Kommentar: Die Wahlen in Italien sind ein Schlag in Europas Gesicht

Wer mit wem? Das fragt sich auch Matteo Renzi. Den Italienern droht nach der Wahl ein quälender Prozess der Regierungsbildung. (Bild: Getty Images)
Wer mit wem? Das fragt sich auch Matteo Renzi. Den Italienern droht nach der Wahl ein quälender Prozess der Regierungsbildung. (Bild: Getty Images)

Egoismus und Spinnerei sind die Sieger des Urnengangs in Italien. Zeit für eine Besinnung.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine echte Protestwahl gab es am vergangenen Sonntag in Italien: Gewinne für die rechtspopulistische Lega Nord (vergleichbar mit der AfD in Deutschland) und für die rechtspopulistische Bewegung Cinque Stelle (Fünf Sterne, zum Glück mit keinem Fuß in Deutschland). Verlierer dagegen sind die Sozialdemokraten und das, was sich früher einmal Christdemokraten nannte und sich nun unterm Banner des Milliardärs und geistigen Lehrers von Donald Trump, nämlich Silvio Berlusconi, versammelte; der alte Medienmogul hatte gefühlt unendlich viele Jahre damit verbracht, als Ministerpräsident die politische Kultur an die Wand zu fahren; aber zumindest europäisch handelte er.

Der Wahlfaden

Nun hat die Denkzettelwahl in Italien die europafeindlichen Kräfte gestärkt. Damit liegt das Votum in einem Trend: Das Brexit-Referendum in Frankreich, die Wahlen in Tschechien, die autokratischen Allüren der Regierungen in Polen und in Ungarn dokumentieren, dass derzeit politischer Erfolg am greifbarsten ist, wenn Rechte in die populistische Tröte blasen und Linke versuchen nicht links zu sein. Tröte ist das aktuelle Lieblingsinstrument, leider.

Gründe für eine Protestwahl haben sich angestaut: Im Norden regiert die Lega Nord, die Region ist wohlhabend und ein Wirtschaftsmotor; das hat weniger mit der Lega Nord zu tun, vielmehr beutet sie das dortige Selbstbewusstsein der Menschen aus und redet ihnen ein, deren schönes Leben sei gefährdet, durch die Nicht-Italiener eben. Halt das rechtspopulistische Einmaleins.

Im Süden dagegen, historisch vom Norden ausgebeutet und in einer Entwicklungsschleife festgefahren, staute sich der Frust über die eigene Korruption, miese Wirtschaft und über den Eindruck, das “System” habe die Region abgeschrieben. Daher wählten viele die “Fünf-Sterne-Bewegung”, welche früher vielleicht einmal mit der deutschen Piraten-Partei vergleichbar gewesen ist, längst aber ihr wahres Gesicht einer One-Man-Show gezeigt hat: Gründer Beppe Grillo dominiert alles, ein Ex-Komiker, der vieles nicht lustig findet, vor allem Kritiker. Grillo ist bestenfalls ein Egomane und schlimmstenfalls auf dem Wege, sich zu einem waschechten Faschisten zu entwickeln. Seine Partei wettert gegen Korruption und ist gleichzeitig, wo sie an die Macht kommt, genauso korrupt. Sie fordert bei anderen, was sie nie für sich gelten lasse; eben ein Durchlauferhitzer für Besserwisser, Verschwörungsfanatiker und Impfskeptiker, vor allem für Loser, die von der schnellen Politkarriere träumen. Dabei setzen die “Fünf Sterne” auf die gleiche Fremdenfeindlichkeit und Europaskepsis wie Lega Nord. Es ist ja auch hübsch einfach, wenn man nur Nein sagen muss.

“Fünf Sterne”-Gründer Beppe Grillo (r.) mit Luigi Di Maio, Abgeordneter für die Partei. (Bild: Getty Images)
“Fünf Sterne”-Gründer Beppe Grillo (r.) mit Luigi Di Maio, Abgeordneter für die Partei. (Bild: Getty Images)

Die Last der Verantwortung

Diese Galerie könnte bald ihr Ende finden. Die Mehrheitsverhältnisse sind verfahren. Sollte “Cinque Stelle” mit den Rechten um Berlusconis Forza Italia und Lega Nord koalieren, würden diese die “Bewegung” vor sich her treiben, denn im Hetzen sind die Rechten eben doch das Original. Sollte “Fünf Sterne” mit den Sozialdemokraten koalieren, müssten sie Verantwortung zeigen und würden sich im Alltag aufreiben. Einfach Rumschreien ginge dann nicht mehr.

Um mit der sozialdemokratischen PD aber zu koalieren, müsste Parteichef Matteo Renzi weg; der ist bei Grillo eine Hassfigur, und überhaupt kann ihn kaum jemand mehr sehen. Die Partei hatte Zeit genug festzustellen, dass der ehemalige Ministerpräsident sein “junges Talent” vor allem dafür nutzte, die PD zu entsozialdemokratisieren. Renzi ist ein Christdemokrat in rotem Gewand. Er entleerte die Partei, verwandelte sie in eine Anything-Goes-Management-Blase.

So bleibt die Hoffnung, dass Italiens Linke, welche auf eine lange und große Geschichte zurückblickt, ihre Zersplitterung in der Opposition überwinden und sich erneuern könnte. Bis dahin müsste das Land, müsste Europa eine Regierung ertragen, die weder der Wirtschaft noch der Kultur, von der Moral ganz zu schweigen, einen Dienst erweisen könnte.

Durchhalten ist die Parole. Und sollte die PD trotz allem nun in die Verantwortung gerufen werden, wie in Deutschland die SPD, müsste sie einfach ran. Sage keiner, Linke seien keine Patrioten.