Kommentar: Die neue Regierung Italiens ist nur neu an Schrecklichkeit

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Mai (links) bei einer Pressekonferenz mit den designierten Premier Giuseppe Conte (Bild: AP Photo/Alessandra Tarantino)
Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Mai (links) bei einer Pressekonferenz mit den designierten Premier Giuseppe Conte (Bild: AP Photo/Alessandra Tarantino)

Berufsoppositionelle bestimmen nun das Kabinett in Rom. Alles soll anders werden, heißt es. Doch erst recht bleibt es beim Grundsätzlichen: Links gegen Rechts.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Da haben sich drei gefunden. Weil sich Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega Nord und Luigi di Maio von der sogenannten Protestbewegung Cinque Stelle nicht einigen konnten, wer von beiden Ministerpräsident werden soll, schlagen sie nun Guiseppe Conte vor, einen in der Politik unerfahrenen Technokraten, einen an den guten Universitäten der Welt ausgebildeten Professor für Privatrecht. Er wird einer Regierung aus Versagern vorstehen.

Beide Parteien sind die großen Sieger der Parlamentswahlen in Italien. Sie werden nun die Regierung stellen.

Conte ist, was Salvini und di Maio nie waren: Er ist gebildet. Dafür wird er für die beiden den Dummkopf abgeben. Salvini und di Maio sind akademische Bruchpiloten, beide schafften es nicht, ihr Studium zu beenden. Verzweifelt suchten sie als junge Kerle nach rettenden Fleischtöpfen und fanden sie in jenem, welch Ironie, welches sie ab da vorgaben zu bekämpfen: in der Politik.

Di Maio und Salvini sind nicht einmal Mittelmaß, sie dienten sich in ihren Parteien hoch. Salvini als minderbegabter Pseudojournalist in Parteimedien der Lega Nord. Und di Maio als Posterboy des Krawallunternehmens rund um den komischen Komiker Beppe Grillo, dessen Fünf-Sterne-Bewegung einen unheimlichen Aufschwung genommen hat, weil sie vor allem die Frustration der Italiener ob politischer Stagnation und die Sehnsucht nach Neuem kanalisierte. Cinque Stelle ist vergleichbar mit einer deutschen Piraten-Partei, die von einem Egomanen beherrscht würde.

Ein Bündnis wie ein Horrorkabinett

Die Lega, historisch gesehen eine Provinzpartei, hat unter Salvini einen Schwenk hingelegt: Weg von einer aufs Regionale zugeschnittenen Partei wie die CSU in Bayern hin zu einem landesweiten nationalistischen Aufguss wie die AfD. Was sie mit den Fünf Sternen gemeinsam hat, ist ihr Sturm gegen ein gefühltes Establishment, obwohl beide Parteien bestimmt Teil jedes Establishments sind. Was aber beide können, ist, gegen etwas zu schreien. Die Mehrheit der Italiener hat für rechtspopulistische Schreipolitik gestimmt, in der Hoffnung, wenigstens die würde etwas Neues bringen.

Und nun hat das Land den Salat. Er wird serviert werden in zerbrochenem Porzellan.
Regieren bedeutet Verantwortung. Die Politiker von Lega und Cinque Stelle indes sind bisher Berufsoppositionelle, sie konnten nur dagegen sein; Schuld waren immer die anderen.
Korrupt: sind die anderen. Fehler: wegen Einflüssen von Außen.

Wo Cinque Stelle in der Vergangenheit Bürgermeister stellte, erwiesen diese sich als unfähige Schwadroneure, die nicht weniger korrupt waren als die von ihnen geschmähten Vorgänger. Wie soll nun eine neue Regierung für das ganze Land aussehen?

Klar ist, dass dieses Kabinett und dieser adrette Professor Conte scheitern werden. Die Frage ist nur, wann. Di Maio und Salvini werden bald als Minister jeden Tag aufwachen und ob der Aktenberge stöhnen, die sie zu bearbeiten haben, und die sie nicht werden bewältigen können. Sie sind zu dumm und zu faul dafür.

Was vom Tage übrig bleibt

Für eine gewisse Zeit kann eine planlose Regierung überleben, indem sie Fehler nach außen schiebt. Europa wird schuld sein, die Ausländer sowieso. Und man wird versuchen, kurzfristig viel Geld zu mobilisieren, denn die Rechnung wird erst später beglichen. So liest sich das Regierungsprogramm, spärlich genug, wie ein Füllhorn für alle: Steuern runter für alle, Grundeinkommen für alle. Und Cinque Stelle mag sich modern geben, halt eine Internet-Partei und ähnliches Gedöns, tatsächlich wird es Blutorientiertes geben.

Nur ein Beispiel dieser spaltenden Politik: Beide Parteien schlagen vor, den Besuch von Kindergärten für italienische Familien von Kosten zu befreien, wohlgemerkt: für italienische Familien. Wenn Ausländer wie Marokkaner oder Deutsche nach Italien ziehen, dort arbeiten und Steuern zahlen, sollen sie für ihre Kinder weiterhin dort zahlen. Wie tief kann man sinken?

Kein Wunder, dass in europäischen Hauptstädten die Augenbrauen nach oben wandern, schließlich haben italienische Etats mit langfristigen Verschuldungen zu kämpfen, was der gemeinsamen Euro-Währung nicht gut tut. Doch über längere Zeit werden die Italiener merken, dass ihre neuen Kaiser keine Kleider haben.

Lega-Chef Matteo Salvini bei der Abstimmung über das Regierungsprogramm der neuen Koalition (Bild: AP Photo/Antonio Calanni)
Lega-Chef Matteo Salvini bei der Abstimmung über das Regierungsprogramm der neuen Koalition (Bild: AP Photo/Antonio Calanni)

Letztlich liegt in dieser neuen Regierung eine Chance. Sie gibt der in die Opposition geschickten Linken Zeit, sich zu regenerieren; etwas, was zum Beispiel die SPD in Deutschland gern angesteuert hätte. Die Italiener werden merken, dass ihr Land in den vergangenen Jahren nicht so schlecht regiert worden ist. Sie werden einer gewissen Stabilität und Verlässlichkeit hinterher trauern. Zwar haben die langen Jahre der Unternehmerherrschaft unter Silvio Berlusconi de Werte der Bildung, der Moral und allein der Sprache herabgesetzt. Aber die Unterschiede zwischen alter Kultur und neuer Kulturlosigkeit werden nun krasser denn je hervortreten.

Dieselbe Wahl wie immer

Denn schließlich geht es in Italien, wie in den anderen europäischen Ländern auch, nicht um Jung gegen Alt, um Reform gegen Bürokratie oder frischen Geist gegen Establishment. Die Menschen werden, wie immer, die Wahl haben zwischen Links und Rechts. Die linken Parteien in der Opposition können sich neu aufstellen. Und die neue Regierung wird eine rechte Politik machen und damit versuchen, beim Wähler zu bestehen. Denn Salvini und di Maio können gar nicht anders: Sie denken Rechts. An ihnen ist nichts neues, sie werden die Kämpfe ihrer Eltern weiter kämpfen.

Cinque Stelle geriert sich stets als allumfassende Protestbewegung, und nicht wenige Linke haben für sie gestimmt – aber wer bei Cinque Stelle das Sagen hat, steht rechts, Di Maio zum Beispiel stammt aus einem neofaschistischen Elternhaus, und mit dieser Biographie steht er bei Cinque Stelle nicht allein. Wer jemals dachte, Cinque Stelle würde, einmal in der Verantwortung angekommen, eine liberale, reformerische Politik betreiben, darf nun über die geschlüpften Kuckuckseier staunen.

Für Europa bedeutet diese Regierung erst einmal einen Totalausfall. Italien ist, entgegen unserer von Klischees getriebenen Sicht, ein großes und wirtschaftsstarkes Land in der EU, es ist Nettoeinzahler – überweist also mehr Geld nach Brüssel, als es empfängt. Salvini und di Maio müssen nun europapolitische Grenzen aufgezeigt werden; Solidarität ist von ihnen mit ihrer Italy-First-Politik ohnehin nicht zu erwarten. Auch werden beide eine positivere Politik gegenüber Russland betreiben – denn der autoritäre Kurs von Wladimir Putin imponiert natürlich Leuten, die auch gern stark wären. Für Europa bedeutet diese Regierung, dass sie stets an ihre Pflichten erinnert werden muss. Und für Italien bedeutet sie, nun endlich genau hinzusehen.