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Kommentar: Die Herrschaft der Virologen? Keinesfalls!

Die Berliner Charité - eine der größten Unikliniken Europas (Bild: Getty Images)
Die Berliner Charité - eine der größten Unikliniken Europas (Bild: Getty Images)

Noch nie hörte die Politik der Wissenschaft so zu wie jetzt. Regiert uns jetzt die Charité? Eine Bestandsaufnahme.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wenn das Robert-Koch-Institut neue Daten liefert, liest sich das wie ein Regierungsbulletin. Gebannt schauten wir in den vergangenen Wochen auf Ziffern, als wären es die Lottozahlen – und langsam weicht diese Gespanntheit einem Überdruss. Gibt es nicht andere Themen? Warum sind diese Virologen und Epidemiologen und Infektiologen, allesamt Coronologen, immer noch allerorten, auf jedem Bildschirm?

Es scheint, dass sie den Ton angeben, und dass wir alle parieren, entmündigt; so sehen es zumindest einige Schlaumeier in den Feuilletons. Die hätten wohl gern die üblichen Pappnasen in den Talkshows, die Wagenknechts und Kubickis, die sich ordentlich zoffen und nicht dröge daherreden wie Wissenschaftler.

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Interessanterweise kommt das Gerede vom Wissenschaftlerregime von Leuten, die ein eindeutiges Motiv haben: Sie wollen Lockerungen der bisherigen Einschränkungen. Das darf man wollen. Nur sollte diese Absicht nicht verschleiert werden, wenn es ums Argumentieren geht. Die Absicht der Wissenschaftler ist nämlich eindeutig: Sie wollen ihren Job gut machen und Leben schützen.

Wo ist das Regiment tatsächlich?

Daher gibt es keine Regierung der Wissenschaftler. Wir werden noch immer von Politikern regiert, die wir wählen. Wissenschaftler forschen, und aus ihren Zwischenergebnissen folgernd geben sie Empfehlungen an die Regierenden. Dass sie sich dabei auch widersprechen, ist normal. Denn wissenschaftliche Forschung ist immer ein Prozess, der von verschiedenen Seiten beleuchtet und kritisch begleitet wird; eine Erkenntnis ist in der Regel das Ergebnis keiner einzelnen Stimme. Nur ist die Zeit gerade hektisch, da braucht es rasche Entscheidungen – schlechte Umstände für Wissenschaftler, die ansonsten ruhige Grundlagenarbeit leisten und nun „liefern“ sollen.

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Dass die Politik im März auf Wissenschaftler hörte, hat vielen Deutschen das Leben gerettet.

Und es wäre wünschenswert, in der heutigen Abwägung auch den Experten zuzuhören – und damit meine ich nicht die selbsterklärten, die ihr Examen in Medizin oder sonstwas hervorholen und ihre Überlegungen preisgeben, zu denen sie nicht im Labor gestanden hatten.

Was wir lernen können

Keiner der Wissenschaftler hat je Anspruch auf das Kanzleramt angemeldet. Sie teilen mit, was sie wissen. Das empfinden sie als ihre Pflicht.

Sie fallen nur deshalb so stark auf, weil man ihnen jetzt zuhört. Das ist eine neue Erfahrung für sie: Jahrelang boten sie ihre Erkenntnisse etwa zum Klimawandel an wie Sauerbier. Bis vor kurzem aber schmerzte der Klimawandel in Deutschland nur wenig, und entsprechend mau reagierte die Politik. Bei Corona indes war die Gefahr konkret. Man kann ja selbst sterben, oder Vater oder Mutter oder ein Freund. Aus der jetzigen Pandemie kann die Politik einiges lernen, nämlich: dass es sich lohnt den Erkenntnissen aus der Wissenschaft mit dem Mut zur Entscheidung Aufmerksamkeit zu schenken. Denn der Kampf gegen den Klimawandel ist zwar gerade nicht richtig wahrnehmbar – abgesagt aber ist er nicht.

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