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Kommentar: Deutschland ist längst ein Flaschenhals für Geflüchtete

Inoffizielles Flüchtlingslager im Libanon: Das kleine Land beherbergt mehr als eine Million Geflüchtete aus Syrien (Bild: AP Photo/Hussein Malla)
Inoffizielles Flüchtlingslager im Libanon: Das kleine Land beherbergt mehr als eine Million Geflüchtete aus Syrien (Bild: AP Photo/Hussein Malla)

Die CSU tut so, als sei an der Grenze Holland in Not – ein Beispiel für gefühlte Fakten. Hier ein Blick auf die Zahlen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Morgen ist ein Tag, an dem mancher Politiker Augen und Ohren verschließen wird, da er unter einem unangenehmen Motto steht: der Weltflüchtlingstag.

Über Fliehende wird in Deutschland derzeit gestritten, dass es gar die Bundesregierung zerhauen kann. Die CSU fordert, an der Grenze wieder für „Ordnung“ zu sorgen. Die Entwicklung der nach Deutschland kommenden Geflüchteten müsste demnach zumindest „besorgniserregend“ sein. Das sind die Zahlen auch. Aber anders als von CSU und AfD gemeint.

Seit gestern darf man diese beiden Parteien übrigens in einem Atemzug nennen, schließlich blinken die Christsozialen nur noch nach rechts. Was machen die bloß am Weltflüchtlingstag, den die Vereinten Nationen ausgerufen haben und deren Unterorganisation UNHCR gerade die neuesten Zahlen zu den weltweiten Fluchtbewegungen veröffentlicht hat? Womöglich gehen die Bayern morgen zum Blinken in den Keller.

Die Welt „in Bewegung“

Denn die Zahlen dokumentieren einen Gegensatz. Weltweit hat die Zahl Fliehender zugenommen, zum fünften Mal in Folge: 2017 waren 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Die allermeisten fliehen vor Krieg, sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Südsudan, Somalia und Myanmar.

An dieser Stelle könnte nun ein Christsozialer rufen: Schaut her, wir haben doch recht alarmiert zu sein! Nun, bis Weihnachten ist es auch noch lang hin, wenn wieder diese dusseligen Predigten von wegen Nächstenliebe und Maria und Josef auf der Flucht etc. pp. hervorgeholt werden.

Indes rufen die Zahlen Anderes. Denn kaum in den reichen westlichen Industrieländern kommen die Fliehenden an, sondern in armen Entwicklungsländern. 80 Prozent aller Fliehenden landen dort. Und 15 Prozent erreichen Länder wie Deutschland.

15 Prozent!, könnte jetzt ein Christsozialer rufen, das wäre in absoluten Zahlen der Gau für Oberammergau! Ist es aber nicht. Für Deutschland sieht es so aus: 2017 erreichten 186.600 Asylsuchende unser Land. 2016 waren es 280.000 Menschen. Und 2015, dem Jahr der Grenzöffnung, waren es 890.000. Der Trend ist also rückläufig, und dies bei anhaltendem globalen Druck. Deutschland macht sich einen Flaschenhals, die Probleme sollen draußen bleiben.

Diese Zahlen sollen versachlichen und ernüchtern. Meinetwegen können sie beruhigen, aber das tun sie natürlich in Wirklichkeit nicht. Deutschlands Reichtum stößt gerade an die Decke, und Horst Seehofer sorgt sich um die Grenze.

Es wird wieder gezählt

Der Gedanke dabei mag sein, Druck nach außen weiter zu geben, damit die EU-Mittelmeeranrainer für „bessere“ Außengrenzen sorgen. Europa soll sich weiter abschotten. Wäre auch zu blöd, vom Reichtum abzugeben. Wie dieser Druck in diesen Tagen aussieht, demonstriert Seehofers Amtskollege in Italien.

Matteo Salvini von der faschistischen Lega fordert eine Volkszählung nur für die Roma im Land, und zwar in Anlehnung an vergangene Zeiten, in denen auch fleißig gezählt wurde. Wer keine gültigen Papiere besitzt, so Salvini, müsse dann raus. Und Roma mit italienischer Staatsangehörigkeit müsse das Land „leider behalten“. Italien muss Salvini leider behalten.