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Kommentar: Die saudischen Herrscher verstehen nur die Sprache der Gewalt

<span>Der Kronprinz von Saudi-Arabien, Muhammad bin Salman, ist auch Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister des Königreichs. (Bild: Reuters)</span>
Der Kronprinz von Saudi-Arabien, Muhammad bin Salman, ist auch Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister des Königreichs. (Bild: Reuters)

Ginge es nicht um einen Tod, ließe sich das Herrscherhaus Saudi-Arabiens als Possentheater beschreiben. Stattdessen ist es eine Mörderbande.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Glaubt man dem Umfeld des Kronprinzen, so ist nichts passiert. Ein Bürger “seines” Staates betrat ein saudisches Konsulat in der Türkei, ein Nato-Land, übrigens. Zuerst hieß es: Der Mann kam wieder heraus. Später schwieg man. Nun wird angegeben, ein Verhör sei aus dem Ruder gelaufen, unkontrollierte Beamte seien am Werk gewesen.

Bei dem Mann handelt es sich um den bekannten Journalisten Jamal Khashoggi, und da wird die Frage erlaubt sein, warum es ein “Verhör” gegeben haben soll, schließlich wollte der Bürger nur Dokumente für seine Heirat. Und kann sowas “aus dem Ruder laufen”, war man sich uneins über seinen Geburtsort, oder hatte Khashoggi schlecht über das Teeservice des Konsuls geredet?

Wieso hatte das türkische Personal an diesem Tag eigentlich frei? Warum war vorher ein Tross von Agenten aus Saudi-Arabien per Privatjets eingereist, darunter Leibwächter des Kronprinzen Muhammad bin Salman und der Leiter der Forensik-Abteilung des Geheimdienstes?

Womöglich hat die Türkei das Konsulat belauscht. Demnach hat der Konsul sein Büro verlassen, als Khashoggi auftauchte. Dann legte man den Journalisten, der sein Land wegen seiner Kritik am Königshaus verlassen musste und seitdem in den USA lebte, auf den Tisch und ging ans Werk. Sicherheitsquellen gehen davon aus, dass es kein Gespräch gab, auch kein Verhör, sondern ein geplantes Mordattentat. Khashoggi wurde sofort getötet und offenbar zerstückelt; dafür brauchte es wohl den Forensiker. Und so gesehen wird die erste Stellungnahme wahr gewesen sein, dass Khashoggi das Konsulat verlassen haben wird – nur vergaß man mitzuteilen, in wie vielen Stücken.

Ein niedriger Sündenbock wird gesucht

Weil all dies ans Tageslicht gelangte, muss nun schnell ein Schuldiger gefunden werden. Gespannt darf die Weltöffentlichkeit darauf warten, welche nächste Lüge das Regime präsentieren wird. Nur US-Präsident Donald Trump ist schon gelangweilt, schließlich hat er mit dem Kronprinzen telefoniert, und der habe ihm alles erklärt, nämlich: dass er keine Ahnung habe, natürlich der Kronprinz, nicht Trump.

Dabei ist klar, dass im Geheimdienststaat, der sich traditionell und königlich gibt, dergleichen nicht ohne Order von oben geschieht. Der Kronprinz wollte Khashoggi wohl aus dem Weg haben. Er und seine Clique verstehen nur die Sprache der Gewalt, dementsprechend handeln sie.

Der saudische Journalist Jamal Khashoggi während einer Pressekonferenz. (Bild: Hasan Jamali/AP/dpa)
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi während einer Pressekonferenz. (Bild: Hasan Jamali/AP/dpa)

Damit lässt das Regime jene Maske fallen, die es regelmäßig aufsetzt, um von Deutschland als “strategischer Partner” gefeiert zu werden – und dies punktgenau zum Zeitpunkt der Rückkehr des saudischen Botschafters nach Berlin.

Der war nämlich im vergangenen November abgezogen worden, weil der damalige Außenminister Sigmar Gabriel diplomatische Worte für das Regime gefunden hatte, indem er es des “Abenteurertums” bezichtigte. Gabriel hatte den Krieg im Blick, den Saudi-Arabien gegen den Jemen führt, mit unbarmherzigen Luftangriffen und Bodentruppen, die eine humanitäre Katastrophe ausgelöst haben.

Solch böse Sprache wollten die noblen Herrscher von der Arabischen Halbinsel nicht auf sich sitzen lassen, also: Botschafter weg, kein diplomatisches Geplauder mehr und Ignorieren von deutschen Firmeninteressen. Die Bundesregierung kuschte.

“In den zurückliegenden Monaten hat es in unseren Beziehungen Missverständnisse gegeben, die in scharfem Kontrast zu unseren sonst starken strategischen Verbindungen mit dem Königreich Saudi-Arabien stehen. Und wir bedauern das aufrichtig.” Diese Worte kamen tatsächlich dem aktuellen Außenminister Heiko Maas über die Lippen. Wenige Tage später ereignete sich die Metzgerei in der Türkei.

Was zu tun ist

Saudi-Arabien ist kein isolierter Wüstenstaat, kein Häufchen von Scheichs, die geflissentlich übersehen werden könnten, wenn es ums Weltgeschehen geht. Und Saudi-Arabien ist nicht nur Erdöl, auf das es oft reduziert wird, gern von politisch links Stehenden. Saudi-Arabien ist ein großes Land mit einer jungen Bevölkerung, das sich gerade für leichte Liberalisierungen öffnet – aber nur, um des Machterhalts Willen. Meinungsfreiheit hasst die Regierung. Kritiker und Menschenrechtler werden weggesperrt.

Es lässt sich nicht anders sagen: Von dieser Herrschaft kommt nichts Gutes. Das Regime spielt eine ausschließlich negative Rolle für sein Land, für die Region und die Welt. Das Land wird geknechtet, die Region durch saudische Kriege oder saudisch finanzierte Kriege erschüttert und die Welt, die tatenlos zuschaut, korrumpiert.

Khashoggi wurde ermordet, weil man dachte, das könne man machen. Für Deutschland gibt es nur eine Chance, um wieder in den Spiegel blicken zu können: Sobald unwiderlegbare Beweise für die Ermordung Khashoggis öffentlich sind, muss die strategische Partnerschaft aufgekündigt werden. Der deutsche Botschafter in Riad muss seine Koffer packen, jegliche Kooperation auf Eis gelegt werden. Das wird kosten. Aber es gibt keinen anderen Weg, den man eine Mörderbande gehen lassen kann.

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