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Kommentar: Die US-Wahlen – ist das Ende nah?

Donald Trump droht bei den anstehenden Wahlen exekutive Macht einzubüßen. (Bild: Andrew Harnik/AP/dpa)P
Donald Trump droht bei den anstehenden Wahlen exekutive Macht einzubüßen. (Bild: Andrew Harnik/AP/dpa)P

Selten sind Midterm Elections so große Bedeutung zugeschrieben worden wie in diesem Jahr. Die US-Demokraten erhoffen sich einen Umschwung und ein klares Zeichen gegen Donald Trumps Politik. Viele sehen sogar die Chance für das vorzeitige Ende der Trump-Regierung. Aber ist das eine berechtigte Hoffnung?

Ein Kommentar von Moritz Piehler

Die Midterm Elections in den USA stehen unmittelbar bevor. Am 6. November wählen die Amerikaner einen Teil ihrer Vertreter für den Senat und bestücken das Repräsentantenhaus komplett neu – so sie denn wollen. Normalerweise ist bei den Midterms das allgemeine Interesse eher gering, die Wahlbeteiligung niedrig. Doch im Trump-Zeitalter wird die Wahl seit Wochen und Monaten zur Endzeitschlacht hochgejazzt. Für die eine Seite, die der Republikaner, geht es darum, ihren Kurs zu bekräftigen, die Entwicklungen unter Obama weiter rückgängig zu machen und ihre Vorstellung von einem Amerika alter Zeiten und alter Größe ungebremst umzusetzen.

Für die Demokraten, die sich immer noch nicht richtig von dem Schock der Trump-Wahl erholt haben, ist es so etwas wie die letzte Chance, dessen rückwärtsgewandte Politik noch zu stoppen. Denn momentan kann Trump mehr oder weniger ohne Gegenwehr durchregieren, weil er sich in beiden Häusern auf eine republikanische Mehrheit verlassen kann. Mit einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus könnte es hingegen sogar zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump kommen, hoffen viele seiner Gegner. Doch ist dem wirklich so? Wie realistisch ist ein vorzeitiges Ende der Präsidentschaft selbst bei der eher unwahrscheinlichen Variante eines Doppelsieges, also der demokratischen “Übernahme” von Senat und Repräsentantenhaus?

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Mahnende Worte im Gefühl des sicheren Sieges

Die Demokraten geben sich siegesbewusst und haben laut aktuellen Umfragen auch guten Grund dazu. Erste Befragungen sehen eine sehr hohe Wahlbeteiligung voraus, normalerweise gehen nur rund 40% der Amerikaner zur Wahl, dieses Jahr könnten es gut zehn Prozent mehr sein. Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verkündete jüngst in einer US-Talkshow, dass sie sich sicher sei, bei den Midterms einen deutlichen Sieg der Demokraten zu sehen. Auch die Republikaner haben ihre Wahlkampftaktik mittlerweile in erster Linie auf die Verteidigung der Mehrheit im Senat fokussiert. Offensichtlich ist selbst in den eigenen Reihen die Hoffnung nicht groß, beide Häuser des Kongresses halten zu können. Doch das bedeutet keinesfalls, dass direkt ein Amtsenthebungsverfahren bevorsteht.

Gibt derzeit den großen Mahner unter den Demokraten: Joe Biden (Bild: Chuck Burton/AP/dpa)
Gibt derzeit den großen Mahner unter den Demokraten: Joe Biden (Bild: Chuck Burton/AP/dpa)

Der ehemalige Vize-Präsident Joe Biden warnte sein Lager bereits davor, die Midterms als vorzeitiges Ende der Trump-Regierung zu sehen. Biden, der bisher noch offenließ, ob er 2020 gegen Trump antreten will, betonte den richtungsweisenden Charakter der Wahlen mit deutlichen Worten: “Wir befinden uns im einem Kampf um die Seele Amerikas. Es geht darum, den Anstand wieder herzustellen und wieder miteinander zu reden wie zivilisierte Menschen, die einander mit Respekt behandeln.” Allerdings machte Biden auch sehr klar, dass er nicht für ein überstürztes Impeachment-Verfahren wäre, sollte es eine demokratische Mehrheit geben. “Ich hoffe, sie machen das nicht”, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS. Er sehe momentan keine ausreichende rechtliche Basis für eine Amtsenthebung.

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Welche Erkenntnisse beförtert Mueller ans Tageslicht?

Man solle das Ende der Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller abwarten und nicht überhastet handeln. Auch andere Top-Demokraten sehen das ähnlich. Zum Beispiel die Senatorin Elisabeth Warren, eine der wichtigsten Trump-Kritikerinnen aus dem demokratischen Lager: Auch sie will zumindest die Ergebnisse von Robert Mueller abwarten, bevor über eine Amtsenthebung gesprochen wird. Damit dürften beide auf einer Linie mit dem gemäßigteren Teil der demokratischen Wähler liegen. Denn die Stimmen mehren sich, die in einer Amtsenthebung Trumps einen größeren Schaden für die amerikanische Demokratie sehen als in zwei weiteren Jahren mit einem Präsidenten Trump, der durch eine demokratische Mehrheit in Schach gehalten werden könnte.

Dazu kommt, dass der Prozess einer Amtsenthebung kein einfacher ist. Es braucht zum einen eine einfache Mehrheit im Repräsentantenhaus, um das Verfahren einzuleiten. Zum anderen muss aber auch ein triftiger rechtlicher Grund vorliegen, um einen Präsidenten vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Alles, was Trump bisher offiziell nachzuweisen ist, reicht dafür vermutlich kaum aus. Die Anhörungen im Falle eines Verfahrens finden unter dem Vorsitz des Vize-Präsidenten im Senat statt, der einen Schuldspruch mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen muss. Es ist ein langwieriger Prozess, der nicht unbedingt erfolgversprechend ist und dazu auch noch das gespaltene Land weiter entzweien könnte.

Der US-Präsident inmitten seiner Anhänger bei einer Veranstaltung in Charlotte. (Bild: Steve Apps/Wisconsin State Journal/AP/dpa)
Der US-Präsident inmitten seiner Anhänger bei einer Veranstaltung in Charlotte. (Bild: Steve Apps/Wisconsin State Journal/AP/dpa)

Trump selbst hat längst auf Angriffsmodus geschaltet

Nach den Paketbomben an mehrere prominente Trump-Gegner, die den Präsidenten nur für einen Wimpernschlag von seiner üblichen Rhetorik abweichen ließen, bevor er wieder zum Angriff auf Gegner und Presse überging, hat sich die Hoffnung auf eine Entschärfung des politischen Diskurses schnell zerschlagen. Der Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburgh mit elf Todesopfern und der knapp vereitelte Anschlag auf eine afroamerikanische Kirche kurz zuvor, bei dem zwei junge Männer erschossen wurden, waren die letzten gewalttätigen Auswüchse einer extrem aufgeheizten Debatte. Unter den demokratischen Wählern dürfte das noch einmal für größere Motivation für den Gang zur Urne sorgen.

Zudem könnte das auch ein weiteres Argument dafür sein, die Präsidentschaft Trumps eher auf herkömmlichem Wege politisch zu bekämpfen. Ein Amtsenthebungsverfahren wäre Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker und Extremisten, die in Trump den wahren Bekämpfer des “Washingtoner Sumpfes” sehen. Insofern ist es fast wahrscheinlicher, dass die Demokraten auch mit der Mehrheit in einem oder sogar beiden Häusern des Kongresses eher auf eine Blockade-Politik setzen. Umgekehrt hatten es auch die Republikaner während der Obama-Amtszeit gemacht. Durch ihre Mehrheit im Kongress konnten sie nahezu jeden Gesetzesentwurf der Obama-Administration ausbremsen oder verwässern, wie etwa die Gesundheitsreform.

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Der Präsident nimmt seine Wähler in die Pflicht

Trump selbst scheint durchaus eine mögliche Amtsenthebung zu fürchten. Bei einer Wahlveranstaltung in Montana jedenfalls versuchte er seine Anhänger zum Wählen zu motivieren mit den Worten: “Falls es ein Impeachment gegen mich gibt, ist das eure Schuld, weil ihr nicht wählen gegangen seid!” Auch wenn Trump nicht des Amtes enthoben wird, kommt im Falle eines Mehrheitsverlustes definitiv eine neue Art des Regierens auf ihn zu. Sein manchmal fast autokratisch anmutendes Verhalten ließe sich dann nicht mehr praktizieren, der zähe politische Alltag mit seinen Kompromissen und Diskussionen wäre für den Präsidenten sicherlich eine zermürbende Umstellung.

Schon jetzt neigt Trump dazu, sich nicht mit den Details politischer Entscheidungen auseinanderzusetzen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er momentan auf einem Wahlkampfmarathon durch sein Land reist. Auf den Bühnen vor seinen Anhängern fühlt sich Trump am wohlsten, dort kann er seine Neigung zum Populismus ungehindert ausleben und wird bejubelt. Die Midterms könnten so oder so zu seiner größten Schlappe werden, auch ohne Amtsenthebung.

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