Kommentar: Die Stärke der Regierung ist die schwache Opposition

Die Spitzen aus SPD, Grünen und FDP stellen den Koalitionsvertrag vor (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Die Spitzen aus SPD, Grünen und FDP stellen den Koalitionsvertrag vor (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP könnte einen guten Start hinlegen – es ist wie bei einem Elfer, wo der Torwart vorher abhaut. Doch alles liegt an der Frage, wie diszipliniert die Liberalen sein werden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Olaf Scholz verhob sich in seiner spröden Art gleich zu Beginn. Den Koalitionsvertrag wollte er vorstellen, da gelang ihm ein komischer Vergleich: Ähnlich wegweisend wie die Ampel im deutschen Straßenverkehr solle die Ampelkoalition werden. Das ist, mit Blick nach draußen, etwas megaloman. Es reicht ja schon, wenn der Start dieses ersten Bündnisses auf Bundesebene nicht gleich vermasselt wird.

Die Voraussetzungen jedenfalls sind gut. Die Linke mault, das Kabinett werde von der FDP geführt, und die AfD klagt, es werde von den Linken geführt – alles so erwartbar wie schwach; und während CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus nur die Frage einfällt, was das alles kosten soll, macht Noch-Parteichef Armin Laschet, was er am besten kann: Er lobt alles, jede und jeden.

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Bei so wenig Gegenwind lässt sich auf der Regierungsbank gut planen. Doch es gibt eine Bedingung: Die Exekutive muss Corona ernstnehmen. Folgt man „den Wissenschaftlern“, und das sollten wir, dann werden die kommenden Wochen noch härter, mit mehr Überlebenskämpfen, mehr Toten. Wenn wir das nicht einfach so hinnehmen wollen, wird die neue Bundesregierung gegenüber den Bundesländern resolut auftreten müssen und mit ihnen im Verbund harte Maßnahmen durchziehen, welche wieder unsere Bürgerfreiheiten einschränken. Blöd, aber nützt ja nichts. Und nur für kurze Zeit. Denn Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn sagte richtig voraus: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein.“ Diese Rechnung kann man verstehen.

Was ansteht

Wenn Olaf Scholz als Kanzler dann versucht, weniger auf Angela Merkel und mehr auf Helmut Schmidt zu machen, würde seine Regierung das Vertrauen kriegen, welches er braucht, um „mehr Fortschritt wagen“ zu können, wie der Koalitionsvertrag übertitelt wird. Da ist der nötige Wumms zur aggressiven Minderung der CO2-Emissionen, die kummervolle Aussicht in der Rente, der nicht immer sprudelnde Steuerreigen und die Bedrohung aus Russland und vor allem China.

Mit kleinen avisierten Schritten, die aber eine hohe Symbolkraft haben, macht sich die Ampel-Koalition derweil auf den richtigen Weg. Der Abtreibungsparagraph 219a mit dem „Werbeverbot“ soll endlich gestrichen – ein historischer Schritt, der einer miesen Frauendiskriminierung Einhalt gebieten kann. Kinder aus gleichgeschlechtlichen Ehen sollen nicht weiterhin diskriminiert werden, das Wort „Rasse“ wird aus dem Grundgesetz fallen, ältere „Gastarbeiter“ sollen leichter die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen können, und das Blutspendeverbot für schwule Männer wird auf dem Müllhaufen der Geschichte landen – alles ideologische und menschenfeindliche Altlast, welche CDU und CSU aus nostalgischen Gründen nicht loswurden. Nun gleicht sich die Politik einigen Realitäten an, und das ist gut so.

Gelber Störfaktor

Bleibt die Frage, wie viel Disziplin die FDP halten kann. Im Ressortzuschnitt hat sie doch weniger Einfluss erhalten als erwartet. Die SPD verwaltet die Sicherheit, die Grünen schieben die Wirtschaft und ihre Transformation an, und der FDP bleiben Ressorts wie Bildung und Justiz, wo sie nicht all zu viel Schaden anrichten kann. Wird ihr das Regieren schmecken, wird die Lust auf Apothekerschmeichelmanöver geringer ausfallen. Und auch das wäre gut so.

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