Kommentar: Die goldene Himbeere für Satire

An #allesdichtmachen nahmen einige der bekanntesten deutschen Schauspieler teil (Bild: Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa)
An #allesdichtmachen nahmen einige der bekanntesten deutschen Schauspieler teil (Bild: Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa)

Schauspieler machen sich mit der Video-Aktion "#allesdichtmachen" über die Corona-Maßnahmen lustig und stoßen dabei deutschlandweit auf heftige Kritik. Lob kommt dabei in erster Linie aus der Querdenker-Ecke. Darf Satire alles und ist Zynismus während einer Pandemie angebracht?

Ein Kommentar von Nour-El-Houda Khelifi

"Macht uns mehr Angst", sagt Volker Bruch in seinem Video zur #allesdichtmachen-Aktion. Um die 53 Fernseh- und Filmschauspieler beteiligen sich daran und kritisieren im Namen von Satire die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19, die Bundesregierung, sowie die Medien. Initiator ist der Filmemacher Dietrich Brüggemann, der bereits in der Vergangenheit für Wirbel sorgte aufgrund seiner Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen. Die Inhalte der Videos? Die Maßnahmen seien nicht streng genug, es solle noch mehr Regelungen, noch mehr Schließungen geben, Mundnasenschutzmasken werden verhöhnt. Medien berichten alle einseitig und nicht kritisch genug, die Regierung sei autoritär, wir leben in einer Diktatur, die Pandemie sei nur Panikmache und das Virus sei erfunden.

Wer es nicht besser wüsste, würde davon ausgehen, dass es sich um eine Werbekampagne der Querdenker handeln würde. Man merkt, der rote Teppich fehlt den meisten. Denn die Rhetorik, die in diesen angeblich satirisch gedachten Videos angewendet wird, ist genau jene, welche auf Querdenker-Demos skandiert wird und viel Platz einnimmt in der jetzigen gesellschaftspolitischen Diskussion. Man glaubt hier und da verstehen zu können, was das Ziel dieser Satire-Aktion hätte sein sollen, doch das Projekt schoß weit über das Ziel hinaus - ins rechte Eck. Lob und Applaus kommen zu #allesdichtmachen nämlich in erster Linie von Menschen aus der Querdenker-Ecke, Rechtsextremisten und weiteren Verschwörungstheoretikern wie Ken Jebsen. Auch einige Funktionäre aus der AfD wie Fraktionschefin Alice Weidel und die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar begrüßen das Video.

Der falsche Applaus kommt nicht von ungefähr

Dass soviel Zustimmung aus dem rechten und verschwörungstheoretischen Lager kommt, damit haben die Schauspielerinnen und Schauspieler wohl nicht gerechnet. Noch am selben Tag distanzieren sich einige von ihnen, wie Heike Makatsch, Meret Becker, Richy Müller und Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts. Von den ursprünglich 53 Videos, die letzten Donnerstag veröffentlicht wurden, sind mittlerweile nur noch mehr 34 online abrufbar. Den besagten Filmschaffenden sei nichts ferner als die AfD oder Verschwörungstheoretikern. Dennoch bedienten sie sich an den rhetorischen und inhaltlichen Mitteln von Querdenkern und Regierungsgegnern. Wenn Applaus von rechts kommt, dann muss man sich selbst reflektieren und fragen, ob und warum man sich dieser Sprache bedient. Dafür muss man auch die Verantwortung tragen, insbesondere als Mensch des öffentlichen Lebens.

Inwieweit die Entschuldigungen glaubwürdig sind, steht offen. Meret Becker und Heike Makatsch etwa gehörten zu denen, die im Zuge des Shitstorms ihre Videos löschten. Makatsch entschuldigte sich mit "Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst." Und fügt noch den Hashtag #womöglichgescheitert hinzu. Das Video mit dieser Message war aber medienwirksamer als jede vermeintliche Entschuldigung, die bisher im Gegenzug erfolgt ist. Fraglich ist, ob bei Inhalten die sich rechter Demagogie bedienen, Reue allein ausreicht. Wir reden hier schließlich von Menschen, die im öffentlichen Leben stehen und genauso eine soziale Verantwortung zu tragen haben wie Politiker auch. Sind wir etwa schon so weit, dass es erst einen Shitstorm braucht, um sich selbst und das gesagte zu reflektieren und gegebenenfalls zu entschuldigen?

Auch wenn sich etwa Jan Josef-Liefers sich nach dem Shitstorm bereits mehrere Male nun von der AfD und Querdenkern distanziert hat, vertritt er im Interview mit der WDR-Sendung "Aktuelle Stunde" weiterhin die Auffassung, dass alles satirisch gemeint und eine überspitzte Protest-Aktion war. Von Einsicht keine Spur.

Realitätsferne Schauspielerinnen und Schauspieler

Dass es der Kulturbranche seit einigen Monaten alles andere als gut geht, ist kein Geheimnis. Als gut verdienende, privilegierte "Tatort"-Schauspieler zum Beispiel, die das System kritisieren, bekommt "Systemkritik" ganz schnell einen faulen Beigeschmack. Klar, Satire darf alles. Dennoch muss man sich die Frage stellen, inwiefern der Inhalt nun wirklich zur Diskussion beiträgt oder in diesem Falle Lösungsvorschläge mitliefert, um den Menschen weiter Mut zu machen, weiter durchzuhalten und weiter sich sowie andere zu schützen. Nichts von alldem war Thema in den Videos.

Und man muss damit rechnen, dass auf Satire auch Kritik folgen kann. Dieser beißende Zynismus ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht für die Familien, Freunde und Angehörige von den über 80.000 Corona-Toten in Deutschland, sondern auch für diejenigen, die an den Langzeitfolgen von Covid-19 leiden. Ebenso das medizinische Personal und die Pflegekräfte, die seit Anbeginn der Pandemie für jedes Leben kämpfen und übermenschliches leisten, obwohl sie längst über ihre Kraftreserven hinaus arbeiten. Von Zivilcourage, Solidarität oder konkreten Lösungsvorschlägen etwa für eine bessere finanzielle Aufstellung für Krankenhäuser oder Personal keine Spur.

Was wirklich wichtig wäre

Dabei sind landesweit Millionen an Menschen von den Auswirkungen dieser Pandemie betroffen. Prekäre Lebensbedingungen sowie Armut sind eine allgemeine existentielle Bedrohung für die meisten geworden. Dass wir es hier mit einem Virus zu tun haben, dass tödlich enden kann, ist in uns allen bekannt. Wie ernst es sein kann und wie daneben diese #allesdichtmachen-Aktion ist, entgegnet Moderator und Notfallsanitäter Tobias Schlegl mit "Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben."

Die allgemeine Frage, die sich in dieser Pandemie stellt ist, wie wir gemeinsam leben wollen, nicht nur jetzt, sondern auch mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie. Und da ist Pessimismus nicht angebracht, Optimismus hier und da hilfreich, aber vielleicht ebenso fehl am Platz. Was wir unbedingt brauchen, ist ein realistischer Blick auf die aktuelle Lage und die Lebenssituation von den Menschen. Und keine realitätsfernen Statements und Befindlichkeiten von Promis, die nicht von pandemiebedingter Existenzbedrohung betroffen sind.

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