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Kommentar: Die CDU wird immer linker – und schreibt ihre eigene Todesdrohung

Angela Merkel auf dem Weg zu einer Jamaika-Sondierungsrunde – für die Kanzlerin wäre die Koalition ein gefundenes Fressen (Bild: AFP)
Angela Merkel auf dem Weg zu einer Jamaika-Sondierungsrunde – für die Kanzlerin wäre die Koalition ein gefundenes Fressen (Bild: AFP)

Unter Angela Merkel findet ein Experiment statt: Die Metamorphose einer Partei. Konservativ wird zum grauen Allerlei. Für das politische System in Deutschland hat das keine Folgen. Für die CDU aber schon.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Innerlich zerreißt es den Unionisten von heute. Alle reden von Heimat und er besonders, dabei fühlt er sich am heimatlosesten. Seine eigene Partei geht ihm zwar nicht abhanden, aber irgendwie sagt er: Schatz, hast du dich verändert.

Die CDU entwickelt sich, das tut jede Partei. Bei den Christdemokraten aber handelt es sich um eine Transformation: Sie wandert von rechts nach links.

Dieser Trend wird sich verstärken, wenn es zu einer Koalition mit den Grünen auf Bundesebene kommen sollte. Solch ein Bündnis bliebe für die Union nicht folgenlos, denn zwangsläufig würde man sich auf Themen einigen, welche die Partei vor allem für ökologische Belange öffnen wird.

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Gemeinhin wird dieser lange Weg der CDU als alleinige Kommandoaktion ihrer Chefin Angela Merkel beschrieben. Dies ist höchstens ein Viertel der Wahrheit. Natürlich steht Merkel für diesen Kurs. Ideologisches ist ihr fremd. Gegner hat sie durch Bewegungslosigkeit ausmanövriert. Und sie hat, den Zeitgeist schnuppernd, Themen aufgegriffen, die der Union vorher fremd war – wie zum Beispiel die Energiewende, die sie im Übrigem typisch konservativ, eben halbherzig, umsetzt. Der SPD hat die CDU damit wichtige Reviere abgenommen, bis hin zu bundespolitischen Ohnmachtsanfällen der Sozialdemokratie, welche sich endlich ins Oppositionssanatorium schleppte.

Die Welt wird liberaler

Aber: Die gleiche Wegstrecke, mehr oder weniger, hätte die CDU auch ohne Merkel genommen. Die Welt änderte sich, der Kalte Krieg mit seinem ideologischen Müll war endlich am Ende, und viele konservative Parteien haben dies anerkannt – im Schatten einer allgemeinen Liberalisierung.

Bisher ging das für die CDU gut. Zuerst blieb die SPD auf halber Wegstrecke ausgezehrt liegen, und nun könnte es die Grünen erwischen, welche im Moment heilfroh sind, dass sie wenigstens ein Thema gefunden haben, unter dessen Banner sie sich noch versammeln und sich gegenseitig versichern können, warum es sie noch geben soll: der Schutz der Umwelt. Linke Themen, Gerechtigkeit etwa, haben die Grünen über Bord geworfen, die Gründe hierfür erschließen sich mir nicht. Sollte nun die CDU ihre Liebe für die Schöpfung entdecken, käme es erst zu einem Bündnis mit den Grünen und dann zur Starre letzterer; als spielten die Grünen bei einer Gottesanbeterinnenhochzeit den Part des Bräutigams.

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Doch die Union riskiert viel. Was passiert, wenn Merkel die Partei nicht mehr anführt? Wenn junge Nachfolger den Laden nicht in den Griff kriegen, Herausforderungen nicht meistern und obendrein nicht erkennen, dass das Spazieren mit dem Zeitgeist durchaus eine politische Tugend sein kann?

Dann wankt die Union ihrem Tod entgegen.

Für das politische System wäre es egal. Immer wird es einen Wettstreit der Ideen geben, ein Links und ein Rechts. Sollte die Union im Gesichtsverlust untergehen, stände zum Beispiel die AfD bereit, ihre Rolle zu übernehmen, oder eine neue Partei.

Ein neues Parteienmobile

Solch ein Blick in die fernere Zukunft erschreckt manchen Unionisten. Daher häufen sich gerade die Schein- und Rückzugsgefechte. In Sachsen mehren sich die Stimmen jener in der CDU, die sich für Koalitionen mit der AfD aussprechen, und die „Bild“-Zeitung meint die Zeit gekommen zu sehen, Worte von Sachsens künftigem Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) derart falsch auszulegen, dass sie viel rechter klingen, als sie sind – nach dem Motto: Wir haben erwartet, dass er es so sagt…

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Hervorragende Beispiele für Scheingefechte dagegen liefert die CSU. Die Christsozialen lieben eh das Dramatische, da reden sie morgens von „schizophrenen“ Grünen und regeln abends die Koalition mit ihnen.

Die Manöver aus Bayern und aus Sachsen werden die Union bei ihrer Metamorphose nicht aufhalten. Zur Not sortiert sich das Parteienmobile neu. Es wird schon was werden, mit der Heimat.

Video: Sächsische CDU denkt über Koalition mit AfD nach