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Kommentar: Der Wahnsinn in unseren Städten

Steigende Benzinpreise, schmutzige Luft und jede Menge Unfallnachrichten: Was drei Meldungen über den Wahnsinn sagen, den wir nicht sehen.

Wer kriegt wie viel Platz in unseren Städten? Eine Autoszene in Wien (Bild: REUTERS/Heinz-Peter Bader)
Wer kriegt wie viel Platz in unseren Städten? Eine Autoszene in Wien (Bild: REUTERS/Heinz-Peter Bader)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im Bundestagswahlkampf schaltet die Politik langsam in den zweiten Gang. Und man übt sich in den ersten Aufgeregtheiten – im September kriegen wir ja ein neues Parlament. Da überrascht es nicht, dass die Grünen nun plötzlich kritisch rangenommen werden, weil sie einen Evergreen aus ihrer Proviantkiste holen: die Forderung nach einer Verteuerung der Benzinpreise.

Geht gar nicht, rufen alle anderen Parteien. Der Sprit wird doch sowieso gerade teurer und teurer. Und dann auch noch Bevormundung von oben?

Doch so wahnsinnig klingt dies nicht. Man könnte ruhig darüber nachdenken, was uns der individuelle Motorverkehr wert ist. Und welche Kosten für uns alle dadurch entstehen. Unseren Wahn illustrieren dabei noch zwei andere Meldungen.

Von Rauchschwaden und Enden auf Asphalt

Da ist zum einen heute gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshof. Denn Deutschland wurde verklagt, und zwar von der EU-Kommission. Warum? Brüssel stank es, dass die deutschen Behörden jahrelang aus ihrer Sicht nicht genug getan haben, um den Stickstoffausstoß in Großstädten zu reduzieren. Um es klarer auszudrücken: Die Kommission fand, dass die Regierung tatenlos zuschaut, wie sich Deutsche gegenseitig vergiften. Der Gerichtshof gab heute der Kommission recht und verurteilte Deutschland. Dies bedeutet, dass es bald wieder in einigen Zonen Dieselfahrverbote geben könnte.

Und da ist zum anderen der Blick auf die Polizeimeldungen von heute. Wer allein an diesem Tag die Suchworte "Radfahrer" und "Unfall" eingibt, erhält eine breite Palette persönlicher Grausamkeiten: Da übersieht ein Laster beim Abbiegen eine Radfahrerin – tot. Bei einer gleichen Szene: schwer verletzt. Oder ein Pkw, der einem Radfahrer die Vorfahrt nimmt: zum Glück nicht schwer verletzt. Fahrradfahren in Deutschland ist keine ungefährliche Angelegenheit, und das liegt in erster Linie daran, dass so viele Kraftfahrzeuge unterwegs sind. Sie sind Waffen auf Rädern.

Steigende Spritpreise: Ab Herbst könnte Autofahrern ein Benzinpreis-Schock drohen

Machen wir uns bewusst, in welchem Wahnsinn wir leben? Warum hinterfragen wir nicht, ob es Sinn macht: dass wir unsere Lungen dem Dreck derart aussetzen, mit allen Erkrankungsfolgen; dass wir unser Leben riskieren, nur weil wir von A nach B wollen; dass Unmengen von Raum in unseren Städten dem Motorverkehr zur Verfügung stehen und alle anderen dort nichts zu suchen haben. Geht es nicht besser? Was ist der Wert daran?

Allein diese Frage führt dazu, die Debatte um steigende Benzinpreise mit anderen Augen zu sehen. Wenn Autos solche starken Folgen generieren – sollte mit ihnen nicht bewusster umgegangen werden? Und warum sollte dieser Umgang nicht auch übers Geld geregelt werden?

Die Frage nach dem Sinn ist nicht blöd

Es geht dabei nicht um Autoverbote, sondern ums richtige Maß. Wann ist Autofahren notwendig, und wann gibt es andere Möglichkeiten für "A nach B"? Es geht um die Rechte der Besitzer von Lungen. Die dürfen schon wollen, dass ihre Atmungsorgane nicht unnötig Schwarzfärbungen unterliegen.

Auch macht es Sinn sich vorzustellen, wie die Straßen in Städten weniger voll mit Autos wären. Wenn die Bürgersteige, Radwege und Grünstreifen breiter wären und in der Luft weniger Brummen läge; von Stress fange ich gar nicht erst an zu schreiben.

Vielleicht ist es an der Zeit, diese drei Meldungen gemeinsam zu lesen: die Grünenforderung nach teureren Benzinpreisen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs und das Paket an polizeilichen Unfallnachrichten allein heute. Es sollte ja keiner sagen, all dies habe keine Bedeutung für unseren Alltag. Im Gegenteil.

VIDEO: Darum sind die Spritpreise so hoch