Kommentar: Die CDU ist der Feind der Armen

Beim Bürgergeld gibt es große Kompromisse – in Richtung Union. Die freut sich. Warum eigentlich? Der CDU sorgt sich nicht um Staatsschulden oder um die Wirtschaftsleistung: Sie will der Bevölkerung den eigenen Hochmut nicht nehmen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Jungs bei einer warmen Mahlzeit der
Jungs bei einer warmen Mahlzeit der "Arche"-Hilfe in Berlin für sozial benachteiligte Familien (Bild: REUTERS/Thomas Peter)

Die Christdemokraten können ihr Glück kaum fassen. Weil sich die angeschlagene Ampelkoalition keinem weiteren Stresstest stellen wollte, war sie zu großen Kompromissen bereit. So kann also aller Voraussicht nach das von ihr beschlossene Bürgergeld kommen – die Opposition der Union wird es über den Bundesrat wohl nicht mehr blockieren.

Was war geplant? Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen. Das, was früher einmal im Westen mitunter die Sozialhilfe war, die Bedürftigen dann zu „Hartzern“ machte, auf die man noch besser herabsehen konnte. Das Bürgergeld hat mehrere Ziele: Da soll mehr Würde her, mehr Verständnis für Lebenslagen. Und es soll die richtigen Schwerpunkte setzen, nämlich auf Qualifizierung und ein Ende der Gängelung; denn die wirklich „Unvermittelbaren“ sind nicht faul, sondern nicht genügend ausgebildet. Da muss man ran, und das leistete Hartz IV nicht. Auch braucht es einer neuen Vorwärtskultur, einer Aufbruchstimmung – und die will das Bürgergeld durch eine neue Allianz zwischen Jobcenter und Arbeitslosen entfachen.

Was hat sich geändert? In drei wesentlichen Punkten hat die CDU ihr Revier abgesteckt:

  1. Die geplante sechsmonatige, überwiegend sanktionsfreie Vertrauenszeit fällt weg.

  2. Die Angemessenheit der Wohnung soll bereits nach einem und nicht wie ursprünglich gewollt nach zwei Jahren geprüft werden. Nach einem Jahr Bezugsdauer kann das Jobcenter die Bezieher zum Auszug aus einer zu teuren Wohnung zwingen, wenn sie die Mehrkosten nicht selbst übernehmen.

  3. Vorhandenes Vermögen ist nur noch bis 40.000 Euro (statt 60.000 Euro) vor Anrechnung geschützt.

Okay, der dritte Punkt wird kaum zur Anwendung kommen, denn wer hat denn sowas auf dem Konto? Allerdings ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit, wenn der Staat etwas vom selbst erarbeiteten Geld wieder nimmt, um damit eine vorgebliche Solidarität zu zeigen. Am schwerwiegendsten aber ist das Vertrauen, das wegfällt. Das sich Sammeln, wenn man arbeitslos wird, das sorglose Orientieren. Denn die CDU will Druck.

Will man eigentlich nicht helfen?

Ihr Argument: Die bisherigen Pläne zum Bürgergeld laden zum Nichtstun ein. Und Geringverdiener könnten sich veräppelt vorkommen. Beides wird durch die Wirklichkeit widerlegt.

Die lustigen Arbeitslosen, die sich zufrieden auf der Couch räkeln, es gibt sie nicht. Ohne Arbeit zu sein, nagt an einem. Glücksforscher haben längst bewiesen, wie wichtig Arbeit für das seelische Wohlbefinden ist – und das völlig losgelöst vom Einkommen. Ohne Job ist man out, da kommen die Blicke, werden Nasen gerümpft. Und Mitleid ist auch keine Hilfe. Es muss also nicht mehr geschubst werden.

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Und warum sollte sich ein Geringverdiener besser fühlen, wenn sein Nachbar noch weniger in der Tasche hat? Welchen konkreten Gewinn zieht man daraus? Ich habe einen Verdacht. Die CDU, die Partei mit dem christlichen C, will einer Mehrheit in der Gesellschaft (denen mit Job) das Gefühl geben, dass eine Minderheit (die ohne Job) leiden soll, damit die Mehrheit sich besser fühlt. Mit christlich hat das indes nichts zu tun.

Ein unmoralisches Angebot

Ich verstehe, dass die CDU es in den vergangenen Monaten schwer hatte. Alle schauten erstmal auf die Performance der regierenden Ampel und weniger auf die Wunden leckende Union in der Opposition. Und dann gab es all diese Krisen, bei denen die CDU Verantwortung zeigen musste (und es auch tat). Hätte sie auf Fundamentalwiderstand bei Corona und Ukraine gesetzt, hätte es ihr vielleicht geholfen, wie eben der AfD, aber dem Land nicht.

Nun aber drängt es die CDU nach vorne. Und es kommen alte Reflexe hoch: Nach unten treten, bestrafen, innere Härte zeigen, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Natürlich ist es ein Irrweg. Aber anderes scheint die Union gerade nicht in der Tasche zu haben. Es sind alte Rezepte für neue Zeiten. Das klingt gerade attraktiv, bringt aber nichts. Keinen Arbeitslosen weniger wird es dadurch geben, stattdessen wieder Spaltung, die wir wohl gernhaben, wie einen alten Bekannten. Stolz sein kann die Union heute nicht.

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