Kommentar: Die Corona-Warn-App bietet neues Futter für Fans von Verschwörungen

Emil Voutta vom SAP-Entwicklungsteam zeigt den Status seiner Arbeit an der offiziellen Covid-19-Tracing-App. (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)
Emil Voutta vom SAP-Entwicklungsteam zeigt den Status seiner Arbeit an der offiziellen Covid-19-Tracing-App. (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)

Wer an Echsen am Steuer glaubt, sieht auch in der neuen App mehr, als sie ist. Doch das Strohfeuer der Hildmanns wird nicht lange brennen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Auf Facebook ist ein Glaubenskrieg entbrannt. Hast du sie schon? Wie eine Trophäe wird die neue Corona-Warn-App herumgereicht, die das Robert-Koch-Institut entwickelt hat. Die einen zeigen sie stolz, um Solidarität und Verantwortung zu demonstrieren. Und die anderen warnen vor ihr, als habe der Beelzebub persönlich sie programmiert.

Über die ersteren brauchen wir nicht viel reden. Es ist sinnvoll, diese App zu installieren. Sie soll Infektionsketten bei Covid-19 unterbrechen. Ihr Auftrag: einem zu melden, wenn man Kontakt mit einer Person hatte, die vom Virus infiziert wurde. Je mehr Leute diese App haben, desto dichter wird das Netz, also erfolgreicher.

Reden wir also über die Leute, die sich gegen die App sperren. Bei Facebook bin ich gerade minutenlang dabei, Leute zu entfreunden – weil sie das von mir fordern. Sie schreiben: Ich erlaube dir nicht, durch das Installieren der App meine persönlichen Daten einzuspeisen…

…das ist natürlich hanebüchen. Aber wie gesagt: Es handelt sich um einen Glaubenskrieg, da ist mit Wissen schwerer zu punkten. Persönliche Daten auf Facebook sind eine Angelegenheit, die nichts mit der Corona-Warn-App zu tun haben. Über diese Anwendung wurde wochenlang gestritten. Datenschützer formulierten ihre Einwände – und nun werden persönliche Daten gar nicht erst erhoben, die Signale der jeweiligen Handys werden lediglich auf dem eigenen Gerät gespeichert. Das ist alles.

Hygiene-Demo ist out

Komisch wird es schon, wenn Leute gerade den großen Datensauger in der neuen App vermuten, während sie bei Facebook tatsächlich Informationen preisgeben, die für eine Ausbeutung große Relevanz haben. Aber Facebook ist bequemer Alltag. Die Corona-Warn-App ist weit weg, weil vom Beelzebub.

Und so wird die Bewegung der Verschwörungsliebhaber diese neue App gierig aufgreifen. Es geht den Hygiene-Fuzzis ja auch nicht gut. Lange nichts mehr gehört von Anselm Lenz, der irgendwo aufgeregt warnen wird. Attila Hildmann brütet womöglich über eine neue wilde Story, die er uns verkaufen will, und mit einer Partei des Widerstands wird es auch nichts; die kommenden Funktionäre zerstreiten sich.

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Ihnen allen aber am meisten liegt schwer im Magen, dass ihre sämtlichen Unkenrufe in der Realität verhallten. Keine Warnung erwies sich als annähernd richtig. Die Einschränkungen waren gut. Sie haben viele Leben gerettet. Bund und Länder haben, in diesem Sinne, alles richtig gemacht. Bisher.

Also: Echt blöd gelaufen. Keiner redet mehr über Impfstoffe und Chips, die uns angeblich kontrollieren sollen. Auch Bill Gates ist aus den Schlagzeilen verschwunden, denn das Märchen vom Geld Verdienen mit einem Impfstoff und das Märchen von der geplanten Menschheitsdezimierung erwiesen sich dann doch als rein halluziniert. Als böswillig. So mancher hatte einfach zu viel Avengers geschaut und zu viel von Thanos geträumt.

Das Ding mit den Fragezeichen

Die App wird den Verwirrten dieser Erde neuen Auftrieb verleihen. Wirkt die nicht wie ein Chip? Funktioniert sie nicht mittels Strahlen? Welche Strahlen sind das überhaupt? Und könnte 5G die Finger im Spiel haben?

Außerdem: Man muss Bluetooth aktiviert haben. Was ist das genau? Heißt Blue nicht „Blau“ – und redete man nicht früher von den blauen Männchen aus dem All? Naht nun die Herrschaft des blauen Klaus? Treibt da jemand ein makabres Wortspiel, um Eingeweihte auf die Echsendiktatur vorzubereiten?

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Tja, so funktioniert Verschwörungsliebhaberei: Es müssen nur ausreichend viele Fragezeichen gesetzt werden. Die neue App ist also ungewolltes Futter für vorgeblich Warnende. Das lässt sich nicht vermeiden, denn die App ist eben sinnvoll. Und die Zeit der Hygienefuzzis ist eh abgelaufen. Da kommt nicht mehr viel. Die Corona-Warn-App wird ihnen nur kurz Energie einflößen, und dann werden sie sich zurückziehen auf das, was sie sein werden: eine Fußnote in der Geschichte von Corona.

Aber ich habe leicht schreiben: Die App habe ich bisher nicht installiert – meine Android-Version ist zu veraltet. Also shoppe ich mir mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierung im Rücken ein neues Handy.

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