletzte