Kommentar: Die Midtermwahlen in den USA – Wir alle brauchen mehr Wünsche

Anhänger jubeln dem republikanischen Politiker Kevin McCarthy zu (Bild: REUTERS/Tom Brenner)
Anhänger jubeln dem republikanischen Politiker Kevin McCarthy zu (Bild: REUTERS/Tom Brenner)

In Amerika wurde viel gewählt: das Repräsentantenhaus und Teile des Senats. Unabhängig vom Ergebnis ist eines wichtig. Wie gut wäre es, wenn wir alle es schaffen, dem politisch Andersdenkenden Gutes zu wollen? Doch dafür gibt es einige Hürden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ein Ergebnis in den USA stand schon vor den Wahlen fest. Die politischen Lager sind ineinander verkantet wie zwei sich hassende Gladiatoren. Auf der einen Seite die Partei der Demokraten, auf der anderen die der Republikaner. Links gegen rechts, Mitte gegen Mitte, liberal gegen totalitär, säkular gegen staatsreligiös – ewige Kabale werden ausgetragen. Umso wichtiger ist es da, zu einem Verständnis zu kommen. Man kann den Staat ja schlecht in zwei Teile schneiden, obwohl: Die Demokraten würden dann gewiss das hübsche Kalifornien kriegen, und die Republikaner Alaska.

Auf absehbare Zeit wird es in den USA bei diesen beiden politischen Lagern bleiben. Da heißt es, miteinander auszukommen. Wichtig dafür ist: Den politisch Andersdenkenden, den „Gegner“, gedanklich nicht immer sonstwohin schicken zu wollen, ihm auch mal Gutes zu wünschen.

Es bedeutete auch, dem Wahlsieger, wer auch immer, herzlich gratulieren zu können und nicht das Resultat zu verdammen, sei es auf dem Balkon oder im Keller.

Nur gibt es da ein Problem. All diese oben aufgezählten Antipoden können theoretisch miteinander gut leben, denn dafür hat die Demokratie mit ihrem Parlamentarismus die denkbar beste Arena geschaffen. Man muss sich nicht einig sein, aber Kompromisse hinkriegen können. In den USA wurde seit ihrer Gründung zum Beispiel darum gerungen, wie viel Gott im Staat stecken sollte. Es gab eine nicht kleine Strömung, die aus den USA einen theokratischen Staat machen wollte, im Grunde eine Herrschaft der Religionsgelehrten wie im schiitischen Iran, nur natürlich mit mehr unternehmerischer Freiheit und Kontrolle der Politik. Dieser Strang hat sich nicht durchgesetzt, ist aber immer noch lebendig. Damit muss und kann man leben in Amerika.

Das Ding mit dem Tricksen

Es wird indes schwierig, wenn die allgemeinen Spielregeln in dieser Arena angezweifelt werden. Wenn man versucht, sie zu seinen Gunsten zu ändern oder sie zu ignorieren. Dann wird es nicht leicht mit dem sich und anderen Gutes Wünschen. Leider hat die Grand Old Party, die der Republikaner, diesen Weg eingeschlagen. Spätestens seit Donald Trump die Partei kaperte, hat er sie seinem Lügenregiment untergeordnet. Werte und Sitten zerbröseln. Es geht nur um Macht, und sei es mit Hilfe der Ellenbogen.

Trump und viele Republikaner zweifeln Wahlergebnisse nur an, wenn sie gegen sie sind. Keine anderen Hinweise haben sie, und auch bei den aktuellen Midtermwahlen fingen sie sofort mit dieser Gifterei an. Es sind Republikaner, die immer wieder die Wahlbezirke neu zusammen zu schneiden versuchen. Sie machen es aus dem alleinigen Grund, sich dadurch mehr Siegchancen zu sichern – indem sie mit weniger Stimmen durchkommen, indem sie Wahlberechtigten, von denen sie ausgehen, dass sie eher nicht von ihnen gewählt werden, den Urnengang erschweren.

Im Grunde haben die Republikaner beschlossen, die Vereinigten Staaten von Amerika zu stehlen. Das ist kein Abwehrkampf zur Wahrung der früheren Privilegien, es ist ein Raubzug.

Wie kommt man da raus?

So gesehen ist es schwer, dann zu gratulieren. Nehmen wir Sarah Huckabee Sanders, die ehemalige Sprecherin von Ex-Präsident Trump wurde nun zur Gouverneurin von Arkansas gewählt. Vielleicht überzeugte sie die mehrheitlich konservativ gesonnenen Wähler mit ihrer Grundhaltung zur Wahrung der Familie, vielleicht vertraute man ihr mehr, sah in ihr mehr standing, die Stärkung einer Tradition; hatte doch schon ihr Vater in dem Bundesstaat regiert. Bei all dem bleibt jedoch hängen, dass Sanders in ihren zwei Jahren mit Trump eine Lüge nach der anderen raushaute. Wie wird es möglich sein, das herunterzuschlucken und ihr alles Gute zu wünschen, wo sie doch jetzt in der Verantwortung steht?

All dies ist schwierig. Aber es ist der einzige Weg, unabhängig vom Ausgang der Wahlergebnisse. Und all dies gilt auch für Deutschland.

Zwar haben wir längst nicht diese Verkantungen wie in den USA. Im Parlamentarismus herrscht vorwiegend Respekt voreinander. Aber auch da bröselt etwas. Die AfD bringt eine Stimmung ein, deren „Kontra“ nicht das Problem ist, sondern die Art und Weise. Plötzlich wird es feindlich. Das betrifft übrigens auch den persönlichen Umgang der anderen Fraktionen mit jener der AfD, denn das „Meiden“ ist kindisch.

Und in den Sozialen Medien hat die allgemeine Tendenz zum Instanthass fiese Folgen entwickelt. Nicht wenige Kommunalpolitiker haben aufgegeben, wollen sich nicht mehr engagieren – zu viel Häme und blöde Wut, zu viel Destruktives fliegt ihnen um die Ohren. Diese Entwicklung ist sehr bedenklich. Kehren wir besser zum Wünschen zurück, das ist positiver und mehr vorwärtsgewandt. Sehen wir die Politik in den USA als mahnendes Beispiel.

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