Kommentar: Diese Brexitsuppe schmeckt nicht gut – aber wir alle müssen die Löffel zücken

Wer ist verantwortlich für das Brexit-Chaos? (Bild: Reuters)
Wer ist verantwortlich für das Brexit-Chaos? (Bild: Reuters)

Das Londoner Drama nimmt kein Ende. Zeit für eine Bilanz, wer uns es einbrockte.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Können Sie das Wort “Brexit” noch hören? Angenehm klingt es rein lautmalerisch nicht und dann noch diese Kompliziertheiten. Zuweilen schwirrte mir der Kopf, dass ich nicht wusste, ob “Brexit” nun den Ausstieg oder Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union (EU) bedeutet. Vielleicht wissen es die Briten selber nicht.

Deshalb sagte ihre Premierministerin Theresa May auch heute, dass die Briten nun schleunigst jemanden brauchen, der sie aus der EU führt; ich nehme an, May legte die Betonung auf das Prädikat. Denn kopflos erscheint das Land, gelähmt. Da braucht es tatsächlich eine Person, die es an die Hand nimmt und führt. Und so halten die britischen Politiker an May fest. Wer sonst sollte diesen Job erledigen, auch wenn May historische Werte an Unbeliebtheit feiert.

Wer sonst? Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob raus aus der EU oder nicht. Es geht darum, einen Staat wieder handlungsfähig zu machen. Seit dem 23. Juni 2016 diskutiert Großbritannien über die konkrete Ausgestaltung dieses verdammten Referendums. Am 24. Juni wachten die Briten auf. Die einen hatten einen Kater und für die anderen ging der Albtraum erst richtig los.

Die Party ist vorbei

Zur Katerfraktion gehörten all jene Politiker, die für den Brexit trommelten. Bald räumten ihre Köpfe ein, im Wahlkampf mit falschen Zahlen und Versprechen gespielt zu haben, nach dem Motto: sorry. Das wurde seltsam schnell vergeben. Zu nennen ist der rechte Flügel der konservativen Tory-Partei und die UKIP-Partei. Letztere ist die britische AfD, deren Ex-Chef Nigel Farage zeigte sich kurz vor Beginn der Parlamentsabstimmung in London über Mays Ausstiegsplan am vergangenen Montag in bester Laune, feixend. Er selbst will mit der Politik nichts mehr zu tun haben. Ich muss zugeben: Als ich dieses Lächeln im TV sah, kam in mir eine Wut hoch.

Die Suppe, die wir alle nun auszulöffeln haben, wurde uns von Populisten wie Farage gekocht, ein Politiker, der die Politik verhöhnt und der noch mehr seine Wähler verhöhnt. Von Beginn der Brexit-Kampagne war klar, dass ein Austritt der Briten aus der EU nur Verlierer zeitigen würde. Und so wird es nun auch kommen.

Die Suppe übrigens kräftig mitgewürzt hat nicht nur der halbseidene Farage, der gegen Eliten hetzt und doch selbst unbedingt zu ihnen zählen will, mit seinen Freunden aus der AfD in Deutschland oder den Cinque Stelle und Lega in Italien. Auch May, die gegen den Brexit stimmte, tat sich durch elitistische Verständnislosigkeit hervor: Sie versuchte einen Brexit-Vertrag durchzuboxen, der im Rest Europas nur Kopfschütteln bereitete. Auch auf die Linken in Großbritannien war kein Verlass. Deren Chef Jeremy Corbyn gelang die Sensation, seit Juni 2026 wortreich nichts Substanzielles zu sagen. Bis heute ist nicht klar, wie Corbyn zu EU steht, er bietet den Wählern kein klares Profil an, im populistischen Kalkül, die EU-Skeptiker nicht verprellen zu wollen. Damit verhöhnt er die Wähler ähnlich wie Farage – vielleicht ist es bei Corbyn noch schlimmer, denn er präsentiert sich als einer der “Guten”. Dabei ist er nur zum Davonlaufen.

Ein Protokoll muss her

Mitgemacht haben auch die Boulevardmedien, die eine Brexit-Stimmung herbeigeschrieben haben. Und es sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass diese Medien eher zu einer rechten als zu einer linken politischen Meinung tendieren. Nur fürs Protokoll.

Denn Parteien wie die AfD tun nun so, als sei ein Brexit kein “big deal”. Schließlich erwägt sie Vergleichbares für Deutschland. Doch sollte es zum Austritt Londons kommen, werden wir alle das Chaos sehen, welches uns eingebrockt wird. Schon jetzt sind Unsicherheiten groß.

Es gibt nur einen positiven Effekt. Die Populisten schweigen für einen Moment. Sie wissen, dass man auf sie mit dem Finger zu zeigen hat. Aber das wird nicht lange andauern. An die Lügen haben wir uns ja gewöhnt.

Im Video: Theresa May sucht nach einem Ausweg aus der Brexit-Sackgasse